Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf zu Lohnzulagen

 

Orientierungssatz

Parallelsache zu BAG Urteil vom 13.5.1987 5 AZR 125/86.

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 16.12.1985; Aktenzeichen 9 Sa 85/85)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 31.07.1985; Aktenzeichen 8 Ca 158/85)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des teilweisen Widerrufs einer Lohnzulage.

Die Klägerin ist seit 30. März 1981 bei der Beklagten als Montiererin tätig. Die Beklagte stellt berührungslose Abtastgeräte her und beschäftigt etwa 100 Angestellte und 180 Arbeiter. Bei der Einstellung haben die Parteien vereinbart, daß die Klägerin in Lohngruppe II eingestuft wird und einen Stundenlohn von 8,57 DM brutto erhält (der Tarifstundenlohn hat derzeit 7,94 DM brutto betragen). Die Beklagte ist nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Berliner Metallindustrie. In einer Anlage zum Anstellungsvertrag sind alle Tarifverträge aufgezählt, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollen. Diese Aufstellung schließt mit folgendem von den Parteien unterzeichneten Text:

"Ergänzend zu dem Lohntarifvertrag gilt folgender

Hinweis als vereinbart:

Bei übertariflichen Verdienstbestandteilen handelt

es sich um freiwillige, jederzeit nach freiem

Ermessen widerrufliche Leistungen, auf die auch bei

wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch für die

Zukunft besteht. Diese Leistungen können auch jederzeit

ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen

und tarifliche Umgruppierungen angerechnet werden."

Die Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 13. Mai 1981 mitgeteilt:

"Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können,

daß wir Ihren Stundenlohn nach erfolgreich

beendeter Probezeit ab 9. Mai 1981 erhöht

haben. Gleichzeitig gruppieren wir Sie in die

Lohngruppe III um. Ihr neuer Brutto-Stundenlohn

setzt sich wie folgt zusammen:

LohnGr. III DM 8,22

außertarifl. Zulage DM -,78

neuer -------

Std.Lohn DM 9,--"

========

Die Beklagte hat der Klägerin mit Datum vom 8. Oktober 1981 geschrieben:

"Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können,

daß wir Ihren bisherigen Stundenlohn, aufgrund

Ihrer gezeigten Leistungen, ab 1. Oktober 1981

um DM -,40 erhöht haben. Ihr Brutto-Stundenlohn

setzt sich wie folgt zusammen:

LohnGr. III DM 8,62

außertarifl. Zulage DM 1,18

-------

DM 9,80"

=======

Die Klägerin hat bis einschließlich März 1985 eine Zulage von 1,18 DM brutto auf den jeweiligen Tarifstundenlohn (Zeitlohn) der Lohngruppe III erhalten.

Am 1. März 1985 hat die Beklagte mit ihrem Betriebsrat eine am selben Tage in Kraft getretene "Betriebsvereinbarung über die Vergabe von tariflichen Leistungszulagen" abgeschlossen. Grundlage hierfür war folgende nachwirkende tarifliche Lohnbestimmung (früher § 19 MTV):

"Zeitlohnarbeitern werden Leistungszulagen

gewährt, die im Durchschnitt des Betriebes

13 % der tariflichen Zeitlohnsumme betragen."

Hierzu ist unter I und X der Betriebsvereinbarung vom 1. März 1985 folgendes geregelt worden:

I. Die laut Tarifvertrag zu gewährenden Leistungszulagen

sind für alle Arbeitnehmer auf der Grundlage

der Ergebnisse einer Leistungsbeurteilung

festzusetzen. Für die Beurteilung der Leistungszulage

ist ein Beurteilungsbogen entsprechend

dem beigefügten Muster zu verwenden. Die beurteilte

Leistung wird mit Punkten von 1 - 100 belegt.

Der Wert eines Punktes beträgt bei Zeitlohnarbeitern

0,13 %, bei Angestellten 0,10 % des jeweiligen

Tariflohnes/-gehaltes.

...

X. Soweit außertarifliche (übertarifliche) Zulagen

gewährt werden, werden diese auf tarifliche Leistungszulagen

angerechnet. Die Anrechnung erfolgt

solange, bis der Betrag der außertariflichen

(übertariflichen) Zulagen erreicht ist. Bis zur

Deckungsgleichheit beider Summen werden die sich

ergebenden Differenzbeträge als außertarifliche

(übertarifliche) Leistungszulagen gezahlt unter

der Voraussetzung, daß der Arbeitgeber nicht von

seinem vorbehaltenen Widerrufsrecht Gebrauch macht.

