Kommentar

1. Krankheitskosten erwachsen – unabhängig aus welchen Gründen sie anfallen – regelmäßig zwangsläufig ( § 33 Abs. 2 EStG ) da der Steuerpflichtige sich diesen Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Krankheitskosten in diesem Sinne sind Aufwendungen, die entweder der Heilung einer Krankheit dienen oder die den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen und ihre Folgen zu lindern . Der Begriff der Heilbehandlung in dem hier maßgeblichen Sinne umfaßt alle Eingriffe und anderen Behandlungsmaßnahmen, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten , Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu erkennen , zu heilen , zu lindern oder zu verhüten (BFH, Urteile v. 20. 3. 1987, III R 150/86, BStBl 1987 II S. 596 und v. 13. 2. 1987, III R 208/81, BStBl 1987 II S. 427). Diese Begriffsbestimmung der Heilbehandlung entspricht der Rechtsprechung des BGH zum privaten Krankenversicherungsrecht und der Rechtsprechung des BSG zum sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriff (BFH, Urteil v. 14.8. 1997, III R 67/69, BStBl 1997 II S. 732 m. w. Hinweisen).

2. Empfängnisunfähigkeit einer verheirateten Frau ist eine Krankheit in dem hier maßgeblichen Sinne (BGH, Urteil v. 17. 12. 1986, IVa ZR 78/85, BGHZ 99, 228; BSG, Urteil v. 8. 3. 1990, 3 RK 24/89, BSGE 66 S. 248). Eine künstliche Befruchtung , die einem Ehepaar zu einem gemeinsamen Kind verhelfen soll, das wegen Empfängnisunfähigkeit der Ehefrau sonst von ihrem Ehemann nicht gezeugt werden könnte (sog. homologe Befruchtung ), erfüllt die Merkmale einer Heilbehandlung ; Aufwendungen hierfür können daher als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig sein.

3. Vor einer steuerlichen Geltendmachung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung muß der Steuerpflichtige anderweitige Ersatz möglichkeiten ausschöpfen ; er muß sich ggf. nachprüfbare Unterlagen über die ablehnende Haltung seiner Krankenkasse besorgen . Gegen einen Ablehnungsbescheid der Krankenkasse Widerspruch einzulegen, ist ihm jedenfalls dann zumutbar, wenn dieser keine Begründung enthält ( Außergewöhnliche Belastung ; Außergewöhnliche Belastungen – ABC ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.06.1997, III R 84/96

Anmerkung:

Ob Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind, wird von den Finanzgerichten unterschiedlich beurteilt. So hat z.B. das Finanzgericht Münster die Zwangsläufigkeit bei Aufwendungen eines Ehepaares zur künstlichen Befruchtung der Ehefrau mit Samen eines Spenders, mit dem diese nicht verheiratet war (sog. heterologe In-Vitro-Fertilisation ) abgelehnt (FG Münster, Urteil v. 13. 10. 1992, 1 K 219/92 E, EFG 1993 S. 312, rkr). Das Niedersächsische Finanzgericht hat Aufwendungen eines Ehepaares zur künstlichen Befruchtung der Ehefrau für den Fall der organisch bedingten Unfruchtbarkeit als abziehbar angesehen (Niedersächs. FG, Urteil v. 25. 6. 1996, XII 826/95, EFG 1996 S. 924).

Der BFH hat die Enscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts, die Gegenstand des o.g. Revisionsverfahrens war, im Ergebnis gebilligt . Der BFH betont allerdings, für den entschiedenen Fall gehe er im Tatsächlichen davon aus, daß die bei der Klägerin durchgeführte künstliche Befruchtung mit dem Samen ihres Ehemannes durchgeführt sei, es sich mithin um eine sog. homologe Befruchtung handele. Sollte es sich allerdings, so der BFH, bei der aus anderen Gründen erforderlichen erneuten Prüfung der Streitsache durch das Finanzgericht herausstellen, daß es sich nicht um Samen des Ehemannes, sondern eines Dritten gehandelt habe, genetisch also nicht das gemeinsame Kind des Ehepaares „hervorgebracht” sei, erfordere die steuerrechtliche Beurteilung dieses Falles weitere rechtliche Überlegungen . Mit anderen Worten:

Vorstehend mitgeteilte Entscheidung läßt offen , ob die Aufwendungen der künstlichen Befruchtung bei einer empfängnisunfähigen unverheirateten Frau oder bei einer Befruchtung mit fremden Samen bei einer verheirateten Frau ebenfalls als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig sind.

M.E. sprechen viele Gründe gegen eine in dieser Weise differenzierende Beurteilung, die der BFH in der vorstehend mitgeteilten Entscheidung auch nur als möglich ansieht. Zunächst stellt sich die Frage , ob es dem Ehepaar – nicht zuletzt auch mit Rücksicht auf das Kind – überhaupt zugemutet werden kann, seine intimsten Belange offenzulegen ? Außerdem: Die deutschen Gesetze lassen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung auch sonst – also auch außerhalb des Schutzbereichs der Ehe ( Art. 6 Abs. 1 GG ) grundsätzlich zu . All dies spricht gegen eine unterschiedliche Beurteilung der Aufwendungen einer homologen und einer heterologen Insemination.

Es kommt hinzu, daß die eheähnliche auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft heute in Deutschland weit verbreitet ist. Unabhängig davon, ob der einzelne die...

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