Entscheidungsstichwort (Thema)

Endgehaltsabhängige Betriebsrente bei gerichtlichem Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

  • Wird in einem gerichtlich bestätigten Vergleich über das Vermögen des Arbeitgebers ein Teil des Anspruches auf eine endgehaltsabhängige Betriebsrente erlassen, so wirkt der Erlaß über das Vergleichsverfahren hinaus. Der Arbeitgeber bleibt von der Pflicht zur Zahlung des erlassenen Teils befreit.
  • Wird der erlassene Teil des Anspruchs vom Träger der Insolvenzsicherung nicht vollständig gesichert, weil die zu sichernde Anwartschaft auf den Insolvenzstichtag festgeschrieben wird und spätere Gehaltssteigerungen keine Berücksichtigung finden, so trifft den Arbeitgeber hinsichtlich des Ausfalles bei der Rentensteigerung, die auf den erlassenen Teil entfällt, keine Ausfallhaftung.
 

Normenkette

BetrAVG § 7 Abs. 2, § 2 Abs. 5; VglO §§ 25, 30, 34-35, 82

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 01.08.1989; Aktenzeichen 8 Sa 30/89)

ArbG Berlin (Urteil vom 22.02.1989; Aktenzeichen 8 Ca 406/88)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 1. August 1989 – 8 Sa 30/89 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten, seiner früheren Arbeitgeberin, eine höhere Betriebsrente. Die Beklagte soll dafür eintreten, daß der Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung seinen Rentenanteil nur aus dem am Insolvenzstichtag (1982) bezogenen Gehalt berechnet und nicht das höhere letzte Gehalt (1985) zugrundelegt.

Der Kläger, geboren am 17. Dezember 1920, war seit dem 1. Juli 1957 bei der Beklagten beschäftigt. Er trat am 31. Dezember 1985 nach Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand.

Die Beklagte gewährt ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Die für den Kläger maßgeblichen Ruhegeldrichtlinien sehen eine dienstzeit- und endgehaltsabhängige Altersrente vor:

Am 31. Oktober 1982 wurde über das Vermögen der Beklagten das gerichtliche Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses eröffnet. In dem gerichtlich bestätigten Vergleich vom 18. März 1983 ist u.a. folgendes bestimmt:

  • Alle … Vergleichsgläubiger erhalten zum vollständigen Ausgleich ihrer Ansprüche und unter Erlaß des Restes Befriedigung in Höhe von 40 % – vierzig vom Hundert – ihrer Vergleichsforderungen, zu zahlen am Tage des Ablaufs einer Frist von achtzehn Monaten nach Vergleichsbestätigung.
  • Abweichend von Ziffer 1 und 2 werden Ansprüche auf Betriebsrenten sowie aus (verfallbaren und unverfallbaren) Anwartschaften auf Betriebsrenten zu den nach dem Inhalt der Zusage maßgeblichen Voraussetzungen und Terminen und in Höhe von 40 % – vierzig vom Hundert – der ohne den Vergleich zu diesen Terminen geschuldeten Beträge laufend erfüllt.”

Die Beklagte berechnete die Betriebsrente des Klägers mit einem Gesamtbetrag von 2.429,40 DM monatlich, davon 1.216,60 DM zu ihren Lasten und 1.212,80 DM zu Lasten des PSV. Unstreitig hätte dem Kläger ohne die Insolvenz ein monatliches Ruhegeld von 2.611,09 DM zugestanden. Die Differenz von monatlich 181,69 DM macht der Kläger als laufende Zahlung für die Zeit ab 1. Januar 1986 geltend.

Die Differenz kommt dadurch zustande, daß der PSV und die Beklagte bei der Berechnung der von ihnen zu zahlenden Anteile unterschiedliche Bemessungsgrundlagen anwenden: Die Beklagte legt als ruhegeldfähiges Einkommen den Durchschnittsverdienst des Klägers in den letzten drei Jahren vor seinem Ausscheiden (1983 bis 1985) zugrunde, das sind unstreitig 90.601,87 DM. Aus diesem letzten Einkommen ermittelt sie den Anwartschaftswert bis zum Insolvenzstichtag am 31. Oktober 1982 mit 40 % und die anschließend (1. November 1982 bis 31. Dezember 1985) erdiente Anwartschaft mit 100 %. Demgegenüber berechnet der PSV die von ihm in Höhe von 60 % zu sichernde Anwartschaft auf der Basis des am Insolvenzstichtag erreichten Betrages. Er legt seiner Berechnung das Durchschnittseinkommen des Klägers aus den letzten drei Jahren vor der Eröffnung des Vergleichsverfahrens (Oktober 1979 bis Oktober 1982) zugrunde, das sind unstreitig 80.739,-- DM.

