Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenerstattung im Konkurs

 

Leitsatz (redaktionell)

Die vollständige und abschließende Aufzählung der Rangfolge zur Befriedigung von Massekosten und Masseschulden umfaßt auch die Prozeßkosten für ein vom Konkursverwalter eingelegtes und wieder zurückgenommenes Rechtsmittel.

 

Normenkette

KO §§ 59-60, 82, 146; ZPO §§ 767, 794-795

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 18.11.1986; Aktenzeichen 8 Sa 1478/86)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.09.1986; Aktenzeichen 3 Ca 2901/86)

 

Tatbestand

Der Beklagte war als Gießereiarbeiter bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 15. März 1985 der Konkurs eröffnet. Der Kläger wurde zum Konkursverwalter bestellt. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten mit Schreiben vom 28. März 1985 zum nächst zulässigen Termin. Hiergegen erhob der Beklagte Kündigungsschutzklage, der das Arbeitsgericht durch Urteil vom 19. Juli 1985 stattgab. Hiergegen legte der Kläger mit einem am 13. September 1985 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung ein. Die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten zeigten mit einem am 23. September 1985 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz an, daß sie den Beklagten auch im Berufungsverfahren vertreten. Der Kläger nahm mit einem am 15. Oktober 1985 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz die Berufung zurück.

Auf Antrag des Beklagten wurde der Kläger durch Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Oktober 1985 verpflichtet, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Durch Beschluß vom 6. Dezember 1985 setzte das Arbeitsgericht die vom Kläger an den Beklagten zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens auf DM 863,66 fest.

Der Kläger hat vorgetragen, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß sei unzulässig. Bei dem festgesetzten Betrag handele es sich um eine Masseschuld. Die Konkursmasse reiche aber zur Deckung der Masseschulden nicht aus.

Der Kläger hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung des Beklagten aus

dem Beschluß des Arbeitsgerichts Düssel-

dorf vom 6. Dezember 1985 - Aktenzeichen:

3 Ca 2168/85 - für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, der Einwand der Masseunzulänglichkeit sei unzulässig, da diese bereits zum Zeitpunkt des Kündigungsschutzverfahrens vorgelegen habe. Bei der Verwertung des Betriebsgrundstücks der Gemeinschuldnerin seien Einnahmen von 2,2 Millionen DM zu erwarten. Damit könnten die Masseschulden abgedeckt werden. Der Kläger habe im übrigen einen Kredit aufnehmen können. Der Grundsatz der Kostenentscheidung nach §§ 91, 97 ZPO habe Vorrang vor der Rangordnung des § 60 KO. Sofern die Konkursmasse zur Deckung der Prozeßkosten nicht ausreiche, müßten die wirtschaftlich Beteiligten, d. h. diejenigen, die bei einem Obsiegen des Klägers eine Befriedigung aus der Konkursmasse zu erwarten hätten, für die Prozeßkosten aufkommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger hilfsweise beantragt festzustellen, daß eine Vollstreckung aus dem Beschluß des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 1985 - 3 Ca 2168/85 - nur nach Maßgabe des § 60 KO zulässig ist. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem Hilfsantrag des Klägers erkannt.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 1985 - 3 Ca 2168/85 - nur nach Maßgabe des § 60 KO zulässig ist. Eine darüber hinausgehende Zwangsvollstreckung ist unzulässig. Denn bei der Forderung des Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß handelt es sich um eine Masseschuld im Sinne von § 59 KO.

Der in der Revisionsinstanz noch anhängige Hilfsantrag des Klägers, dem das Landesarbeitsgericht stattgegeben hat, ist zulässig. Mit der vom Kläger insoweit erstrebten Feststellung, daß eine Vollstreckung aus dem Beschluß des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 1985 nur nach Maßgabe des § 60 KO zulässig ist, will er ersichtlich eine Entscheidung darüber erreichen, nach welcher Rangklasse die titulierte Forderung des Beklagten zu befriedigen ist. Feststellungsklagen, mit denen Arbeitnehmer die Feststellung des Vorrechts einer Konkursforderung erstreben, werden durch § 146 KO zugelassen, wobei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für entsprechende Rechtsstreitigkeiten gemäß § 146 Abs. 5 KO die Gerichte für Arbeitssachen zuständig sind (BAGE 10, 310, 313 = AP Nr. 2 zu § 61 KO). § 146 KO bezieht sich zwar nur auf Konkursforderungen. Aber auch für die Feststellung der Rangklasse einer Masseforderung ist ein Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen. Sowohl der Gläubiger als auch der Konkursverwalter haben ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob und in welchem Umfang eine Forderung aus der Masse zu befriedigen ist.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß die Zwangsvollstreckung "nur nach Maßgabe des § 60 KO" zulässig ist, ohne den Rang nach § 60 KO zu bezeichnen. Dies ist aber aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles ausreichend. Die Parteien streiten nämlich nicht um den Rang innerhalb von § 60 KO, sondern darum, ob die titulierte Forderung des Beklagten vor der Befriedigung der Masseschulden nach § 60 KO vorab zu befriedigen ist. Für den Fall, daß diese Frage zu verneinen ist, kommt nur eine Befriedigung der Forderung des Beklagten nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 KO in Betracht, da die Forderung auf Handlungen des beklagten Konkursverwalters beruht (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 KO).

