Leitsatz

1. Eine Austrittsleistung, die von einer schweizerischen öffentlich-rechtlichen Pensionskasse nach dem 31.12.2004 ausgezahlt wird, ist als "andere Leistung" mit dem Besteuerungsanteil gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern.

2. Die erst durch das AltEinkG begründete Steuerpflicht verstößt weder gegen den Vertrauensschutzgrundsatz noch gegen das Rückwirkungsverbot.

3. Die Austrittsleistung kann gem. § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt besteuert werden.

 

Normenkette

§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 EStG, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 21 DBA-Schweiz 1971/1992/2002

 

Sachverhalt

Die Klägerin war bei dem Kanton Basel-Stadt beschäftigt und Mitglied der entsprechenden Pensionskasse P. P wird als Vorsorgeeinrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit unterhalten und führt die obligatorische Vorsorge gem. Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG – Schweiz) durch. Sie garantiert in jedem Fall die Mindestleistungen aufgrund des BVG, das sog. Obligatorium, gewährt aber auch überobligatorische Leistungen. P gehört zu den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz. Die Klägerin beendete im Streitjahr 2005 ihre Beschäftigung, ohne ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen. Aufgrund ihres Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis und wegen des endgültigen Verlassens der Schweiz erhielt sie circa 40.000 EUR. Das FA besteuerte die Austrittsleistung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit einem Besteuerungsanteil von 50 %. Die Klage war erfolgreich. Nach Ansicht des FG handelte es sich zwar bei der Austrittsleistung um eine steuerbare sonstige Einnahme i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, diese sei jedoch nach § 3 Nr. 3 EStG steuerfrei (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 28.4.2010, 3 K 1464/08, Haufe-Index 2613219, EFG 2011, 1798).

 

Entscheidung

Die Revision des FA war aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen (teilweise) begründet. Der BFH sah die Austrittsleistungen zwar nicht als steuerfrei an, bejahte aber die Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG.

 

Hinweis

1.Bei der Anwendung des deutschen Steuerrechts auf ausländische Einkünfte ist eine rechtsvergleichende Qualifizierung der ausländischen Einkünfte nach deutschem Recht vorzunehmen. Die Vergleichbarkeit von Alterseinkünften ist dann anzunehmen, wenn die ausländische Leistung in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Leistung entspricht, d.h. nach Motivation und Funktion gleichwertig ist. Maßgebliche Gesichtspunkte sind die Essentialia der nationalen Norm, also deren Funktion und Struktur nach nationalem Verständnis.

2.Die Anwendung dieser Grundsätze führt dazu, die Leistungen einer schweizerischen öffentlich-rechtlichen Pensionskasse als mit denen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar anzusehen. Entscheidend ist, dass sowohl die obligatorischen als auch die überobligatorischen Leistungen dieser Pensionskasse, bei denen sowohl die Beitragspflichten als auch die Leistungen auf Gesetz beruhen – ebenso wie die Leistungen der deutschen Rentenversicherung –, darauf ausgerichtet sind, die Sicherung des Lebensunterhalts im Alter oder für die Hinterbliebenen zu gewährleisten. Dass bei der obligatorischen ebenso wie bei der überobligatorischen Vorsorge zusätzliche Leistungen gesetzlich vorgesehen und auch bestimmte Kapitalleistungen erlaubt sind, ändert nichts an der grundsätzlichen Vergleichbarkeit dieser Pensionskassen mit der deutschen gesetzliche Rentenversicherung, solange die unterschiedlichen Leistungen – insbesondere die Kapitalisierungsmöglichkeiten – den gesetzlich vorgesehenen Umfang nicht überschreiten.

3. Inwieweit diese Einordnung auch auf privatrechtliche schweizerische Pensionskassen übertragen werden kann, wird in den beim BFH anhängigen Verfahren, insbesondere VIII R 38/10 und 39/10 (EFG 2011, 1716 und 1799), zu entscheiden sein.

4.Die Austrittsleistung der Pensionskasse ist eine "andere Leistung" i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, obwohl sie nicht wiederkehrend i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG ist. Zur näheren Begründung kann auf das Senatsurteil vom selben Tag X R 3/12 (BFH/PR 2014, 46) verwiesen werden.

5.Die Austrittsleistung einer schweizerischen Austrittsleistung ist nicht gem. § 3 Nr. 3 EStG a.F. steuerfrei. Zwar ist diese Vorschrift auch auf die Leistungen eines ausländischen Versorgungsträgers anwendbar. Bei einer Austrittsleistung handelt es sich aber um keine mit einer Kapitalabfindung der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung i.S.d. § 3 Nr. 3 EStG vergleichbare Leistung, da die Kapitalabfindungen der deutschen Versorgungssysteme den Wegfall der bestehenden Renten- oder Versorgungsansprüche kompensieren, während die Barauszahlung der Austrittsleistung einen Auszahlungsmodus für erworbene Ansprüche darstellt.

6. Die durch das AltEinkG ohne Übergangsregelung eingeführte Steuerpflicht für Kapitalabfindungen verstößt nicht gegen ...

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