Die so verbliebenen außertariflichen (übertariflichen)

monatlich ausbezahlten Zulagen werden jeweils

unter dem Vorbehalt der Verrechenbarkeit gewährt.

Insbesondere gilt dies für die sich aus dieser Betriebsvereinbarung

etwa ergebenden Ausgleichsberechnungen,

so daß die bis dahin gezahlten außertariflichen

(übertariflichen) Zulagen unter dem

jeweiligen Vorbehalt der nachträglichen Verrechenbarkeit

stehen.

Es besteht Klarheit darüber, daß die freiwillig

gewährten und zu gewährenden Zulagen nach Grund

und Höhe weiterhin mitbestimmungsfrei sind."

In einer schriftlichen Leistungsbeurteilung vom 19. Februar 1985 errechnete der Vorgesetzte der Klägerin für diese 47,5 von 100 möglichen Punkten.

Die Beklagte hat sämtlichen Arbeitnehmern Ende März mit dem in der Betriebsvereinbarung vereinbarten Formularschreiben die nähere Zusammensetzung ihres Lohnes ab 1. April 1985 mitgeteilt. Das Schreiben an die Klägerin vom 27. März 1985 lautet auszugsweise wie folgt:

"Das Ergebnis der Leistungsbeurteilung - unter

Berücksichtigung der ab 1. April 1985 geltenden

Lohntabelle - führte in Ihrem Falle dazu,

daß Ihr Brutto-Stundenlohn ab 1. April 1985

sich im einzelnen wie folgt zusammensetzt:

DM 10,15 Tarif-Stundenlohn, LG III

DM -,63 Tarifl. Leistungszulage (47,5

Punkte = 6,18 %)

DM -,55 AT-Zulage nach Verrechnung

./. DM -,25 Widerruf der AT-Zulage

-------- Brutto-Stunden-Lohn/Gehalt

DM 11,08

========

Die Leistungszulage ist befristet bis zur

nächsten Leistungsbeurteilung."

Der Tarifstundenlohn der Lohngruppe III war zum 1. April 1985 von 9,58 DM auf 10,15 DM angehoben und die Arbeitszeit auf 38,5 Stunden wöchentlich verringert worden. Die Beklagte zahlte an die Klägerin ab 1. April 1985 einen Wochenlohn von 426,58 DM (11,08 DM x 38,5 Stunden). Demgegenüber hatte die Klägerin bis zum März 1985 einen Wochenlohn von 430,40 DM (10,76 DM x 40 Stunden). Bei Weitergewährung der außertariflichen Zulage in Höhe von 1,18 DM hätte die Klägerin einen Wochenlohn von 436,20 DM erzielt.

Die Klägerin hält die Kürzung ihrer außertariflichen Zulage um 0,25 DM für willkürlich. Der Widerrufsvorbehalt im Arbeitsvertrag bezieht sich nach ihrer Auffassung nicht auf die außertarifliche Zulage. Aber selbst wenn man sie für widerruflich halte, fehle es an einem sachlichen Grund. Die Beklagte habe nicht ausreichend vorgetragen, daß ihre, der Klägerin, Leistungen seit Gewährung der Leistungszulage im Jahre 1981 in einer den Widerruf rechtfertigenden Weise nachgelassen hätten. Die Beurteilung vom 19. Februar 1985 sei willkürlich zustande gekommen, denn ihre Leistungen seien nicht schlechter geworden. Außerdem verstoße das in der Betriebsvereinbarung vereinbarte Punktsystem gegen Tarifrecht. Im Tarifvertrag sei eine durchschnittliche Zahlung von 13 % der tariflichen Zeitlohnsumme vorgesehen, während nach der Betriebsvereinbarung nur ein Arbeitnehmer hierauf Anspruch habe, der die Höchstzahl von 100 Punkten erreiche.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß der Widerruf ihrer