Bei der Klage handelt es sich um eine Zwangsvollstreckungsgegenklage im Sinne von § 767 ZPO, da mit ihr geltend gemacht wird, daß eine über § 60 KO hinausgehende Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß unzulässig ist. Die Vollstreckungsgegenklage kann auch gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse erhoben werden (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 in Verb. mit § 795 ZPO).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage sind erfüllt. Die von dem Kläger erhobene Einwendung betrifft den durch den Kostenfestsetzungsbeschluß festgestellten Anspruch selbst im Sinne von § 767 Abs. 1 ZPO. Bei Unzulänglichkeit der Masse bleibt zwar die Forderung an sich unberührt, es wird jedoch die Leistungspflicht des Konkursverwalters und damit zugleich das Forderungsrecht des Gläubigers eingeschränkt. Die Forderung ist nicht in vollem Umfang realisierbar. Wenn der Konkursverwalter die Einwendung der Unrealisierbarkeit der Forderung (Masseunzulänglichkeit) erhebt, ist damit der Anspruch selbst betroffen. Dies rechtfertigt es, dem Konkursverwalter das Recht einzuräumen, die Unzulänglichkeit der Masse durch Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen (BAGE 31, 288, 296 = AP Nr. 1 zu § 60 KO mit weiteren Nachweisen).

§ 767 Abs. 2 ZPO, nach dem Einwendungen gegen den titulierten Anspruch nur insoweit zulässig sind, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können, ist auf Kostenfestsetzungsbeschlüsse nicht anwendbar. § 795 ZPO schreibt zwar vor, daß auf die Zwangsvollstreckung aus den in § 794 ZPO erwähnten Schuldtiteln, zu denen Kostenfestsetzungsbeschlüsse gehören, die Vorschriften der §§ 724 bis 793 ZPO entsprechend anzuwenden sind. Entsprechende Anwendung bedeutet aber, daß Sinn und Zweck der Vorschriften auf den entsprechenden Schuldtitel auch zutreffen müssen. Dies führt zur Unanwendbarkeit des § 767 Abs. 2 ZPO auf Kostenfestsetzungsbeschlüsse. § 767 Abs. 2 ZPO setzt voraus, daß die Einwendungen gegen den titulierten Anspruch bereits vor Erlaß oder Zustandekommen des Titels hätten geltend gemacht werden können. Im Kostenfestsetzungsverfahren sind jedoch Einwendungen aus materiell-rechtlichen Gründen außerhalb des Kostenrechts unzulässig. Andernfalls müßte der Rechtspfleger materiell-rechtliche Fragen, für die er sonst nicht zuständig ist, entscheiden (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl. 1977, § 104 Rz 13 mit weiteren Nachweisen). Deshalb kommt es vorliegend nicht darauf an, wann die von dem Kläger geltend gemachte Masseunzulänglichkeit eingetreten ist.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß in voller Höhe ist unzulässig, vielmehr nur nach Maßgabe des § 60 KO zulässig. Denn der Anspruch des Beklagten gegen den Kläger aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß gehört zu den Masseschulden, die Konkursmasse reicht aber zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger nicht aus. Die gegen den Kläger in dem Beschluß des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 1985 - 3 Ca 2168/85 - festgesetzten Kosten betreffen die Kosten eines Berufungsverfahrens, das von dem Kläger durch Einlegung der Berufung eingeleitet und durch Rücknahme der Berufung beendet wurde. Damit ist der Prozeßkostenerstattungsanspruch aus Handlungen des Klägers im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO entstanden und stellt deshalb eine Masseschuld dar (Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl. 1986, § 59 Rz 5 a; Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl. 1983, § 59 Anm. 1 b; Hess/Kropshofer, KO, 2. Aufl. 1985, § 59 Rz 8).

