Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte Kündigung. Verdachtskündigung. Beweiswürdigung
Normenkette
KSchG § 1
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 28.11.1988; Aktenzeichen 6 Sa 619/88) |
ArbG Köln (Urteil vom 28.04.1988; Aktenzeichen 11 Ca 9076/87) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28. November 1988 – 6 Sa 619/88 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der 1939 geborene Kläger war seit 1. April 1977 bei der Beklagten, zuletzt als Vorarbeiter im Lager, beschäftigt. Seine Jahresbruttovergütung betrug 45.812,– DM.
Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, daß aus ihrem Werbemittellager ein Karton mit Pikkolo-Flaschen Sekt verschwunden war, führte sie am 11. November 1987 an den Arbeitsplätzen und auch in den Pkw's mehrerer Mitarbeiter Kontrollen durch. Dabei fanden sich im Pkw der Arbeitnehmerin B. verschiedene Artikel aus dem Warenangebot der Beklagten im Gesamtwert (Fabrikabgabepreis) von 278,36 DM. Im Büro der Mitarbeiterin S. entdeckte sie 12 Flaschen Pikkolo-Sekt, 3 Flaschen Champagner und weitere Handelsware, alles im Gesamtwert von 169,93 DM. Beide Arbeitnehmerinnen erklärten zunächst nur, sie hätten die Ware nicht selbst aus den Regalen geholt und machten keine weiteren Angaben.
Am 12. November 1987 nannte Frau S. den Kläger als Tatbeteiligten, am 20. November 1987 schloß sich dem die Angestellte B. nach anwaltlicher Beratung an. Beide gaben gegenüber der Beklagten am 24. November 1987 sogenannte „eidesstattliche Versicherungen” über das Tatgeschehen ab. Der Kläger bestritt in einer Anhörung, mit der Entwendung der Waren irgend etwas zu tun zu haben.
Die Beklagte ließ dem Kläger am 25. November 1987 nach Anhörung des Betriebsrats ein Schreiben zugehen, in dem sie das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich, zum 30. Juni 1988 kündigte. Sie führte in dem Schreiben aus, es bestehe mindestens der Verdacht und zu ihrer Überzeugung stehe sogar fest, daß der Kläger im Zusammenwirken mit den Angestellten B. und S. Waren zu ihrem Nachteil entwendet, also unterschlagen habe.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat vorgetragen, er habe weder Waren aus den Beständen der Beklagten entwendet noch im Zusammenwirken mit den Arbeitnehmerinnen B. und S. einen dahingehenden Versuch unternommen. Insbesondere habe er sich zu den maßgeblichen Tatzeiten an seinem Arbeitsplatz oder in der Kantine aufgehalten. Außerdem habe die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien falsch, die Beklagte wolle an ihm ein Exempel statuieren, um möglichen Diebstählen vorzubeugen.
Der Kläger hat, soweit in der Revision noch erheblich, beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 25. November 1987 aufgelöst sei.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat geltend gemacht, der Kläger habe der Arbeitnehmerin B. die bei dieser vorgefundene Ware am 11. November 1987 um die Mittagszeit in einem Karton überreicht mit der Bitte, sie für ihn aufzuheben. Am 10. November 1987 habe er die Mitarbeiterin S. angesprochen, ob sie noch einmal Ware für ihn deponieren wolle, wozu diese sich bereit erklärt habe. Die Waren habe er Frau S. dann am 11. November 1987 zwischen 12.30 Uhr und 13.00 Uhr in einem blauen Müllsack gebracht, den er nach Umpackung wieder mitgenommen habe. Er habe Frau S. bereits im Juli 1987 in ähnlicher Weise eingesetzt und ihr als Gegenleistung für das Aufbewahren der Ware eine kleine Packung Aktiv-Kapseln und eine mittlere Packung Franzbranntwein gegeben.
Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB habe sie gewahrt, denn sie sei sich der Tatbeteiligung des Klägers erst sicher gewesen, nachdem die Mitarbeiterinnen B. und S. am 24. November 1987 ihre Angaben „eidesstattlich” versichert hätten.
Das Arbeitsgericht hat zum Termin am 28. April 1988 den Kläger sowie die Angestellten B., S., B. und W. geladen. Im Termin hat es beschlossen, die Zeuginnen W., B, S. und B. über die in ihr Wissen gestellten Tatsachen zu vernehmen. Die Zeuginnen B. und W. haben zur Anhörung des Betriebsrates bekundet, die Zeuginnen B. und S. sind gefragt worden, ob sie von dem Kläger Ware übernommen hätten. Sie haben daraufhin erklärt, sie wollten die Aussage verweigern. Das Arbeitsgericht hat hierauf den Beschluß verkündet, den Zeuginnen stehe ein Aussageverweigerungsrecht gemäß § 384 Ziff. 1 und 2 ZPO zu.
Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat in beiden Fällen um genaue Formulierung des Beweisthemas ersucht, vorsorglich hat der die „eidesstattlichen Versicherungen” vom 24. November 1987 überreicht. Das Arbeitsgericht hat beschlossen, den Kläger als Partei über die ihm vorgeworfenen Beschuldigungen zu vernehmen. Der Kläger hat nach Vernehmung zur Person erklärt, er wolle heute zur Sache nicht aussagen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, aufgrund der Aussageverweigerung des Klägers bestehe der dringende Verdacht, daß er strafbare Handlungen zum Nachteil der Beklagten begangen habe. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten sei daher wirksam.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Zeuginnen B. und S. haben dem Berufungsgericht mitgeteilt, sie verblieben bei dem ihnen zuerkannten Aussageverweigerungsrecht. Durch Schriftsatz vom 10. Oktober 1988 hat die Beklagte in Hinblick auf eine gegen den Kläger erstattete Strafanzeige ihren Antrag auf Parteivernehmung des Klägers im Berufungsverfahren nicht aufrechterhalten.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 25. November 1987 aufgelöst worden. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es sei nicht bewiesen, daß der Kläger im Zusammenwirken mit den Zeuginnen B. und S. den Versuch unternommen habe, Waren aus dem Bestand der Beklagten zu entwenden. Die Zeuginnen B. und S. seien zur Aussageverweigerung berechtigt. Daß sie den Kläger in den sogenannten „eidesstattlichen Versicherungen” beschuldigt hätten, reiche nicht aus. Sie könnten ihn auch nur deshalb beschuldigt haben, um als seine angeblichen Opfer in einem besseren Licht zu erscheinen. So sei es ihnen gelungen, die Beklagte von einer außerordentlichen Kündigung ihrer Arbeitsverhältnisse abzuhalten. Auch die Aussageverweigerung des Klägers vor dem Arbeitsgericht könne im konkreten Fall nicht zu seinem Nachteil berücksichtigt werden. Der Kläger habe die Aussage nämlich nicht endgültig, sondern nur in einer bestimmten Verfahrenssituation verweigert. Mit den „eidesstattlichen Versicherungen” sei er unstreitig erstmals in der mündlichen Verhandlung konfrontiert worden. Wenn ihm auch der Inhalt der Beschuldigungen im Kern bekannt gewesen sei, so spreche es nicht gegen ihn, daß er erst Einblick in die schriftlichen Erklärungen der Zeuginnen habe nehmen wollen.
Die außerordentliche Kündigung sei auch nicht als Verdachtskündigung wirksam. Ein hinreichend schwerwiegender Verdacht liege nicht vor. Zwar hätten die Zeuginnen B. und S. den Kläger als Täter bezichtigt. Es liege aber kein irgendwie geartetes anderes Indiz dafür vor, daß diese Beschuldigungen zuträfen. Die Beklagte habe nicht etwa vorgetragen, daß ein Dritter den Kläger am 10. November 1987 im Gespräch mit der Zeugin S. oder am 11. November 1987 auf dem Weg zu den Zeuginnen oder während des Zusammenseins mit den Zeuginnen gesehen habe oder daß andere tatsächliche Umstände eine Täterschaft des Klägers zumindest nahelegten. Die Zeuginnen hätten den Kläger zudem nicht etwa sogleich belastet. Hätte der Kläger die Zeuginnen wirklich durch Ansinnen, Diebesgut für ihn aufzubewahren, in eine außerordentlich schwierige Situation gebracht, so fehle jedes erkennbare Motiv dafür, warum die Zeuginnen den Kläger zunächst schonten, indem Frau S. ihn erstmals am 12. November, Frau B. sogar erst am 20. November 1987 als Tatbeteiligten nannten. Soweit die Zeuginnen sich näher mit der Art der Verpackung des Diebesguts befaßt hätten, komme die Möglichkeit in Betracht, die Zeuginnen hätten mit dieser Einlassung vertuschen wollen, bereits zu einem früheren Zeitpunkt ohne Beteiligung des Klägers bei Eigentumsdelikten, die gegen die Beklagte gerichtet gewesen seien, zusammengewirkt zu haben.
