Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht - Umsetzung - Abmahnung
Leitsatz (redaktionell)
Bestehen zwischen Arbeitnehmern Spannungen, so kann der Arbeitgeber dem durch Umsetzung eines der Arbeitnehmer begegnen. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, anstelle der Umsetzung eine Abmahnung auszusprechen.
Normenkette
BGB §§ 611, 315 Abs. 3; PersVG ND § 78 Abs. 2 Nr. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin wehrt sich gegen ihre Umsetzung als Stationsleiterin in eine andere Station desselben Krankenhauses.
In dem Krankenhaus, das der beklagte Landkreis im Jahre 1970 übernommen hat, ist die Klägerin seit 1. April 1962 in der Krankenpflege beschäftigt. Etwa 26 Jahre oblag ihr die Leitung der Station VIII, auf der Patienten aus mehreren Fachgebieten betreut werden und die 24 Betten umfaßt. Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 8. September 1993 mit, sie werde aus dienstlichen Gründen mit Wirkung vom 1. November 1993 als Stationsleiterin auf die Station V des Krankenhauses umgesetzt. Auf der Station V werden Patienten aus dem Fachbereich Knochenchirurgie betreut; die Station umfaßt 36 Betten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe mit diesem Schreiben eine Änderungskündigung ausgesprochen, die sozial nicht gerechtfertigt und daher unwirksam sei. Auf ihr Direktionsrecht könne sich die Beklagte nicht stützen, weil sich durch ihre 26jährige Tätigkeit als Leiterin der Station VIII das Arbeitsverhältnis auf die Leitung dieser Station konkretisiert habe. Die Maßnahme sei auch unbillig. Es gebe keinen Anlaß, sie umzusetzen. Zudem sei der Personalrat vor der Maßnahme nicht angehört worden; er habe ihrer Versetzung auch nicht zugestimmt.
Die Klägerin hat im Berufungsrechtszug zuletzt beantragt,
1. festzustellen, daß die Änderungskündigung vom
08. September 1993 sozial nicht gerechtfertigt
sei,
2. hilfsweise festzustellen, daß ihre Versetzung
von der bisherigen Station VIII als Stations-
leiterin zur Station V unwirksam sei und die
Beklagte zu verurteilen, sie weiterhin als
Stationsleiterin auf Station VIII des Kreis-
krankenhauses zu den bisherigen Bedingungen
weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat erwidert, sie habe lediglich von ihrem Direktionsrecht Gebrauch gemacht. Eine Konkretisierung des Arbeitsvertrags der Klägerin auf die Leitung der Station VIII des Krankenhauses sei nicht eingetreten. Für die Umsetzung habe es sachliche Gründe gegeben. Die Klägerin habe Schwächen in der Dienstplangestaltung gezeigt; ihre Dienstpläne hätten angepaßt und korrigiert werden müssen. Ferner sei die Urlaubsplanung unvollständig gewesen. Schließlich seien Mängel in der Mitarbeiterführung aufgetreten. Ärztliche Weisungen an das Stationspersonal habe die Klägerin nicht weitergegeben oder nicht ausreichend dokumentiert. Dies habe das Verhältnis der Ärzte zu den übrigen Pflegekräften belastet und dazu geführt, daß sechs Pflegekräfte 1993 Umsetzungsanträge gestellt hätten. Das Auswechseln der Stationsleitung auf der Station VIII habe zudem dem eindeutigen Votum aller auf der Station tätigen Chefärzte entsprochen. Die Klägerin ist diesem Vorbringen im einzelnen mit der Begründung entgegengetreten, die gegen sie erhobenen Vorwürfe träfen nicht zu.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin nur noch, die Beklagte zu verurteilen, sie weiterhin als Stationsleiterin auf der Station VIII einzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet; der Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin als Leiterin der Station VIII weiterzubeschäftigen. Dies haben die Vorinstanzen zutreffend entschieden. Die Klägerin muß Dienst als Leiterin der Station V tun. Der Beklagte hat sein Direktionsrecht rechtmäßig ausgeübt.
Die Klägerin ist durch das Schreiben des Beklagten vom 8. September 1993 als Stationsleiterin von der Station VIII auf die Station V umgesetzt worden. Die Maßnahme ist wirksam.
1. Kraft seines Direktionsrechts bestimmt der Arbeitgeber die näheren Einzelheiten der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung, vor allem deren Ort, Zeit und näheren Inhalt. Das Direktionsrecht kann durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt sein. Soweit hiernach das Direktionsrecht ausgeübt werden kann, muß der Arbeitgeber die Grenzen des billigen Ermessens im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB einhalten (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Urteil vom 23. Juni 1993 - 5 AZR 337/92 - AP Nr. 42 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu II 1 der Gründe, m.w.N.). Die Wahrung billigen Ermessens setzt voraus, daß die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Ob dies geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), die in der Revisionsinstanz uneingeschränkt nachzuprüfen ist (BAG Urteil vom 23. Januar 1992 - 6 AZR 87/90 - AP Nr. 39 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu II 2 c der Gründe; BAG Urteil vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT, zu II 2 a der Gründe, m.w.N.).