Der Prozeßkostenerstattungsanspruch des Beklagten ist nur nach Maßgabe des § 60 KO gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 KO zu befriedigen, da die Konkursmasse zur vollständigen Befriedigung aller Massegläubiger nicht ausreicht (§ 60 Abs. 1 KO). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts besteht Masseunzulänglichkeit. Der Kläger hat die Massekosten und Masseschulden nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 KO mit insgesamt rd. DM 1.825.000,-- beziffert. Demgegenüber stehen der Masse nach der Aufstellung des Klägers an das Amtsgericht Düsseldorf vom 13. Mai 1986 nur DM 790.000,-- zur Verfügung. Aus diesem Bericht an das Amtsgericht Düsseldorf folgert das Landesarbeitsgericht, daß zur Zeit eine Masseüberschuldung besteht. Die hiergegen erhobenen Einwände des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Aus Grundstückskaufverträgen verbleibe wahrscheinlich nur ein freier Erlös von DM 300.000,--. Dies beseitige nicht die Masseüberschuldung. Auch wenn der Kläger einen Kredit aufnehme, ändere sich daran nichts. Soweit der Kläger Massegläubiger vorweg befriedigt habe, ist dies nach dem Vortrag des Klägers, dem das Landesarbeitsgericht gefolgt ist, aus Kreditmitteln erfolgt, die dem Kläger nur zu diesem Zweck ausbezahlt worden seien und über die er nur mit Genehmigung des Kreditgebers und des Gläubigerausschusses verfügen konnte. Aufgrund dieser tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegt eine Masseüberschuldung vor. Hiergegen wendet sich die Revision nicht mehr. Daher hat auch der Senat von einer zur Zeit bestehenden Masseüberschuldung auszugehen. Wegen dieser Masseunzulänglichkeit ist die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß zur Zeit unzulässig und nur nach Maßgabe des § 60 KO gemäß dem Vorrang nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 KO zulässig.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts folgt aus den Kostenvorschriften der Zivilprozeßordnung, nach denen die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, nicht, daß der Konkursverwalter entsprechende Kostenerstattungsansprüche vor den Masseschulden befriedigen müßte. Die Kostenvorschriften der Zivilprozeßordnung befassen sich überhaupt nicht mit dem Konkurs einer Partei. Daher kann aus ihnen auch nicht der Grundsatz abgeleitet werden, daß die Kostentragungslast aus einem Kostenerstattungsanspruch gegen den Konkursverwalter bei der Konkursmasse verbleiben müsse.

Daran ändert nichts, wenn dies bei Masseunzulänglichkeit praktisch zu einer Verschiebung des Prozeßkostenrisikos zu Lasten des Prozeßgegners des Konkursverwalters führt. In welcher Rangfolge Massekosten und Masseschulden zu befriedigen sind, ist in § 60 KO geregelt. Entsprechend der vom Gesetz aufgestellten Rangfolge hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, daß bei Masseunzulänglichkeit Massekosten und Masseschulden in bestimmtem Umfang nicht befriedigt werden, so daß die Gläubiger insoweit leer ausgehen. Für Prozeßkostenansprüche kann nichts anderes gelten als etwa für Kaufverträge, die der Konkursverwalter abschließt und für die er den Kaufpreis nicht bezahlen kann, so daß der Verkäufer auf die Erfüllung seiner Kaufpreisforderung nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 KO verwiesen ist. Ebenso wie die Regelung der Rangfolge der Konkursforderungen nach Wortlaut, Systematik und Sinn abschließend und zwingend ist und den unterschiedlichen besonderen Gläubigerinteressen Rechnung tragen will, so daß es dem Richter nicht erlaubt ist, für bestimmte Forderungen eine Privilegierung außerhalb dieses geschlossenen Systems zu begründen (BVerfG Beschluß vom 19. Oktober 1983 - 2 BvR 485/80 und 2 BvR 486/80 -, BVerfGE 65, 182, 191 = AP Nr. 22 zu § 112 BetrVG 1972), gilt dies auch entsprechend für Massekosten und Masseschulden. § 60 KO enthält eine vollständige und abschließende Aufzählung der Rangfolge zur Befriedigung der Massekosten und Masseschulden. Hierunter fallen insbesondere auch Ansprüche, die aus Handlungen des Konkursverwalters entstehen (§ 59 Abs. 1 Nr. 1, § 60 Abs. 1 Nr. 1 KO).