Selbst wenn aus den Erklärungen der Zeuginnen B. und S. jedoch ein hinreichend schwerer Tatverdacht gegen den Kläger hergeleitet werden könne, so sei die Kündigung unwirksam, denn der Arbeitgeber habe nicht alles Notwendige zur Aufklärung des Sachverhalts getan. Die Beklagte habe nicht durch entsprechende Fragen an die Zeuginnen den Sachverhalt weiter aufgeklärt. Aus den „eidesstattlichen Versicherungen” ergebe sich auch nicht, welches persönliche Verhältnis zwischen den Zeuginnen und dem Kläger bestanden habe. Schließlich könne es nicht zu Lasten des Klägers gehen, daß die Beklagte davon abgesehen habe, zur Aufklärung des Sachverhalts die Polizei heranzuziehen. Die Beklagte hätte bei dieser Situation im einzelnen dartun müssen, was sie davon abgehalten habe, trotz der Erkenntnisse, die im Ermittlungsverfahren gewonnen werden könnten, von der Hinzuziehung der Polizei abzusehen.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten hinsichtlich der Hauptbegründung der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat im Tenor seiner Entscheidung über die außerordentliche und die ordentliche Kündigung der Beklagten befunden. In den Entscheidungsgründen hat es jedoch rechtlich Ausführungen nur zur außerordentlichen Kündigung gemacht. Da das Landesarbeitsgericht hierbei aber bereits das Vorliegen eines Kündigungsgrundes zutreffend verneint hat, ergibt sich daraus auch die Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung. Die Ausführungen des Berufungsgerichts tragen sachlich zugleich seine Entscheidung über die ordentliche Kündigung. Es fehlt insoweit deswegen nicht an jeder Begründung i. S. des § 551 Nr. 7 ZPO.
1. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, eine Tatbeteiligung des Klägers sei nicht bewiesen, begegnet diese Feststellung revisionsrechtlich keinen Bedenken. Die Verfahrensrügen der Revision hiergegen sind nicht durchgreifend. Dabei beschränkt sich der Senat nach § 565 a ZPO zu einzelnen Punkten auf folgende Hinweise:
a) Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe sich nicht mit dem gesamten Tatsachenstoff hinreichend auseinandergesetzt, ist unsubstantiiert. Es ist nicht vorgetragen, was das Landesarbeitsgericht konkret in seine Überlegungen hätte noch einbeziehen sollen.
b) Das Landesarbeitsgericht hat auch keine Beweisverfahrensvorschriften verletzt. Die Ausführungen der Revision berücksichtigen nicht, daß die Beweisaufnahme hinsichtlich der Zeugenvernehmungen keines besonderen Verfahrens bedurfte (§ 358 ZPO).
Der Vorsitzende des Arbeitsgerichts hatte gemäß § 56 ArbGG zur Vorbereitung der streitigen Verhandlung die Zeuginnen B. und S. geladen und die Parteivertreter hiervon unterrichtet.
Im Verhandlungstermin hat die Kammer ausweislich des Protokolls vom 28. April 1988 in Anwesenheit der Zeuginnen B. und S. den Beschluß verkündet, die Zeuginnen über die in ihr Wissen gestellten Tatsachen zu vernehmen. Der förmliche Erlaß eines Beweisbeschlusses – den die Revision fordert – sieht die ZPO nur vor, wenn die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren erfordert, was nur der Fall ist, wenn ein eigener Termin zur Durchführung einer Beweisaufnahme bestimmt wird (§ 358 ZPO). Außerdem ist über die Vernehmung einer Partei nach § 450 ZPO zu entscheiden. Insoweit hat das Arbeitsgericht nach Beratung einen Beweisbeschluß verkündet.
Im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt war den Zeuginnen auch klar, zu welchem Sachkomplex sie vernommen werden sollten. Die nach der ersten Frage nach der Warenübernahme vom Kläger erklärte Aussageverweigerung der Zeuginnen bezog sich ersichtlich auf den gesamten Tatkomplex, denn die Frage des Gerichts war umfassend gestellt. Soweit die Beklagte solche Tatsachen in das Wissen der Zeuginnen hätte stellen wollen, die nicht der Aussageverweigerung unterlegen hätten, wäre es ihre Sache gewesen, konkrete ergänzende Fragen zu stellen, deren Beantwortung ihrer Ansicht nach die Zeuginnen nicht hätten verweigern können.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben auch das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 384 Nr. 1 und 2 ZPO zu Recht bejaht. Unter Zugrundelegung der Behauptungen der Beklagten in den Schriftsätzen standen alle möglichen Fragen im Zusammenhang mit dem Tatkomplex.
c) Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht seine Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO verletzt. Aus den Aussagen der Zeuginnen B. und W. ergibt sich lediglich, daß diesen – als Betriebsratsmitgliedern – die schriftlichen „eidesstattlichen Versicherungen” vorlagen und daß sie den Kläger unter Zugrundelegung des Inhalts dieser Erklärungen befragten. Anhaltspunkte dafür, die Zeuginnen B. und W. hätten dem Kläger die schriftlichen Erklärungen der Zeuginnen B. und S. vorgelegt, bestanden nicht. Das Gericht war daher nicht gehalten, den Tatsachenstoff zu erweitern und zu fragen, ob die Zeuginnen dem Kläger seinerzeit die Urkunden auch gezeigt haben. Wenn die Beklagte der Auffassung war, dies sei der Fall gewesen und wenn sie dies für erheblich im Hinblick auf die Aussageverweigerung des Klägers erachtete, so wäre es ihre Sache gewesen, von sich aus eine solche Frage zu stellen.
Nach dem sich dem Richter stellenden Ergebnis der Beweisaufnahme war der im Urteil gezogene Schluß, der Kläger habe „heute” nicht aussagen wollen, um zuvor die schriftlichen Erklärungen der Zeuginnen lesen zu können, nicht denkgesetzwidrig, sondern er entsprach auch dem berechtigten Interesse des Klägers. Wenn die Beklagte es prozeßtaktisch für tunlich erachtete, die Erklärungen erst im Termin vorzulegen (vgl. Protokoll des Arbeitsgerichts Seite 4), so hat sie auch die Folgen hieraus zu tragen. Feststellungen, ob der vom Kläger genannte Grund für die Aussageverweigerung nur ein Vorwand war, hat die Beklagte dadurch verhindert, daß sie in der Zweiten Instanz erklärte, sie halte den Antrag auf Parteivernehmung des Klägers nicht aufrecht.
2. Auch soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, es liege kein hinreichend schwerer Verdacht vor, sind seine Ausführungen in der Hauptbegründung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, außer den Erklärungen der beiden Zeuginnen B. und S. liege kein irgendwie geartetes Indiz dafür vor, daß die Beschuldigungen der Beklagten zuträfen.
aa) Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe keine Schlüsse daraus gezogen, daß die Zeuginnen nicht etwa nur globale Behauptungen hinsichtlich des Tathergangs aufgestellt, sondern daß sie sehr detailliert geschildert hätten, ist das unrichtig. Das Landesarbeitsgericht hat diesen Umstand sehr wohl gesehen und auf Seite 8/9 des Urteils festgestellt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Zeuginnen hätten mit dieser Detailschilderung den Verdacht auf den Kläger lenken und vertuschen wollen, daß sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt ohne Tatbeteiligung des Klägers bei Eigentumsdelikten zusammengewirkt hätten.
bb) Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe einen fehlerhaften Schluß daraus gezogen, daß die Zeuginnen den Kläger nicht sofort am 11. November 1987 belastet hätten, greift diese Rüge nicht. Der vom Berufungsgericht gezogene Schluß ist möglich. Es gibt keinen feststehenden Erfahrungssatz, daß Tatbeteiligte bei Aufdecken ihres Tuns die Mitwirkung anderer Beteiligter sofort offenbaren.
cc) Soweit die Revision eine Verletzung des § 139 ZPO damit begründet, das Gericht habe es ohne vorherigen Hinweis als besonders entscheidend angesehen, daß die Zeugin B. den Kläger erst am 20. November 1987 beschuldigt habe, und dazu geltend macht, sie hätte bei einem Hinweis ergänzend vorgetragen, die Zeugin habe ihrem Anwalt bereits am 13. November 1987 den Namen genannt, liegt keine Rechtsverletzung vor.