2. Die hier streitige Umsetzung war durch das Direktionsrecht des Beklagten gedeckt. Der Beklagte hat sich in den Grenzen billigen Ermessens gehalten. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Die insoweit von der Klägerin erhobenen Revisionsrügen greifen nicht durch (§ 565 a ZPO).
a) Das Direktionsrecht des Beklagten war nicht dadurch eingeschränkt, daß sich die Arbeitspflicht der Klägerin auf die Leitung nur der Station VIII des Kreiskrankenhauses konkretisiert hätte. Die entsprechende Feststellung und Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist von Revisions wegen nicht zu beanstanden; sie wird von der Klägerin auch nicht mehr in Frage gestellt.
b) Die Umsetzung der Klägerin als Stationsleiterin überschreitet auch nicht die Grenzen billigen Ermessens (§ 315 Abs. 3 BGB). Zu Unrecht meint die Klägerin, der Arbeitgeber müsse bei Ausübung seines Direktionsrechtes zur Behebung von Leistungsmängeln stets das "mildeste Mittel" anwenden; dies sei eine Abmahnung und nicht eine Versetzung. Hierbei übersieht die Klägerin, daß die Erteilung einer Abmahnung in aller Regel den Arbeitnehmer stärker belastet als die Maßnahme, die der Beklagte getroffen hat. Denn eine Abmahnung bedeutet nicht nur, daß der Arbeitgeber Leistungsmängel als solche bezeichnet und als vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers rügt, sondern auch, daß er ihm für den Fall der Wiederholung die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses androht. Eine derartige, den Arbeitnehmer rügende und ihn belastende Maßnahme hat der Beklagte hier gerade nicht ergriffen, mag die Klägerin auch meinen, sie sei "strafversetzt" worden. Zudem hat der Beklagte die Klägerin nicht etwa von einer größeren auf eine kleinere Station umgesetzt, sondern von einer kleineren auf eine um die Hälfte größere Station.
c) Die Klägerin übersieht ferner, daß es Sache des Arbeitgebers ist zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will, wie sie hier - unbeschadet des Streits um ihre Ursachen - vorliegen. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, in solchen Situationen anstelle einer Umsetzung eine Abmahnung auszusprechen. Denn häufig bewirkt eine Abmahnung nicht die vom Arbeitgeber angestrebte Verbesserung der Arbeitsleistung insgesamt. Gerade wenn - wie hier - eine Position lange Zeit von derselben Person eingenommen worden ist, kann eine Umsetzung durchaus im beiderseitigen Interesse liegen.
3. Die Umsetzung der Klägerin ist auch nicht mangels Beteiligung des Personalrats unwirksam. Für diese Umsetzung bedurfte es der Mitbestimmung durch den Personalrat nicht. Insbesondere ist § 78 Abs. 2 Nr. 4 Nds. PersVG nicht berührt. Hiernach hat der Personalrat in Angelegenheiten der Angestellten und Arbeiter mitzubestimmen bei der Versetzung zu einer anderen Dienststelle oder der Umsetzung innerhalb derselben Dienststelle, wenn sie mit einem Wechsel des Dienstortes verbunden ist. Eine Versetzung zu einer anderen Dienststelle liegt nicht vor, denn die Klägerin ist nach wie vor in derselben Dienststelle, nämlich im selben Kreiskrankenhaus tätig. Es liegt aber auch nicht der Fall der mitbestimmungspflichtigen Umsetzung vor, weil die Umsetzung der Klägerin nicht mit einem Wechsel ihres Dienstortes verbunden ist. Dienstort im Sinne dieser Bestimmung ist die politische Gemeinde einschließlich des Einzugsgebietes im Sinne des Umzugskostenrechts. Die Klägerin ist aber im selben Krankenhaus in derselben politischen Gemeinde tätig geblieben.
Griebeling Schliemann Reinecke
Krogmann Kessel
Fundstellen
BB 1996, 1892 (Leitsatz 1) |
BB 1996, 2254 |
BB 1996, 2254-2256 (Leitsatz 1 und Gründe) |
DB 1996, 1931-1932 (Leitsatz 1 und Gründe) |
NJW 1997, 78 |
NJW 1997, 78 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EBE/BAG 1996, 143-144 (Leitsatz 1 und Gründe) |
BetrR 1996, 148-149 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ARST 1996, 220-221 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ASP 1996, Nr 11/12, 55 (Kurzwiedergabe) |
NZA 1996, 1088 |
NZA 1996, 1088-1089 (Leitsatz 1 und Gründe) |
Quelle 1996, Nr 12, 24 (Leitsatz 1) |
RdA 1996, 327 (Leitsatz 1) |
VersorgW 1997, 166 (Kurzwiedergabe) |
ZTR 1996, 518-519 (Leitsatz 1 und Gründe) |
AP § 315 BGB (Leitsatz 1), Nr 65 |
AP § 611 BGB, Nr 48 |
AP, 0 |
AR-Blattei, ES 600 Nr 24 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ArbuR 1996, 406 (Leitsatz 1) |
ArztR 1997, 146 (Leitsatz 1) |
EzA-SD 1996, Nr 18, 22 (Leitsatz 1) |
EzA § 611 BGB Direktionsrecht, Nr 18 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EzBAT § 8 BAT, Nr 29 (Leitsatz 1 und Gründe) |
PersF 1996, 1002 (Leitsatz 1) |
PersR 1996, 504-505 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ZMV 1997, 40 |
ZMV 1997, 40-42 (red. Leitsatz 1-6, Kurzwiedergabe) |
ZfPR 1997, 18 (Leitsatz 1) |
PflR 1997, 17 |