Die Einlegung und Rücknahme von Rechtsmitteln durch den Konkursverwalter stellt eine solche Handlung des Konkursverwalters dar, die von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO erfaßt wird. Eine Gesetzeslücke, die das Gericht ausfüllen könnte, besteht insoweit nicht. Der Gesetzgeber hat es in Kauf genommen, daß im Rahmen der Rangfolge des § 60 KO Masseschulden bei Masseunzulänglichkeit nicht in vollem Umfang erfüllt werden. Die Gerichte müssen diese Wertentscheidung des Gesetzgebers hinnehmen. Wollten sie gleichwohl Kostenerstattungsansprüchen gegen den Konkursverwalter gegenüber sonstigen Masseschulden nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 KO eine vorrangige Befriedigung zubilligen, wäre dies eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung, weil der Verfassungsgrundsatz der Rechts- und Gesetzesbindung verletzt würde (vgl. BVerfG, aaO).

Demgegenüber kann entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht angeführt werden, wenn die Konkursmasse nicht ausreiche, Prozeßkostenansprüche, die auf Rechtshandlungen des Konkursverwalters zurückzuführen sind, zu erfüllen, müßten die wirtschaftlich Beteiligten, nämlich diejenigen, die eine Befriedigung ihrer Forderung aus der Konkursmasse zu erwarten hätten, also die übrigen Massegläubiger, für die Prozeßkosten aufkommen. Auch dies wäre eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung. Bei einem Antrag des Konkursverwalters auf Prozeßkostenhilfe wird diese zwar nur gewährt, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Insoweit haben hier Konkurs- und Massegläubiger Prozeßkosten aufzubringen. Eine entsprechende Vorschrift für den Fall der Geltendmachung von Prozeßkostenerstattungsansprüchen gegen den Konkursverwalter gibt es jedoch weder in der Zivilprozeßordnung noch in der Konkursordnung oder einem anderen Gesetz. Eine entsprechende Anwendung des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf Prozeßkostenerstattungsansprüche, die gegen den Konkursverwalter gerichtet sind, ist nicht möglich. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO regelt einen Anspruch einer Partei kraft Amtes - dazu zählt auch der Konkursverwalter - gegen den Staat (§ 122 ZPO). Vorliegend geht es aber um Prozeßkostenerstattungsansprüche gegen den Konkursverwalter. Ein Prozeßkostenhilfeanspruch gegen den Staat und ein Prozeßkostenerstattungsanspruch gegen den Konkursverwalter verfolgen verschiedene Zwecke und haben nichts miteinander zu tun. Vorschriften des einen Rechtsinstituts können daher ohne konkreten Anhaltspunkt im Gesetz nicht auf das andere Rechtsinstitut entsprechend angewandt werden.

Grundsätze der Billigkeit und von Treu und Glauben können es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht rechtfertigen, sich über eindeutige gesetzliche Regelungen und Wertungen hinwegzusetzen. Wenn der Beklagte meint, der Konkursverwalter könne sich zumindest dann nicht auf Masseunzulänglichkeit berufen, wenn er Prozeßhandlungen in Kenntnis der Masseunzulänglichkeit ausführe, jedenfalls habe er bei der Einlegung von Rechtsmitteln die Erfolgsaussichten zu prüfen, was der Kläger offensichtlich nicht getan habe, als Konkursverwalter habe er vor Einlegung der Berufung mit den Massegläubigern Rücksprache halten und mit ihnen das Prozeßrisiko besprechen müssen, will er ersichtlich geltend machen, daß der Kläger als Konkursverwalter ihm obliegende Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt hat. Für diesen Fall ist der Beklagte aber auf § 82 KO zu verweisen. Nach dieser Vorschrift ist der Konkursverwalter für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten allen Beteiligten verantwortlich, so daß eine schuldhafte Verletzung der dem Konkursverwalter obliegenden Pflichten zu Schadenersatzansprüchen gegen den Konkursverwalter führt (vgl. Böhle-Stamschräder/Kilger, aaO, § 82 Anm. 2 und 3). Es ist gerade Sinn des § 82 KO, einerseits die dem Konkursverwalter obliegende Verantwortung klarzustellen und andererseits allen Beteiligten nach allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts Schadenersatzansprüche bei schuldhaften Pflichtverletzungen des Konkursverwalters zuzubilligen. Dies gilt insbesondere auch für die Fälle, in denen der Konkursverwalter eine andere Partei in einen aussichtslosen Prozeß zwingt oder ein aussichtsloses Rechtsmittel einlegt. Eine weitergehende Haftung des Konkursverwalters würde dem § 82 KO widersprechen.

