Leitsatz (amtlich)

1. Sachlich-rechtliche Ansprüche auf Erstattung von Prozeßkosten sind dem Umfang nach den Beschränkungen des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs unterworfen.

2. Hat ein Arbeitgeber als Drittschuldner die Verpflichtung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung nach § 840 Abs. 1 ZPO nicht erfüllt, so umfaßt der Anspruch, des Gläubigers auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens (§ 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO) nicht die Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten im Drittschuldnerprozeß (Bestätigung von BAG 10, 39 ff. = AP Nr. 3 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten).

 

Normenkette

ArbGG § 61 Abs. 1 S. 2; ZPO § 840 Abs. 2 S. 2, §§ 91, 104 ff.

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11. April 11967 – 7 Sa 11/67 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin ließ durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Sinsheim vom 10. August 1966 die Ansprüche des Schuldners Robert Ö… gegen die Beklagte auf Zahlung aller Bezüge an Arbeitseinkommen pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Dieser Beschluß wurde der Beklagten mit der Aufforderung nach § 840 Abs. 1 ZPO am 12. August 1966 zugestellt. Eine ordnungsgemäße Drittschuldnererklärung gab die Beklagte jedoch nicht ab. Daraufhin erhob die anwaltlich vertretene Klägerin auf Grund der Pfändung und Überweisung Klage auf Zahlung eines Betrages von 137,14 DM.

Im Laufe des Verfahrens gab die Beklagte eine vollständige Drittschuldnererklärung ab, aus der sich ergab, daß die Pfändung zur Zeit wegen anderweitiger Abtretungen bzw. Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner nicht zum Zuge kam. Daraufhin erklärte die Klägerin die Hauptsache für erledigt.

Die Klägerin macht nunmehr unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes in demselben Verfahren den Anspruch auf Zahlung der ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten im Betrage von 67,12 DM geltend.

Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg, da das Landesarbeitsgericht zu Unrecht den Schadenersatzanspruch der Klägerin für begründet angesehen hat.

1. Anlaß zu einer Prüfung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen besteht in der Revisionsinstanz nicht, da der Beklagte ausweislich des Tatbestandes des Urteils des Arbeitsgerichts die Rüge der fehlenden Zuständigkeit für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht im ersten Rechtszug erhoben hat; eine Prüfung von Amts wegen findet daher insoweit in höherer Instanz nicht mehr statt (§ 528 Satz 2 ZPO in Verb. mit § 64 Abs. 2 Satz 1 ArbGG; BAG 11, 236 ff. = AP Nr. 19 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, ferner AP Nr. 1 zu § 314 ZPO).

2. Materiell-rechtlich hält das Landesarbeitsgericht es nicht für gerechtfertigt, den Schadenersatzanspruch der Klägerin aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO um die nach § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht erstattungsfähigen Kosten wegen Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten zu beschneiden. Seiner Auffassung nach läßt sich dies aus den sozialen Gesichtspunkten, die der Regelung des § 61 ArbGG zugrunde liegen, nicht motivieren; denn der Schadensersatzanspruch stehe nicht einem Arbeitnehmer, sondern einer Person zu, die im Gläubiger-Drittschuldnerverhältnis dem Arbeitgeber gegenübertrete. Auch eine Umgehung oder Aufweichung des Prinzips des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG wird vom Landesarbeitsgericht verneint, weil der Schadenersatzanspruch nach § 840 ZPO nicht mit dem – durch § 61 ArbGG eingeschränkten – Kostenerstattungsanspruch nach § 91 ZPO identisch sei; es werde hier nicht etwa auf materiell-rechtlichem Weg geltend gemacht, was durch § 61 ArbGG versagt werde, sondern es gehe um einen Schadenersatzanspruch, der immer nur materiell-rechtlich, nicht also im Wege der Kostenerstattung durchgesetzt werden könne.

Mit dem dargelegten Standpunkt hat sich das Landesarbeitsgericht bewußt in Gegensatz zur Rechtsprechung des Senats gestellt (BAG 10, 39 ff. = AP Nr. 3 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten). In der angeführten Entscheidung hat der Senat für einen gleichgelagerten Sachverhalt den Schadenersatzanspruch des Gläubigers aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf Ersatz der ihm im Drittschuldnerprozeß entstandenen Prozeßkosten zwar grundsätzlich bejaht, hiervon aber die nach § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht erstattungsfähigen Kosten ausgenommen. Dies hat im Schrifttum erhebliche Kritik hervorgerufen (Bötticher in der Anmerkung zu der angeführten Entscheidung; Meyer, BB 1964, S. 557; Stehl, NJW 1966, S. 1349; Oehmann, AR-Blattei Lohnpfändung, Entscheidung 4; Güntner, AR-Blattei D XIII C Erstattung außergerichtlicher Kosten B II 3; für den Standpunkt des Senats hingegen: Wenzel in MDR 1966, 971 ff. [974]) und hat auch in der späteren Rechtsprechung Widerspruch gefunden (LAG Frankfurt am Main, Urteil vom 19. Oktober 1067 – 6 Sa 255/67; LAG Stuttgart, AR-Blattei Lohnpfändung, Entscheidung 7; LG Hamburg MDR 1965, 587; Arbeitsgericht Siegburg, BB 1964, 1172; für den Standpunkt des Senats: LAG Köln, MDR 1965, 238).