Der Kläger ist mit dieser Berechnung nicht einverstanden. Er hält seine frühere Arbeitgeberin für verpflichtet, auch den Ausfall zu tragen, der durch die Festschreibung der Leistungen des gesetzlichen Insolvenzschutzes auf das Datum des Sicherungsfalls entsteht. Er hat geltend gemacht, der Anspruch auf die Betriebsrente sei erst nach dem Insolvenzfall entstanden und auch die Erhöhung sei erst nachträglich eingetreten. Für nach der Vergleichseröffnung entstandene Ansprüche hafte der Vergleichsschuldner in voller Höhe, eine Ausnahme hiervon hätte in dem bestätigten Vergleich geregelt sein müssen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn über die von ihr selbst festgesetzte Summe von 1.216,60 DM brutto weitere 181,69 DM brutto monatlich seit dem 01. Januar 1986 als Betriebsrente zu zahlen, ferner jeweils 4 % Zinsen auf die jeweiligen Nettobeträge.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie treffe keine Ausfallhaftung für die Begrenzung des gesetzlichen Insolvenzschutzes. Auch aus § 7 Abs. 4 BetrAVG lasse sich nichts anderes ableiten; daß nach dieser Vorschrift der PSV nur insoweit einzustehen habe, wie nicht der Versorgungsschuldner selbst zur Zahlung verpflichtet sei, heiße nicht, daß umgekehrt der Versorgungsschuldner zu leisten habe, was nicht vom Insolvenzschutz erfaßt sei. Ihre Haftung für Ausfälle infolge der Insolvenz sei durch §§ 82, 25 VglO ausgeschlossen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Gemäß § 82 Abs. 1 VglO ist der gerichtlich bestätigte Vergleich wirksam für und gegen alle Vergleichsgläubiger, auch wenn sie an dem Verfahren nicht teilgenommen oder gegen den Vergleich gestimmt haben. Dabei folgen die Wirkungen des Vergleichs ihrem Inhalt nach den im Vergleich getroffenen Vereinbarungen (Bley/Mohrbutter, VglO, 4. Aufl., § 82 Rz 2).

Im Streitfall wurde der Insolvenzschuldnerin ein Anteil von 60 % der Forderungen der Vergleichsgläubiger erlassen. Dieser Erlaß wirkt auch im Verhältnis zum Kläger. Der Kläger hatte die Stellung eines Vergleichsgläubigers; er hatte als persönlicher Gläubiger gegen seine frühere Arbeitgeberin einen zur Zeit der Eröffnung des Vergleichsverfahrens begründeten Vermögensanspruch (§ 25 Abs. 1 VglO). Das gleiche gilt für den PSV, soweit er in die Rechte des Klägers eingetreten ist (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG).

Der Einwand des Klägers, er sei nicht Vergleichsgläubiger geworden, trifft nicht zu. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Betriebsrente war schon vor der Eröffnung des Vergleichsverfahrens im Sinne des § 25 Abs. 1 VglO begründet. Die Vorschrift gilt auch für aufschiebend bedingte Ansprüche (Bley/Mohrbutter, aaO, § 25 Rz 30 unter IV), also auch für Ruhegeldansprüche, die durch den Eintritt des Versorgungsfalles und die Erfüllung der sonstigen in der Ruhegeldzusage festgelegten Voraussetzungen bedingt sind (Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 7 Rz 54; Höfer/Abt, BetrAVG, Bd. I, 2. Aufl., § 7 Rz 6 und 7). Der Barwert der Anwartschaften ist zu schätzen (§§ 34, 35 VglO), betagte Forderungen gelten als fällig (§ 30 VglO).