Im übrigen wäre ein treuwidriges Verhalten des Klägers zu verneinen, wenn er dem Beklagten gleichzeitig mit der Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts am 12. September 1985 mitteilte, es sei noch nicht entschieden, ob das Berufungsverfahren durchgeführt werden solle. Die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten würden daher kollegial gebeten, zunächst von einer Bestellung beim Landesarbeitsgericht abzusehen. Sie würden rechtzeitig darüber unterrichtet, ob das Berufungsverfahren durchgeführt werde. Damit bestand für den Beklagten keine Veranlassung, vor Zustellung der Berufungsbegründung in das Berufungsverfahren einzutreten. Der Beklagte hatte zwar das Recht hierzu und kann deshalb auch von dem Kläger nach Rücknahme der Berufung Kostenerstattung für die Inanspruchnahme seiner Prozeßbevollmächtigten für die zweite Instanz verlangen (OLG Frankfurt/Main, Beschluß vom 22. Mai 1986 - 6 W 97/86 - AnwBl. 1986, 538). Das Risiko, wie andere Massegläubiger nicht volle Befriedigung zu erlangen, muß der Beklagte aber tragen, da er aufgrund des Schreibens des Klägers nicht zur notwendigen Wahrung seiner Rechte bereits im September 1985 in das Berufungsverfahren eintreten mußte. Darauf kommt es aber letztlich nicht an, so daß offenbleiben kann, ob der Senat das Schreiben des Klägers an die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten vom 12. September 1985, auf das sich der Kläger erstmals in der Revisionsinstanz berufen hat, als neues Parteivorbringen zurückweisen müßte (vgl. § 561 Abs. 1 ZPO).

Auch wenn die von dem Beklagten mit dem Kostenfestsetzungsbeschluß geltend gemachten Prozeßkosten von dem Kläger erst nach Feststellung der Masseunzulänglichkeit durch Einlegung und Rücknahme der Berufung gegen ein gegen ihn ergangenes Urteil verursacht worden sind, ist diese Masseschuld im Rahmen des § 60 KO und nicht vorweg zu befriedigen (BGHZ 90, 145). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der die sogenannten Neumasseschulden im Rahmen des § 60 KO und nicht vorweg zu befriedigen sind, ist zwar im Schrifttum umstritten (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 60 Rz 2 b ff. mit weiteren Nachweisen). Mit Recht weist aber das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß die Gründe, die gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeführt werden, vorliegend nicht zutreffen. Gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird angeführt, ohne die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten sei eine wirtschaftlich vernünftige Abwicklung in der Regel nicht zu erreichen. Niemand werde sich bereit erklären, ohne Barzahlung mit dem Konkursverwalter Geschäfte zu tätigen. Deshalb seien Neumasseschulden als Masseschulden besonderer Art in voller Höhe zu bedienen (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 60 Rz 2 b, 2 c, 2 d, 2 e). Grundgedanke dieser Meinung ist, daß als Ausgleich für die neue Masseschuld eine Gegenleistung in die Masse fließt, diese also nicht verkürzt wird, so daß die neuen Masseverbindlichkeiten vorrangig befriedigt werden könnten. Diese Erwägungen treffen jedoch nicht zu, wenn gegen den Konkursverwalter ein Prozeßkostenerstattungsanspruch geltend gemacht wird. Die Vorwegbefriedigung von Prozeßkostenerstattungsansprüchen ist ohne Einfluß auf eine wirtschaftlich vernünftige Abwicklung des Konkurses. Bei einer Vorwegbefriedigung von Prozeßkostenerstattungsansprüchen fließt auch keine Gegenleistung in die Masse, so daß die Vorwegbefriedigung zu einer tatsächlichen Verkürzung der Konkursmasse führt. Deshalb kann vorliegend offenbleiben, ob die Kritik an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berechtigt ist. Auch die Revision räumt ein, daß der Meinungsstreit über die Vorwegbefriedigung von Neumasseschulden für den vorliegenden Fall nicht einschlägig ist.

Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

Dr. Neumann Dr. Freitag Dr. Etzel

Schaible Pahle

 

Fundstellen

NJW 1987, 3031

KTS 1987, 722-726 (LT1)

NZA 1987, 634-635 (LT1)

RdA 1987, 318

ZIP 1987, 997

AP § 60 KO (LT1), Nr 4

AR-Blattei, ES 970 Nr 72 (LT1)

AR-Blattei, Konkurs Entsch 72 (LT1)

EzA § 60 KO, Nr 4 (LT1)

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