3. Der Senat hält nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage an seiner bisherigen Auffassung fest. Für sie sprechen folgende Gründe:

Sofern der Schadenersatzanspruch aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf Ersatz der im Drittschuldnerprozeß entstandenen Kosten gerichtet ist – dies ist der Hauptanwendungsfall der Vorschrift –, handelt es sich, was das Landesarbeitsgericht in seinen Konsequenzen nicht genügend beachtet hat, um einen der Fälle des sachlich-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs, der praktische Bedeutung nur erlangen kann, wenn es aus irgendwelchen Gründen an einem vollstreckbaren Titel und damit an einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch fehlt (vgl. RGZ 130, 2217 ff.). Dieser Anspruch ist zwar in die Form eines materiellrechtlichen Schadenersatzanspruches gekleidet, dies ist jedoch bei sachlich-rechtlichen Kostenerstattungsansprüchen, die meistens auf unerlaubte Handlung oder Verzug gestützt werden, die Regel. Der Schadenersatzanspruch aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann daher, soweit er auf Ersatz von Prozeßaufwendungen gerichtet ist, rechtlich nicht anders betrachtet werden als sonstige sachlich-rechtlichen Kostenerstattungsansprüche.

Beide bezeichneten Arten von Kostenerstattungsansprüchen sind nun allerdings – als Folge der besonderen Ausgestaltung des prozessualen Erstattungsanspruchs in den §§ 91 ff. ZPO rechtssystematisch scharf voneinander zu unterscheiden. Dies gilt auch im Hinblick auf den mit Hilfe des § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO verfolgten Kostenerstattungsanspruch, wie der Senat in seiner früheren Entscheidung entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts und von Stehl (a.a.O.) und Meyer (a.a.O. unter III) keineswegs verkannt hat, und folgt nicht etwa, wie das Landesarbeitsgericht meint, daraus, daß im Falle des § 840 Abs. 2 ZPO der Erstattungsanspruch stets nur auf materiell-rechtlichem Wege geltend gemacht werden könne. Das letztere trifft im Gegenteil für alle sonstigen Fälle sachlich-rechtlicher Kostenerstattungsansprüche zu, die typischerweise immer dann in Betracht kommen, wenn es nicht zu einer prozessualen Kostenentscheidung kommt.

Die rechtssystematische Verschiedenheit hindert jedoch nicht, beiden Ansprüchen denselben sachlichen Inhalt zu geben, und zwar dahin, daß auch der sachlich-rechtliche Erstattungsanspruch auf den Inhalt beschränkt bleibt, den der ihm entsprechende verfahrensrechtliche Anspruch jeweils hat. Die Notwendigkeit einer solchen inhaltlichen Angleichung ergibt sich aus der besonderen Rechtsnatur der prozessualen Kostenerstattung. Diese ist nämlich so gestaltet, daß sie die Pflicht zum Ersatz der Prozeßkosten abschließend regelt. Über das Maß der nach den prozessualen Vorschriften erstattungsfähigen Kosten hinaus kann somit Erstattung aus sachlich-rechtlichen Gründen nicht verlangt werden (RGZ 130, 217).

Liegt also ein Kostentitel vor, so, kann die obsiegende Partei z.B. Ersatz von Reisekosten nur nach Maßgabe des § 91 ZPO, also nicht über das Maß des Notwendigen hinaus, verlangen, und zwar in dem prozessualen Kostenerstattungsverfahren. Es ist ihr verwehrt, darüber hinausgehende Prozeßkosten, etwa aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung als materiell-rechtlichen Schadenersatzanspruch in einem weiteren Verfahren geltend zu machen.

Nichts anderes kann dann gelten, wenn es aus irgendwelchen Gründen an einem Vollstreckungstitel und beschwerte Partei gezwungen ist, auf sachlich-rechtlichem Wege Ersatz für die ihr entstandenen Prozeßkosten zu suchen.

Auch in diesen Fällen, in denen sozusagen ersatzweise die materiell-rechtliche Regelung der Kostenpflicht an die Stelle der normalerweise prozessualen Regelung tritt, kann der anspruchsberechtigten Partei nur der Umfang an Prozeßkosten als Schadensersatz zugesprochen werden, den sie im Falle des Ergehens einer Kostenentscheidung haben würde. Dies wird durch den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung erfordert, der höhere Beachtung verdient als die rechtlich-systematischen Unterschiede innerhalb der Rechtsordnung. Der Senat stimmt hier insbesondere den Ausführungen von Pohle in der Anmerkung zu AP Nr. 15 zu § 61 ArbGG zu, wonach auch für den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch die prozessualen Beschränkungen gelten müssen, wenn sich „die Rechtsordnung nicht dem Vorwurf sachlich nicht gerechtfertigter, widerspruchsvoller Beurteilung aussetzen” wolle (im Ergebnis ebenso Stein-Jonas, ZPO, 18. Aufl., Vorbemerkung III 2 zu § 91; Dietz-Nikisch, ArbGG, § 61 Anm. 9; ebenso auch RAG 6, 97 ff.).