2. Da die Forderung durch den gerichtlich bestätigten Vergleich zu 60 % mit Wirkung für den Kläger erlassen worden ist, kann der Kläger in Ansehung der bis zum Insolvenzstichtag erdienten Anwartschaft von der Beklagten nur 40 % des ohne die Insolvenz erdienten Anwartschaftswertes verlangen. Dieser Anspruch wird von der Beklagten erfüllt. Insoweit geht die Beklagte für die Berechnung der Anwartschaft zutreffend von dem letzten ruhegeldfähigen Einkommen des Klägers vor Eintritt in den Ruhestand aus. Der Kläger hat den Wert seiner Anwartschaft durch seine weitere, nach Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens erbrachte Betriebstreue erhöht. Die Versorgungszusage galt für den Kläger mit dem bisherigen Inhalt fort (vgl. zum Konkurs BAGE 32, 326, 336 = AP Nr. 18 zu § 613a BGB; BAGE 56, 251, 256 = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, jeweils mit weiteren Nachweisen).

3. Die Beklagte trifft nicht deshalb eine weitergehende Zahlungsverpflichtigung, weil der PSV die bis zum Insolvenzstichtag erdiente Anwartschaft nur teilweise sichert, nämlich gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 und 5 in Verb. mit § 2 Abs. 1 und 5 BetrAVG nur auf der Grundlage des nach der Versorgungszusage maßgeblichen letzten Durchschnittseinkommens zur Zeit des Sicherungsfalles. Den Arbeitgeber, der nach einem gerichtlich bestätigten Fortsetzungsvergleich mit versorgungsberechtigten Arbeitnehmern das Arbeitsverhältnis fortsetzt, trifft keine Ausfallhaftung für das Festschreiben der Leistungen des Trägers der gesetzlichen Insolvenzsicherung auf den Zeitpunkt des Sicherungsfalles.

a) Wird das Arbeitsverhältnis nach dem Vergleichsverfahren fortgeführt, so wird die Anwartschaft gemäß § 36 VglO nach Maßgabe des Inhalts der Zusage in voller Höhe weitergeführt, so daß sich das Ruhegeld nach Eintritt des Versorgungsfalles nach einem vor und nach dem Vergleichsstichtag entsprechenden unterschiedlichen Satz berechnet (Blomeyer/Otto, aaO, Vorbemerkung § 7 Rz 36; Höfer/Abt, aaO, § 7 Rz 10). Dabei sind die mit der Vergleichsbestätigung eintretenden Bestandswirkungen im Verhältnis zum Vergleichsgläubiger endgültig; sie gelten über das Vergleichsverfahren hinaus (Bley/Mohrbutter, aaO, § 82 Rz 3; Blomeyer, BB 1968, 1461). Daraus folgt: Der Kläger hätte, gäbe es nicht den gesetzlichen Insolvenzschutz, auch persönlich nur 40 % der bei Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens erdienten Anwartschaft als Vergleichsforderung geltend machen können; die restlichen 60 % wären durch die Erlaßwirkung des Vergleichs erloschen, und zwar auch hinsichtlich aller auf diesen Anteil entfallenden möglichen Steigerungen in der Zukunft.

b) Der Kläger kann eine Ausfallhaftung des Arbeitgebers für die begrenzte Einstandspflicht des PSV auch nicht auf § 7 Abs. 4 BetrAVG stützen. Nach dieser Vorschrift vermindert sich der Anspruch gegen den PSV u.a. in dem Umfang, in dem der Arbeitgeber oder ein sonstiger Träger der Versorgung auch nach Eintritt des Sicherungsfalles “Vergleich” Leistungen zu erbringen hat. Der Träger der Insolvenzsicherung haftet nur subsidiär. Die Vorschrift sieht aber nicht vor, daß eine nach den Regeln des Vergleichs- oder Konkursrechts ganz oder teilweise erloschene Forderung gegen den Insolvenzschuldner ganz oder teilweise wieder auflebt, wenn die für die Erhaltung von Betriebsrentenansprüchen eingerichtete Insolvenzsicherung keinen vollen Ausgleich vorsieht, also den Gläubiger im Versorgungsfall nicht in jeder Hinsicht so stellt, als sei der Insolvenzfall nicht eingetreten. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es für eine weitergehende Haftung des Arbeitgebers keine Anspruchsgrundlage gibt und § 7 Abs. 4 BetrAVG, wäre die Auffassung des Klägers richtig, in seiner Wirkung umgekehrt würde: Nach § 7 Abs. 4 BetrAVG soll der PSV nicht für dasjenige haften, das der Arbeitgeber schuldet; die Vorschrift sagt aber nicht, daß der Arbeitgeber dasjenige schuldet, für das der PSV nicht eintritt.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Griebeling, Dr. Wittek, Dr. Michels, Oberhofer

 

Fundstellen

BAGE, 24

BB 1991, 1343

ZIP 1991, 463

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