Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungsvergleich nach Konkurseröffnung. Masseschuld. Abfindungsvergleich zur Beendigung eines Kündigungsschutzprozesses nach Konkurseröffnung: Masseschuld oder Konkursforderung?. Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO trotz erteilter vollstreckbarer Ausfertigung?. Möglichkeit einer Rangrücktrittsvereinbarung. Prozeßrecht. Konkursrecht
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Kündigungsschutzprozeß nach Konkurseröffnung gegen den Konkursverwalter fortgesetzt und schließen die Parteien sodann einen Abfindungsvergleich, handelt es sich bei dem Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers in der Regel um eine Masseschuld.
Orientierungssatz
- Schließt der Konkursverwalter zur Beendigung eines Kündigungsschutzprozesses mit dem Arbeitnehmer einen Abfindungsvergleich, begründet er hinsichtlich der zugesagten Abfindung grundsätzlich eine Masseschuld.
- Soll der Abfindungsanspruch demgegenüber nur als einfache Konkursforderung begründet werden, bedarf dies der Klarstellung durch eine entsprechende Rangrücktrittsvereinbarung.
- Auch wenn dem Arbeitnehmer bereits eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs erteilt wurde, fehlt seiner Klage auf Feststellung, daß der Abfindungsanspruch als Masseschuld zu befriedigen ist, nicht das erforderliche Feststellungsinteresse; er braucht sich nicht auf die Möglichkeit der Erinnerung gegen die Ablehnung der Vollstreckung seitens des Gerichtsvollziehers verweisen zu lassen.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1, § 766 Abs. 2; KO §§ 57, 59 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 133, 157; KSchG §§ 9-10
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die konkursrechtliche Einordnung einer Abfindung.
Der Kläger war seit 22. Oktober 1985 bei der E B M GmbH & Co. KG beschäftigt. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. Februar zum 31. März 1993. Gegen die Kündigung hat sich der Kläger mit einer am 16. März 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG setzte er den Rechtsstreit gegen den zum Konkursverwalter bestellten jetzigen Beklagten fort und nahm zusätzlich die p GmbH als Betriebsübernehmerin in Anspruch. Die p GmbH wurde ebenfalls durch den Beklagten vertreten.
Am 15. November 1993 erzielten der Kläger und der Beklagte in einem gerichtlich protokollierten Vergleich Einigkeit darüber, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung zum 31. März 1993 endete; gleichzeitig verpflichtete sich der Beklagte, an den Kläger für den Verlust seines sozialen Besitzstandes eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 DM (brutto = netto) in analoger Anwendung von §§ 9, 10 KSchG zu zahlen. Der Kläger nahm ferner seine Klage gegen die p GmbH zurück.
Einen Antrag des Klägers, die Abfindungsforderung aus dem Vergleich gegen den Beklagten zu vollstrecken, lehnte der Gerichtsvollzieher mit Schreiben vom 3. Februar 2000 mit der Begründung ab, es handele sich nicht um eine Masseschuld, sondern um eine Konkursforderung.
Der Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit gegen den Beklagten geltend gemacht, der Vergleich sei von dem Beklagten geschlossen worden, um das Risiko des Bestandsschutzprozesses ua. im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang auf die p GmbH zu vermeiden. Der Vergleich beruhe auf einer Rechtshandlung des Beklagten als Konkursverwalter, die ihren Grund nicht bereits in dem Rechtsverhältnis zwischen ihm, dem Kläger, und der Gemeinschuldnerin gehabt habe.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß ihm durch die Abfindung gemäß Ziff. 2 des arbeitsgerichtlichen Vergleiches vom 15. November 1993 eine Masseforderung gem. § 59 Abs. 1 KO zusteht.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Er hat die Ansicht vertreten, bei dem Abfindungsanspruch des Klägers handele es sich um eine Konkursforderung, da der Rechtsgrund dafür bereits zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung vorgelegen habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Thiel, Tirre.
Fundstellen
BAGE 2003, 307 |
BB 2002, 2609 |
NJW 2002, 3045 |
ARST 2003, 9 |
FA 2003, 91 |
KTS 2002, 748 |
NZA 2002, 973 |
SAE 2003, 179 |
ZIP 2002, 1495 |
AP, 0 |
DZWir 2002, 422 |
EzA-SD 2002, 8 |
EzA |
MDR 2002, 1215 |
NZI 2003, 109 |
ZInsO 2002, 1156 |
AUR 2002, 356 |
BAGReport 2002, 388 |