OFD Karlsruhe, 18.3.2022, S 0623 (§ 361 Karte 1)

 

1 Allgemeines

Das Finanzamt kann die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen (§ 361 Abs. 2 Satz 5 AO; § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die Entscheidung hierüber ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (vgl. AEAO zu § 361, Nr. 9.2).

Eine Sicherheitsleistung ist geboten, wenn die wirtschaftliche Lage der Steuerbürgerin / des Steuerbürgers die Steuerforderung als gefährdet erscheinen lässt (BFH-Beschlüsse vom 8.3.1967, VI B 50/66, BStBl 1967 III S. 294, und vom 22.6.1967, I B 7/67, BStBl 1967 III S. 512). Ob einerseits ein Sicherungsbedürfnis seitens des Finanzamts vorliegt und andererseits der Steuerbürgerin / dem Steuerbürger die Erbringung einer Sicherheitsleistung möglich und zumutbar ist, kann nur anhand der konkreten Gesamtumstände des Einzelfalles beurteilt werden. Allein die Höhe der Steuerforderung, ohne dass weitere tatsächliche Anhaltspunkte hinzutreten, begründet noch keine Gefährdung des Steueranspruchs (BFH-Beschluss vom 10.10.2002, VII S 28/01, BFH/NV 2003 S. 12). Gleiches gilt für eine voraussichtlich längere Verfahrensdauer (BFH-Beschluss vom 7.5.2008, IX S 26/07, BFH/NV 2008 S. 1498).

Die Prüfung, ob die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen ist, ist zunächst anhand der Steuerakten durchzuführen. Zur Frage der aktuellen wirtschaftlichen Lage sind ggf. Auskünfte der Vollstreckungsstelle / Erhebungsstelle einzuholen.

 

2 Prüfung der Sicherungsbedürftigkeit

Fehlende Sicherheiten in Verbindung mit mehrjährigen Rechtsbehelfsverfahren führen nicht selten zu erheblichen Steuerausfällen. Andererseits ist eine sorgfältige Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Sicherheitsleistung meist mit erheblichem Zeitaufwand verbunden.

Um beiden Gesichtspunkten gleichermaßen gerecht zu werden, wird folgende Vorgehensweise empfohlen:

  • Aussetzungsbetrag bis 5.000 EUR

    Aus verwaltungsökonomischen Gründen kann bei kleinen Aussetzungsbeträgen (bis 5.000 EUR) in der Regel auf eine Sicherheitsleistung verzichtet werden.

  • Aussetzungsbetrag von 5.001 EUR bis 50.000 EUR

    Die Frage, ob ein Sicherungsbedürfnis besteht, sollte zumindest anhand der Steuerakten und ggf. sonstigen Unterlagen, sowie des bisherigen Zahlungsverhaltens überschlägig geprüft werden (Art und Höhe des Einkommens, Bilanzen, Grundvermögen etc. sowie O-Abfrage und ggf. telefonische Rücksprache bei der Vollstreckungsstelle / Erhebungsstelle).

  • Aussetzungsbetrag über 50.000 EUR

    Bei Aussetzungsbeträgen über 50.000 EUR ist das Sicherungsbedürfnis des Finanzamts anhand der Steuerakten sowie des bisherigen Zahlungsverhaltens eingehend zu prüfen.

Verfahren StundE: Sobald die gewährten Aussetzungsbeträge 50.000 EUR überschreiten, ist der Optionsschalter „Die Aussetzung der Vollziehung wird gegen Sicherheitsleistung bewilligt” voreingestellt. Soll ab dieser Aussetzungshöhe im Ausnahmefall auf eine Sicherheitsleistung verzichtet werden, so ist hierfür eine Begründung zwingend erforderlich (Ausnahme: Das Grundlagenfinanzamt hat die Anordnung einer Sicherheitsleistung ausgeschlossen).

Ergeben sich nach Aktenlage Zweifel an der künftigen Zahlungsfähigkeit der Steuerbürgerin / des Steuerbürgers können die (aktuellen) Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch mit dem Vordruck S 1 – 40 (Erklärung über die aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Antrag aus Stundung und Erlass) ermittelt werden. Auf der Grundlage der hierbei gewonnenen Erkenntnisse ist zu entscheiden, ob die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden kann.

Lassen sich die Zweifel an der künftigen Zahlungsfähigkeit der Steuerbürgerin / des Steuerbürgers nicht ausräumen oder bestehen andere Gründe, die die Vollstreckung später erschweren könnten, ist eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Ein Verzicht kommt (nur) in Betracht, wenn die Steuerbürgerin / der Steuerbürger trotz zumutbarer Anstrengung keine Sicherheit erbringen kann oder wenn (ausnahmsweise) mit großer Wahrscheinlichkeit mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheids zu rechnen ist.

Die Entscheidung ist im Einzelfall aktenkundig zu machen.

 

3 Kriterien für die Ermessensentscheidung des Finanzamts

Die Beurteilung der Frage, ob ein Sicherungsbedürfnis seitens des Finanzamts vorliegt bzw. ob der Steuerbürgerin / dem Steuerbürger die Erbringung einer Sicherheitsleistung möglich und zumutbar ist, ist eine Einzelfallentscheidung und kann nur anhand der konkreten Umstände beurteilt werden.

Diese Gesamtumstände setzen sich zusammen aus einer Vielzahl von Einzelmerkmalen, die das Finanzamt unterschiedlich gewichten kann. Im Rahmen dieser Überprüfung ist als erste Frage stets zu entscheiden, ob die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts so bedeutsam sind, dass mit großer Wahrscheinlichkeit seine Aufhebung zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22.12.1969, V B 115/69, BStBl 1970 II S. 127). Wird dies (ausnahmsweise) bejaht, kommt eine Sicherheitsleistung nicht mehr...

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