Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitbeschäftigte Lehrkraft - Gleichbehandlung

 

Orientierungssatz

1. Erhält ein teilzeitbeschäftigter Lehrer im Angestelltenverhältnis aufgrund einer vertraglichen Vergütungsabrede eine geringere anteilige Vergütung als vollzeitbeschäftigte Lehrer im Angestelltenverhältnis, so ist diese Vergütungsabrede im Hinblick auf § 2 Abs 1 BeschFG 1985 unwirksam. In diesem Fall kann der Lehrer die anteilige übliche Vergütung beanspruchen, die im öffentlichen Dienst die regelmäßig vereinbarte tarifliche Vergütung ist. (Bestätigung des Teil-Urteils vom 25.1. 1989, 5 AZR 161/88 = AP Nr 2 zu § 2 BeschFG 1985).

2. Eine anderweitige Teilzeitbeschäftigung ist nicht als sachlicher Grund im Sinne des § 2 Abs 1 BeschFG 1985 anzusehen. Etwas anderes gilt, wenn der Lehrer neben der Teilzeitbeschäftigung einer Haupttätigkeit nachgeht, aus der er für sich und seine Familie eine auskömmliche und gesicherte Existenzgrundlage gewinnt (Bestätigung des Urteils vom 22.8.1990, 5 AZR 543/89 = AP Nr 8 zu § 2 BeschFG 1985).

 

Normenkette

BAT § 70; BGB §§ 134, 611; BAT § 22 Abs. 2; BGB § 612 Abs. 2; BeschFG Art. 1 § 2 Abs. 1; BeschFG 1985 Art. 1 § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 24.10.1990; Aktenzeichen 3 Sa 29/90)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 28.03.1990; Aktenzeichen 3 Ca 7116/89)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 1987 bis zum 30. Juni 1989 anteilige Vergütung nach der VergGr. V b BAT zu zahlen.

Die am 12. März 1942 geborene Klägerin, Mitglied der GEW, ist seit August 1975 als Werklehrerin mit einem 12/29 Deputat bei dem beklagten Land angestellt. Nach einem zunächst befristeten Arbeitsverhältnis wird die Klägerin seit dem 1. Juli 1989 auf unbestimmte Zeit mit anteiliger Vergütung nach der VergGr. V b BAT beschäftigt. Bis zum 30. Juni 1989 bestimmte sich die Vergütung der Klägerin nach den sogenannten Vergütungssatzrichtlinien des beklagten Landes (Jahreswochenstunden). Die Klägerin blieb damit erheblich unter der anteiligen Vergütung nach der VergGr. V b BAT. Für die ursprünglichen Rechtsbeziehungen der Parteien war die Geltung des § 70 BAT vertraglich vereinbart.

Vom 1. September 1987 bis zum 30. Juni 1989 war die Klägerin aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge, und zwar jeweils mit einer durchschnittlichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 20 Stunden, ebenfalls bei dem beklagten Land angestellt und beim Statistischen Landesamt mit Aufgaben bei der Volkszählung (1987), sodann bei der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (1988) beschäftigt. Hierfür bezog sie anteilige Vergütung nach der VergGr. VIII BAT.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die ihre Tätigkeit als Lehrkraft betreffende Vergütungsabrede sei wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 nichtig. Daher stehe ihr ein Anspruch auf die übliche Vergütung zu. Diese bemesse sich im öffentlichen Dienst nach den Regelungen des BAT. Die Klägerin hat ihre Ansprüche mit Schreiben vom 25. März 1988 und vom 31. Januar 1989 geltend gemacht.

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.987,-- DM

brutto nebst 4 % Zinsen nach näherer Staffelung

zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, rechtlich sei wegen Identität des Arbeitgebers von einem einzigen Arbeitsverhältnis der Parteien auszugehen. Infolge beiderseitiger Tarifbindung werde dieses Arbeitsverhältnis vom BAT bestimmt. Der Klägerin stehe deshalb gemäß § 22 BAT für ihre gesamte Tätigkeit ein Vergütungsanspruch nach VergGr. VIII BAT zu. Ein sich hieraus ergebender Anspruch sei jedoch verfallen.

Die Klägerin sei überdies durch ihre Beschäftigung beim Statistischen Landesamt sozial abgesichert gewesen. Dieser Umstand rechtfertige die Differenzierung zu vollzeitbeschäftigten Werklehrern im Angestelltenverhältnis.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die für die streitbefangene Zeit getroffene Vergütungsabrede der Parteien verstoße gegen das Benachteiligungsverbot für Teilzeitbeschäftigte in § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 und sei daher gemäß § 134 BGB nichtig. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung der Klägerin gegenüber im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrern bestehe nicht. Insbesondere liege ein solcher Grund nicht in der vom beklagten Land angenommenen Absicherung, welche die Klägerin durch ihre Tätigkeit beim Statistischen Landesamt erfahren habe. Weiter könnten die Arbeitsverträge der Parteien auch nicht als Einheit angesehen werden. Der Klägerin stehe daher gemäß § 612 Abs. 2 BGB anteilig die - der Höhe nach unstreitige - Vergütung zu, welche das beklagte Land den im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräften gewähre.

