Leitsatz

Aufwendungen einer nicht verheirateten empfängnisunfähigen Frau für Maßnahmen zur Sterilitätsbehandlung durch sog. In-vitro-Fertilisation sind als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn die Maßnahmen in Übereinstimmung mit den RL der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen werden (Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 33 EStG

 

Sachverhalt

Die seit 12 Jahren in einer nichtehelichen Partnerschaft lebende Klägerin hatte 1999 rund 24.000 DM für IVF (Vereinigung einer Eizelle mit einer Samenzelle außerhalb des Körpers und Einführung des Embryos in die Gebärmutter) aufgewandt. Die Ärztekommission hatte die Maßnahme befürwortet. Die gesetzliche Krankenkasse übernahm die Kosten nicht, da nur verheiratete Paare Anspruch auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft haben.

Das FA lehnte die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ab. Dem widersprachen das FG (EFG 2005, 1266) ...

 

Entscheidung

... und der BFH unter Aufgabe seiner bisher vertretenen ablehnenden Auffassung. Da die Befruchtung entsprechend den RL der zuständigen Ärztekammer vorgenommen worden war, waren die entstandenen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

 

Hinweis

Der BFH hat bisher nur die Aufwendungen einer verheirateten, empfängnisunfähigen Frau für eine In-vitro-Fertilisation (IVF) mit dem Samen des Ehemanns zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zugelassen (BFH, Urteil vom 18.7.1997, III R 84/96, BStBl II 1997, 805; sog. homologe Insemination). Für den Fall der künstlichen Befruchtung einer gesunden Ehefrau mit dem Samen eines Dritten (Samenspender) wegen Unfruchtbarkeit des Ehemanns wurde der Abzug versagt (BFH, Urteil vom 18.5.1999, III R 46/97, BStBl II 1999, 761; sog heterologe Fertilisation).

Die Aufwendungen einer nicht verheirateten, empfängnisunfähigen Frau für künstliche Befruchtungen (mit dem Samen des Partners) ließ der BFH auch dann unberücksichtigt, wenn sie in einer festen Partnerschaft lebt (BFH, Urteil vom 28.7.2005, III R 30/03, BFH-PR 2005, 451). Wegen der Identität von sozialen und genetischen Eltern werden künstliche Befruchtungen bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften in stabiler Partnerschaft mit Eizellen und Samen des Paares ebenfalls als homolog oder als quasi homolog bezeichnet.

Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren im Wesentlichen zwei Gesichtspunkte: "Nach den in der Rechtsgemeinschaft bestehenden, durch gesetzliche Wertentscheidungen geprägten Überzeugungen" befinde sich nur eine verheiratete, empfängnisunfähige Frau, die zusammen mit ihrem Ehepartner Kinder möchte, in einer tatsächlichen Zwangslage, die die steuerliche Berücksichtigung rechtfertige. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass nichteheliche Kinder insgesamt ungünstigere Lebensbedingungen vorfänden als eheliche, sodass das Wohl des Kindes typischerweise in einer Ehe eher gewährleistet sei als in einer festen Partnerschaft, auch wenn eine Ehe keine Garantie für ein intaktes Elternhaus darstelle und eine nichteheliche Lebensgemeinschaft einer Ehe gleichwertige Bedingungen bieten könne.

An dieser Einschränkung hält der BFH nicht mehr fest. Die Empfängnisunfähigkeit einer Frau ist – unabhängig von ihrem Familienstand – eine Krankheit. Als kompensierende Maßnahme stellt die IVF eine "Heilbehandlung im weiteren Sinn" dar. Die dadurch veranlassten Aufwendungen sind daher krankheitsbedingt und tatsächlich zwangsläufig, vergleichbar mit Aufwendungen für medizinische Hilfsmittel.

Da Kinder zu haben für viele Menschen eine zentrale Sinngebung ihres Lebens ist, befindet sich auch eine in fester Partnerschaft lebende unverheiratete Frau in einer entsprechenden Zwangslage. Wegen der weitgehenden rechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder und der gesellschaftlichen Akzeptanz nichtehelicher Lebensgemeinschaften wiegt der rechtliche Vorteil ehelicher Kinder nicht so schwer, dass er die Zwangslage einer unverheirateten Frau entfallen ließe.

Außerdem relativiert sich der Vorteil durch die hohe Zahl der Scheidungen.

Zu beachten ist, dass der BFH die steuerliche Anerkennung davon abhängig macht, dass die Fertilisationsmaßnahmen in Übereinstimmung mit den RL der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen werden. Danach sind IVF medizinisch und ethisch nur vertretbar, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Bei nicht verheirateten Paaren in stabiler Partnerschaft durften im Streitjahr 1999 IVF nur nach vorheriger Beratung durch die bei der Ärztekammer eingerichtete "Ständige Kommission In-vitro-Fertilisation und Embryotransfer" durchgeführt werden. Nach den derzeit geltenden RL genügt es, dass der behandelnde Arzt zu der Einschätzung gelangt ist, dass die Frau mit einem nicht verheirateten Mann in einer festgefügten Partnerschaft zusammenlebt und dieser die Vaterschaft anerkennen wird. Dabei darf grundsätzlich nur Samen des Partners verwendet werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.5.2007, III R 47/05

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