außertariflichen Zulage durch die Beklagte

vom 27. März 1985 unwirksam ist und ihr

Stundenlohn seit dem 1. April 1985 11,33 DM

beträgt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und hierzu vorgetragen: Die Beklagte könne vereinbarungsgemäß die außertarifliche Zulage jederzeit nach freiem Ermessen widerrufen. Die Beklagte habe sich an die durch Betriebsvereinbarung eingeführte Leistungsbeurteilung gehalten und nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die schlechten Leistungen der Klägerin seien durch die Leistungsbeurteilung vom 19. Februar 1985 bestätigt worden. Die Klägerin sei im Verhältnis zu anderen Mitarbeitern ihrer Abteilung fachlich einfach "stehengeblieben". Sie sei nicht so vielseitig einsetzbar wie andere Mitarbeiterinnen. Außerdem sei sie nicht immer pünktlich zur Arbeit erschienen, insbesondere am 20. Januar 1983, 27. April und 15. Juli 1983 sowie am 15. Februar 1985.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin erstrebt mit der Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet und muß zur Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts führen.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer zulässigen Feststellungsklage zu Recht dagegen, daß ihre außertarifliche Zulage von 1,18 DM um 0,25 DM gekürzt worden ist. Die Beklagte ist nicht berechtigt, den Stundenlohn von insgesamt 11,33 DM um den gekürzten Betrag auf 11,08 DM zu senken.

I. Der Anspruch der Klägerin auf eine ungekürzte außertarifliche Zulage von 1,18 DM ergibt sich aus der Lohnmitteilung vom 8. Oktober 1981. Davon geht die Beklagte in ihrem Schreiben vom 27. März 1985 ebenfalls aus, jedoch hat sie die bis dahin gewährte Zulage in doppelter Weise verringert: Einmal hat sie die tarifliche Leistungszulage hierauf angerechnet. Dagegen wendet sich die Klägerin nicht, denn diese Anrechnung ist in der Betriebsvereinbarung vom 1. April 1985 geregelt. Die Beklagte hat aber außerdem die außertarifliche Zulage um 0,25 DM gemindert und diesen Abzug mit der durch Betriebsvereinbarung vom 1. April 1985 eingeführten Leistungsbeurteilung begründet.

II. Die Beklagte war zu diesem teilweisen Widerruf nicht berechtigt. Hierfür kann sie sich weder auf den in der Anlage zum Arbeitsvertrag vorbehaltenen Widerruf noch auf die Betriebsvereinbarung vom 1. April 1985 stützen.

1. Die Parteien haben in einer Anlage zum Arbeitsvertrag vom 23. März 1981 "ergänzend zu dem Lohntarifvertrag" folgendes vereinbart: "Bei diesen übertariflichen Verdienstbestandteilen handelt es sich um freiwillige, jederzeit nach freiem Ermessen widerrufliche Leistungen...." Diesen Widerrufsvorbehalt hat die Beklagte in ihrer Betriebsvereinbarung vom 1. März 1985 aufrecht erhalten. Hierzu heißt es nämlich in Ziff. X, daß die außertariflichen Zulagen auf die tariflichen Leistungszulagen angerechnet werden und der nach Anrechnung verbleibende Teil weitergezahlt werde "unter der Voraussetzung, daß der Arbeitgeber nicht von seinem vorbehaltenen Widerrufsrecht Gebrauch macht".