Das Landesarbeitsgericht hat auf dem von ihm festgestellten Sachverhalt die Erwägungen des Senats im Teilurteil vom 25. Januar 1989 (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) angewandt. In diesem Ausgangspunkt ist ihm beizupflichten. Aber auch in den übrigen tragenden Teilen seiner Begründung ist ihm zu folgen.

II.1. Der Senat hat - seit seiner eben genannten ersten einschlägigen Entscheidung vom 25. Januar 1989 - bei der Frage der Vergütung teilzeitbeschäftigter Lehrer im Angestelltenverhältnis die Vergütung nach Jahreswochenstunden wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 in Verbindung mit § 134 BGB für rechtsunwirksam angesehen und ausgeführt, an die Stelle der entfallenen Vergütungsregelung trete die nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmende übliche Vergütung. Die im öffentlichen Dienst als die übliche Vergütung im Sinne der genannten Vorschrift anzusehende Vergütung sei im Hinblick auf die im öffentlichen Dienst herrschende Übung, nach Tarif zu vergüten, die tarifliche Vergütung. Daher hätten die teilzeitbeschäftigten Lehrer anstelle der Vergütung nach Jahreswochenstunden Anspruch auf anteilige Vergütung, wie sie den jeweils vollzeitbeschäftigten angestellten Lehrern zustehe (vgl. BAGE 61, 43, 50 f. = AP, aaO, zu IV 1 der Gründe; vgl. weiter Senatsurteil vom 26. September 1990 - 5 AZR 112/90 -, zu II der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Hieran wird festgehalten.

2. Die Tatsache, daß die Klägerin neben ihrer - inzwischen unbefristeten - Tätigkeit für die Beklagte noch andere, wechselnde Tätigkeiten von geringerer Wertigkeit ebenfalls für die Beklagte wahrgenommen hat, kann an dem bisherigen Ergebnis nichts ändern. Bei den erwähnten Tätigkeiten der Klägerin handelte es sich, wie das Landesarbeitsgericht für den Senat bindend festgestellt hat (§ 561 Abs. 2 ZPO), wiederum um Teilzeitbeschäftigungen, die jeweils nur befristet ausgeübt wurden. Eine anderweitige Teilzeitbeschäftigung mit allen für den Arbeitnehmer daraus folgenden Risiken stellt aber keinen sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 dar, der wegen der sozialen Lage des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers eine niedrigere Vergütung rechtfertigen könnte.

Allerdings kann die - auf das Berufsleben bezogene - soziale Lage eines teilzeitbeschäftigten Lehrers dann als sachlicher Grund für eine Differenzierung im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 gewertet werden, wenn der Lehrer neben seiner Teilzeitbeschäftigung einer festen Haupttätigkeit nachgeht, aus der er für sich und seine Familie eine auskömmliche und gesicherte Existenzgrundlage zu gewinnen vermag (vgl. Senatsurteil vom 22. August 1990 - 5 AZR 543/89 -, zu II 2 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die verschiedenen, jeweils nur befristet eingeräumten Teilzeitbeschäftigungen der Klägerin beim Statistischen Landesamt der Beklagten bedeuten aber keine feste Haupttätigkeit, die für die Klägerin eine in zeitlicher und wirtschaftlicher Beziehung gesicherte Existenzgrundlage hätte bilden können. Im übrigen darf es der Klägerin nicht zum Nachteil ausschlagen, daß sie außer der Teilzeitbeschäftigung als Werklehrerin bei der Beklagten noch andere Teilzeittätigkeiten aufgenommen hat. Letztlich blieb ihr aus wirtschaftlichen Gründen gar nichts anderes übrig, wenn sie nicht auf Sozialhilfe zurückgreifen wollte. Daß sie dies nicht getan hat, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden.

3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht es abgelehnt, die von der Klägerin für die Beklagte ausgeübten Teilzeittätigkeiten als arbeitsrechtliche Vertragseinheit zu bewerten, bei der die zeitlich mindestens zur Hälfte anfallende Tätigkeit maßgeblich für die Einstufung ist. Die verschiedenen Tätigkeiten der Klägerin beruhten auf unterschiedlichen Vertragsabschlüssen mit unterschiedlichen Vertragsgegenständen, welche überdies untereinander keinerlei sachliche Berührungspunkte aufwiesen. Bei einer derartigen Fallgestaltung stellt sich die Frage einer einheitlichen Beurteilung der verschiedenen Verträge nach ihrer möglichen tariflichen Wertigkeit nicht.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Reinecke

Kessel Blank-Abel

 

Fundstellen

JR 1992, 440

JR 1992, 440 (S)

ZTR 1992, 73 (ST1)

EzBAT § 8 BAT, Nr 7 (ST1-3)

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