Nach dem dem Gericht vorliegenden Tatsachenstoff lagen Anhaltspunkte dafür, die Zeugin B. habe sich bereits früher hinsichtlich des weiteren Tatbeteiligten offenbart, nicht vor. Der Richter konnte daher rechtsfehlerfrei davon ausgehen, die Beschuldigung sei erstmals am 20. November 1987 erhoben worden. Es wäre Sache der insoweit offenbar tatsachenkundigen und beweispflichtigen Beklagten gewesen, diesen Tatsachenstoff von sich aus in den Prozeß einzuführen.
dd) Da die Beklagte ihren Antrag, den Kläger als Partei zu vernehmen, zurückgezogen hat, konnte das Landesarbeitsgericht keine zwingenden, den Kläger belastenden Schlüsse daraus ziehen, daß dieser in erster Instanz die Aussage verweigert hatte. Soweit der Kläger seine Aussageverweigerung damit begründet hat, er wolle „heute” nicht aussagen, ist die vom Landesarbeitsgericht gewonnene Überzeugung, er sei nur im damaligen Termin wegen der erstmaligen Konfrontierung mit den schriftlichen Erklärungen der Zeuginnen nicht aussagebereit gewesen, nicht denkfehlerhaft.
2. Lag unter Zugrundelegung der Feststellung des Berufungsgerichts zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs weder der Beweis der Täterschaft vor noch ein hinreichend schwerer Verdacht, der die Beklagte zu einer Verdachtskündigung berechtigt hätte, so kommt es auf die hilfsweise angestellte Erwägung des Berufungsgerichts nicht an. Soweit das Landesarbeitsgericht allerdings insoweit ausgeführt hat, selbst im Falle eines hinreichend schweren Tatverdachts sei die Kündigung unwirksam, weil die Beklagte nicht alles ihr Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan habe, stehen diese Ausführungen im Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats.
a) Der Senat hat am 26. Februar 1987 (– 2 AZR 170/86 –, nichtveröffentlicht) zur Aufklärungspflicht des Arbeitgebers ausgeführt, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne nicht nur eine erwiesene strafbare Handlung oder andere Vertragsverletzungen eines Arbeitnehmers, sondern auch der Verdacht, eine strafbare Handlung oder Pflichtverletzung begangen zu haben, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen (BAGE 16, 72 = AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAGE 29, 7 = AP Nr. 9 zu § 103 BetrVG 1972; Urteil vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972; Urteil vom 3. April 1986 – 2 AZR 324/85 – AP Nr. 18 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung). Der Senat hat weiter festgestellt, der Verdacht müsse objektiv durch bestimmte Tatsachen begründet sein. Er müsse darüber hinaus auch dringend sein. Es sei also zu prüfen, ob eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, daß der gekündigte Arbeitnehmer eine Straftat bedangen habe. Schwerwiegend müsse nicht nur der Verdacht, sondern auch die strafbare Handlung bzw. die Pflichtverletzung sein, deren der Arbeitnehmer verdächtigt werde. Schließlich müsse der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben (vgl. dazu KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rz 153 f.).
b) Der Senat hat in einer früheren Entscheidung (11. April 1985, a.a.O.) bereits festgestellt, der Arbeitnehmer sei vor Ausspruch einer Verdachtskündigung zu den gegen ihn erhobenen Verdachtsmomenten zu hören. Die Erfüllung dieser Aufklärungspflicht hat der Senat als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Verdachtskündigung angesehen. Der Senat hat dann festgestellt, wenn der Arbeitgeber schuldhaft die aus der Aufklärungspflicht resultierende Anhörungspflicht verletze, könne er sich im Prozeß nicht auf den Verdacht einer strafbaren Handlung bzw. eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen. In der zitierten Entscheidung vom 26. Februar 1987 hat der Senat eine Pflicht des Arbeitgebers, den Verdächtigten mit Gegenzeugen gegenüberzustellen, verneint. Er hat dies damit begründet, von einer entsprechenden Weiterentwicklung der Rechtsprechung sei abzusehen, weil die Gegenüberstellung noch nicht einmal in der Mehrzahl der Fälle eine größere Sicherheit für die Begründetheit des Verdachts geben muß.
c) Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte als Verdachtsmomente nur die Aussagen der Zeuginnen B. und S. Insoweit hat sie den Kläger mit deren Aussagen konfrontiert. Ob sie es darüber hinaus für geboten hielt, eine Anzeige gegen die verdächtigten Arbeitnehmer zu erstatten, um nur dann Verdachtskündigungen aussprechen zu können, mußte ihr überlassen bleiben. Eine Verdachtskündigung kann nicht bereits deshalb als unwirksam erachtet werden, weil der Arbeitgeber davon abgesehen hat, die Staatsanwaltschaft zwecks Durchführung weiterer Ermittlungen einzuschalten,
Unterschriften
Hillebrecht, Bitter, Dr. Ascheid, Binzek, Walter
Fundstellen