2. Die Beklagte konnte hierdurch aber kein Widerrufsrecht nach freiem Ermessen begründen, sondern sie muß sich im Rahmen billigen Ermessens halten (§ 315 Abs. 1 BGB). Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts nach freiem Ermessen ist jedenfalls soweit unzulässig, wie sie sich auf Bestandteile des laufenden Verdienstes bezieht. Der Arbeitnehmer kann nicht zugleich auf den Schutz kündigungsrechtlicher Vorschriften (§ 2 KSchG) und den Schutz durch gerichtliche Ermessenskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB verzichten. Es ist anerkannt, daß die Vereinbarung von Widerrufsvorbehalten nicht unbegrenzt zulässig ist und insbesondere nicht zur Umgehung kündigungsrechtlicher Vorschriften führen darf (BAG Urteil vom 9. Juni 1965 - 1 AZR 388/64 - AP Nr. 10 zu § 315 BGB; Urteil vom 16. Oktober 1965 - 5 AZR 55/65 - AP Nr. 20 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAGE 40, 199 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung; BAGE 47, 314 = AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969). Darüber hinaus hat die Rechtsprechung diesen Grundsatz aber auch auf andere - außerhalb kündigungsschutzrechtlicher Gesichtspunkte liegende - Vertragsgestaltungen angewandt (vgl. das zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehene Senatsurteil vom 11. Dezember 1985 - 5 AZR 135/85 - AP Nr. 65 zu § 1 LohnFG, zu I 2 a der Gründe, m.w.N. sowie unveröffentlichtes Urteil des BAG vom 31. Januar 1985 - 2 AZR 393/83 -, zu II 1 a der Gründe). Ebenso wie aber der Arbeitnehmer gegen Verträge geschützt werden muß, mit denen das Kündigungsschutzgesetz umgangen wird, bedarf er des Schutzes gegen Vereinbarungen, die dem Arbeitgeber entgegen § 315 Abs. 1 BGB das Recht zum einseitigen Widerruf nach freiem Ermessen oder gar nach Belieben einräumen und damit ermöglichen, das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung unkontrolliert zu verändern (vgl. Bötticher, Anm. zum Urteil des BAG vom 9. Juni 1967, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Lohnzuschläge, Bl. 5; Herschel, Anm. zum Urteil des BAG vom 30. August 1972, AP Nr. 6 zu § 611 BGB Lohnzuschläge, Bl. 2 R). Das muß jedenfalls dann gelten, wenn es sich - wie hier - um eine Leistungszulage handelt.

3. Aber auch in den Grenzen billigen Ermessens kann ein Widerrufsrecht nur begründet werden, wenn darin keine Umgehung kündigungsrechtlicher Vorschriften zu sehen ist. Das ist hier nicht der Fall. Die widerrufliche Zulage von 1,18 DM belief sich auf nur knapp 12 % des Tarifstundenlohns von 10,15 DM, wobei 0,25 DM (also etwa 2,5 %) widerrufen worden sind.

4. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen im Rahmen des § 315 BGB, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Hiernach können Verdienstbestandteile nur aus sachlichen Gründen widerrufen werden (BAG Urteile vom 9. Juni 1967 - 3 AZR 352/66 -, vom 30. August 1972 - 5 AZR 140/72 - AP Nr. 5, 6 zu § 611 BGB Lohnzuschläge, jeweils zu 3 der Gründe; Urteil vom 22. August 1979 - 5 AZR 769/77 - AP Nr. 11 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn u. Tariflohnerhöhung).

Es unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Allerdings ist die Billigkeitskontrolle in erster Linie Aufgabe der Tatsacheninstanz, weil es bei ihr darum geht, die besonderen tatsächlichen Gegebenheiten eines Falles festzustellen und zu würdigen. Stehen die hierfür maßgeblichen Tatsachen jedoch fest, so ist das Revisionsgericht in der Lage, die Beurteilung selbst vorzunehmen (BAG Urteil vom 9. Juni 1967 - 3 AZR 352/66 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Lohnzuschläge, zu 5 a der Gründe; Urteil vom 8. Juni 1982 - 3 AZR 661/79 - AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung, zu 3 der Gründe; Urteil des Senats vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT, zu A II 2 a der Gründe). Nach allgemein anerkannter Auffassung hat die Partei, der das Recht zur Leistungsbestimmung zusteht, zu beweisen, daß ihre Bestimmung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB der Billigkeit entspricht (BAG Urteil vom 9. Juni 1965 - 1 AZR 388/64 - AP Nr. 10 zu § 315 BGB; Urteil vom 26. November 1986 - 4 AZR 789/85 - AP Nr. 15 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; BGH Urteil vom 30. Juni 1969 - VII ZR 170/67 - AP Nr. 11 zu § 315 BGB).

a) Das Landesarbeitsgericht ist hiervon zwar ebenfalls ausgegangen, es hat jedoch angenommen, der teilweise Widerruf der außertariflichen Zulage entspreche billigem Ermessen. Die Beklagte habe sich an die Leistungsbeurteilung gehalten, die ihr durch die Betriebsvereinbarung vorgegeben sei. Die Klägerin habe auch nicht das in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Schlichtungsverfahren in Anspruch genommen. Die Beklagte habe außerdem sachliche Gründe für den Widerruf der außertariflichen Zulage in der Abteilung der Klägerin zugrundegelegt; denn sie habe in der ersten Instanz bereits substantiiert dargelegt, daß hierfür ausschließlich Leistungsgesichtspunkte maßgeblich gewesen seien. Das habe die Klägerin nicht im einzelnen bestritten. Hierfür reiche es nicht aus, daß sie geltend mache, ihre Leistungen hätten seit 1981 nicht in dem Umfang nachgelassen, daß nach billigem Ermessen der Widerruf gerechtfertigt gewesen wäre.