Der entgegengesetzten ausführlich begründeten Ansicht des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main (NJW 1956, 1334 ff.), die auch von Bötticher geteilt wird (a.a.O. unter I letzter Absatz), vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Damit ergibt sich auch für den gemäß § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO hier geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch die Notwendigkeit, seinen Umfang an die im arbeitsgerichtlichen Prozeß bestehende Kostenerstattungspflicht anzugleichen. Da § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG hier in Abweichung von § 91 ZPO die prozessuale Erstattung von Anwaltskosten ausschließt – Vorliegen eines Kostentitels damit also auch aus allen sachlich-rechtlichen Gründen –, muß dasselbe auch gelten, wenn bei Fehlen eines Kostentitels Kostenerstattung auf dem dann noch allein in Betracht kommenden materiell-rechtlichen Wege, hier mit Hilfe des § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO, begehrt wird. Da dies eine Auswirkung des höherrangigen Grundsatzes der Inhaltsgleichheit von sachlich-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsansprüchen ist, liegen alle sonstigen Erörterungen des Landesarbeitsgerichts neben der Sache. Das gilt insbesondere für die Erwägung, es Iasse sich mit den für § 6 Abs. 1 Satz 2 ArbGG maßgeblichen sozialen Gesichtspunkten nicht vereinbaren, mit Hilfe dieser Vorschrift den Schadenersatzanspruch nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu beschneiden. Entscheidend ist vielmehr allein der Umstand, daß auch für den eigentlichen Drittschuldnerprozeß die Vorschrift des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gilt, obwohl er nicht zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses selbst, abgewickelt wird. Dies mag zwar in Fällen der vorliegenden Art für den Pfändungsgläubiger zunächst unbillig erscheinen, vor allem, wenn man die Auswirkungen auf den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch bedenkt. Es ist aber, worauf Wenzel (MDR 1966, 971 ff. [974]) zu Recht hinweist, andererseits nicht zu übersehen, daß die Teilnahme des Drittschuldnerprozesses an den Verfahrensvorschriften der Arbeitsgerichtsbarkeit dem Pfändungsgläubige manche Vorteile gewährt; er zahlt insbesondere keinen Prozeßkostenvorschuß, ist im Falle des Unterliegens selbst von der Vorschrift des § 61 Abs. Satz 2 ArbGG begünstigt und erlangt grundsätzlich ein Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil (§ 62 ArbGG). Es erscheint daher auch zumutbar, ihn im Falle des § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO die in § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG zeichneten Kosten selbst tragen zu lassen.

Gegenüber dem oben dargelegten Standpunkt greift auch die Kritik von Bötticher (a.a.O.) an dem früheren Urteil des Senats nicht durch. Der Senat kann nicht die Ansicht von Bötticher teilen, sein Standpunkt verfälsche den Grundgedanken des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, aus einer Entlastung im „Kampf um Recht” würde eine Prämie für Nachlässigkeit u. Rücksichtslosigkeit gegenüber Dritten. Der richtig verstandene Grundgedanke dieser Vorschrift ist, das erstinstanzliche arbeitsgerichtliche Verfahren ohne Rücksicht auf die Stellung der Beteiligten und ihr Verhalten zu verbilligen. Dies kann in Ausnahmefällen auch über den Bereich des Drittschuldnerprozesses und eines Schadenersatzprozesses nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO hinaus dazu führen, daß eine nachlässig oder gar rücksichtslos handelnde Partei die Vorteile des § 61 Abs. 1 Satz 2 ArbGG zu ihren Gunsten ausnutzt. Die Erwägungen von Bötticher rechtfertigen es daher nicht, den Grundsatz der inhaltlichen Übereinstimmung von prozessualer und materieller Kostentragungspflicht gerade im Falle des § 840 Abs. 2. Satz 2 ZPO außer acht zu lassen.

4. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO).

Eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits in der Revisionsinstanz war nicht möglich, da nach dem vorgetragenen Sachverhalt als wahrscheinlich anzunehmen ist, daß der Klägerin für die Wahrnehmung der Termine vor den Arbeitsgericht Heidelberg (Gerichtstag Sinsheim) nicht unerhebliche Reisekosten entstanden wären, wenn sie nicht einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt hätte. Diese Kosten sind durch § 61 Abs. 1 ArbGG nicht von der Kostentragung ausgeschlossen und können daher auch als Gegenstand eines Schadenersatzanspruchs nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO berücksichtigt werden (vgl. Dietz-Nikisch ArbGG, § 61 Anm. 11). Da vor allem die Höhe der Reisekosten der tatsächlichen Erörterung bedarf, war der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI602569

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