Leitsatz

Jedenfalls nach der Einführung der Anhörungsrüge gem. § 133a FGO kann die bewusste und objektiv greifbar gesetzwidrige Anwendung von Prozessrecht durch das FG mit einer außerordentlichen Beschwerde gerügt werden.

 

Normenkette

§ 128, § 133a FGO

 

Sachverhalt

Das FA hatte Betriebsausgaben unter Hinweis auf § 160 AO nicht zum Abzug zugelassen. Zugleich mit Erhebung des Einspruchs beantragte die betroffene Gesellschaft Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids. Weder das FA noch das FG gaben dem Antrag statt.

Da das FG die Beschwerde gegen seinen Beschluss nicht zugelassen hatte, legte die Steuerpflichtige ausdrücklich innerhalb von zwei Wochen "außerordentliche Beschwerde" beim BFH ein. Sie rügte fehlerhafte Sachverhaltsermittlung, Nichtbeachtung von EuGH-Rechtsprechung und einen Verstoß gegen die Denkgesetze.

 

Entscheidung

Der BFH verwarf die außerordentliche Beschwerde als unzulässig. Zwar gebe es auch nach Einführung der Anhörungsrüge in § 133a FGO noch einen Anwendungsbereich für eine außerordentliche Beschwerde. Gerügt werden könne mit ihr aber nur die bewusste und objektiv greifbar gesetzwidrige Anwendung von Prozessrecht durch das FG. Im Streitfall seien jedoch andere Rügen erhoben worden.

 

Hinweis

1. Das BVerfG hatte in seinem Beschluss vom 30.4.2003, 1 PBvU 1/02 (BVerfGE 107, 395) von dem Gesetzgeber verlangt, für Rügen der Verletzung rechtlichen Gehörs gegen mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht angreifbare Entscheidungen einen besonderen Rechtsbehelf zu schaffen. Die analoge Anwendung des bisherigen § 321a ZPO reichte dem BVerfG nicht aus. In Erfüllung dieser Verpflichtung hatte der Gesetzgeber § 321a ZPO geändert und andere Verfahrensordnungen ergänzt. Für den Finanzprozess wurde § 133a FGO geschaffen.

2. Es war allerdings seit längerer Zeit anerkannt, dass neben der Verletzung rechtlichen Gehörs auch die Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte zu einer Korrektur durch die jeweilige Fachgerichtsbarkeit führen sollte. Der BFH hatte die Gegenvorstellung analog § 321a ZPO a.F. für derartige Fälle vorgesehen.

Zusätzlich hatte der IV. Senat des BFH aber im Beschluss vom 13.5.2004, IV B 230/02 (BFH-PR 2004, 411) entschieden, dass eine Gegenvorstellung beim Ausgangsgericht nicht ausreiche, wenn das FG Prozessrecht bewusst greifbar gesetzwidrig anwende. Für solche Fälle müsse noch eine außerordentliche Beschwerde statthaft sein.

3. Diese Rechtsprechung führt der IV. Senat des BFH in der hier besprochenen Entscheidung für die Zeit seit In-Kraft-Treten des § 133a FGO fort. Die Neuregelung zur Anhörungsrüge habe den Bedarf für eine außerordentliche Beschwerde nicht vermindert. § 133a FGO sei ausdrücklich nur zur Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs geschaffen worden. Es könne offen bleiben, ob bei Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte noch eine Gegenvorstellung erhoben werden könnte. Zumindest bei greifbar gesetzwidriger Anwendung von Prozessrecht durch das FG sei weiterhin die außerordentliche Beschwerde gegeben.

Weil aber derartige Fehler nicht gerügt wurden, war die Beschwerde im Besprechungsfall unzulässig.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 8.9.2005, IV B 42/05

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