b) Hiergegen wendet sich die Revision zu Recht. Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über die Vergabe von tariflichen Leistungszulagen" abgeschlossen, wonach diese vom Ergebnis einer Leistungsbeurteilung abhängen. Die bisherige Zulage war jedoch in vielen Fällen höher als die aufgrund der Beurteilung nach der Betriebsvereinbarung zu zahlende Zulage. Die Betriebsvereinbarung erwähnt zwar die verbleibende sogenannte AT-Zulage. Sie enthält jedoch keine Regelung über deren Widerruf. Die Beklagte hat nicht dargelegt, von welchen Anforderungen die Zulage abhängig ist. Es fehlt insoweit schon an einem einer Billigkeitskontrolle zugänglichen objektiven Maßstab.

Zwar hat die Beklagte die Kürzung der außertariflichen Zulage mit dem Ergebnis der Leistungsbeurteilung begründet. Insoweit verweist sie insbesondere auf Verspätungen in den Jahren 1982, 1983 und 1985. Die Beklagte vermag aber nur drei größere Verspätungen am 20. Januar 1983, am 27. April 1983 und am 15. Juli 1983 sowie eine Verspätung am 15. Februar 1985 anzugeben. Ob die Klägerin sich tatsächlich verspätet hat, kann dahingestellt bleiben. Wenn die Beklagte hieraus das Recht herleiten will, die außertarifliche Zulage zu widerrufen, so ist es sachlich nicht gerechtfertigt, darauf erst im Zusammenhang mit der Leistungsbeurteilung im Jahre 1985 zurückzugreifen. Die Beklagte hat jedenfalls in der Vergangenheit keine Veranlassung gesehen, die außertarifliche Zulage der Klägerin zu widerrufen oder zu kürzen, obwohl sie sich das Recht hierzu schon in der Anlage zum Arbeitsvertrag vorbehalten hatte. Die weitere Begründung der Beklagten, die Klägerin sei fachlich stehengeblieben und nicht vielseitig einsetzbar, ist zu unbestimmt und nicht daraufhin nachprüfbar, ob es sich um sachlich gerechtfertigte Leistungsmängel handelt. Es fehlt auch an einer Darlegung, wann die Beklagte diese nachlassende Leistungsfähigkeit der Klägerin bemerkt haben will.

Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß der Klägerin nicht entgegengehalten werden könne, sie habe das in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten über die Leistungsbeurteilung nicht ausgeschöpft. Hierdurch ist es der Klägerin nicht verwehrt, die Billigkeit des Widerrufs gerichtlich überprüfen zu lassen.

c) Da die von der Beklagten für die Kürzung der außertariflichen Zulage dargelegte Begründung den Anforderungen des § 315 Abs. 1 BGB schon nicht genügt, kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt hat. Es kann weiter unerörtert bleiben, ob das von der Beklagten durch Betriebsvereinbarung eingeführte Punktesystem mit der nachwirkenden tariflichen Lohnregelung vereinbar ist. Die Beklagte behält nämlich einen Teil der Leistungszulage von durchschnittlich 13 % der tariflichen Zeitlohnsumme ein und zahlt ihn erst später aus. Da nach der Betriebsvereinbarung der Wert eines Punktes bei Zeitlohnarbeitern 0,13 % beträgt, jedoch höchstens 100 Punkte erreichbar sind und im Betriebsdurchschnitt 64,1 Punkte erzielt wurden, liegt die monatlich ausgezahlte Zulage bis zu einem späteren Ausgleich erheblich unter 13 % der tariflichen Zeitlohnsumme. Ebenso kann es dahingestellt bleiben, ob die Beklagte über das Punktesystem hinaus einseitig Richtlinien oder allgemeine Gesichtspunkte für den Widerruf oder die Kürzung der Zulagen aufgestellt oder zugrunde gelegt hat, ohne insoweit den Betriebsrat - wie erforderlich - zu beteiligen (vgl. BAG Urteil vom 17. Dezember 1980 - 5 AZR 570/78 - AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

Polcyn Dr. Schönherr

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440067

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