Leitsatz

Ein Einspruch kann als Änderungsantrag ausgelegt werden.

 

Sachverhalt

Der Kläger gab seine Einkommensteuererklärung 1991 im Jahr 1993 ab und beantragte die getrennte Veranlagung, da er sich im Laufe des Jahres 1991 von seiner Ehefrau getrennt habe. Das Scheidungsverfahren zog sich dann bis 2001 hin. Der Einkommensteuerbescheid 1991 wurde 1994 erlassen, ein Einspruch hiergegen hatte Erfolg. Ohne Änderung der Veranlagungsart teilte das Finanzamt an den steuerlichen Berater mit, dass der Einspruch erledigt sei. Im Juli 1995 legte der Kläger selber beim FA "Einspruch gegen alle ihn betreffenden Bescheide" ein und verwies auf Probleme im Scheidungsverfahren. Das FA wies auf die Verfristung der Einsprüche hin, verwies den Kläger aber auf die Änderungsmöglichkeit nach § 173 AO. 1996 wurde ein anderes FA zuständig, das den Kläger erneut auf die Verfristung der Einsprüche hinwies. Hierauf nahm der Kläger seine Einsprüche zurück. 1998 wurde die Festsetzung 1991 aufgrund einer Kontrollmitteilung geändert und eine höhere Steuer festgesetzt. Nach Abschluss des Scheidungsverfahrens in 2001 beantragte der Kläger, im Jahr 1991 die Zusammenveranlagung durchzuführen. Das FA wies den Antrag zurück, so dass Klage erhoben wurde. Es war der Ansicht, dass der Antrag in Leere laufe und Verjährung eingetreten sei.

 

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des FG ist dem Antrag des Klägers auf Zusammenveranlagung stattzugeben. Auch sei eine Verjährung nicht eingetreten. Hier sei in dem als Einspruch bezeichneten Schreiben des Klägers aus dem Jahr 1995 tatsächlich ein Änderungsantrag zu sehen. Nach dem Begehren des Klägers sei dies so auszulegen, da auf diesem Weise dem Ansinnen am besten zum Erfolg zu verhelfen sei. Zwar seien seinerzeit die Bescheide bereits bestandskräftig gewesen, doch sei durch den Änderungsbescheid im Jahr 1997 eine Situation eingetreten, dass der Antrag erfolgreich wurde, da er in die Begründetheit hineingewachsen sei.

 

Hinweis

Das Urteil ist für den Kläger sicherlich als positiv anzusehen, es erscheint mir aber nicht zwingend. Das FG musste nämlich gleich 2 Klippen umschiffen, um zu einem für den Kläger positiven Ergebnis zu kommen. Zunächst war es erforderlich, den Einspruch, den der Kläger in eigener Person erhoben hat, tatsächlich als Änderungsantrag auszulegen. Dies erscheint im Einzelfall durchaus möglich, gerade wenn der Steuerpflichtige nicht steuerlich beraten ist, erscheint es angezeigt, seine Willenserklärung auszulegen. Allerdings gibt es hierzu Urteile von FG, die dies abweichend gesehen haben (siehe FG Schleswig-Holstein, Urteil v. 8.7.1971, III 20/71, EFG 1971 S. 612; siehe auch Frotscher, in Schwarz, AO, § 172 AO Rz. 37 m.w.N.). Weiterhin war der Antrag in 1995 eigentlich auch nicht mehr zulässig, da ein Antrag auf schlichte Änderung während der Rechtsbehelfsfrist gestellt und konkretisiert werden muss. Zum Zeitpunkt der Antragstellung in 1995 war aber bereits eine Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides 1991 gegeben. Das FG hat diese Klippe gemeistert, in dem es zu der Ansicht kam, der Antrag sei durch die Änderung in 1997 in die Begründetheit gewachsen. Angesichts der Tatsache, dass der Änderungsantrag nur punktuell wirkt, erscheint dies m. E. sehr fraglich, zumal hier der Antrag und die Änderung in 1997 2 verschiedene Aspekte der Einkommensteuer 1991 betrafen. So ist denn etwa auch anerkannt, dass ein Antrag auf Änderung nach Ablauf der Einspruchsfrist nicht mehr erweitert werden kann (siehe Frotscher, in Schwarz, AO, § 172 AO Rz. 22a).

Leider im Interesse der Rechtsanwendung, zum Glück für den Kläger, ist gegen das Urteil keine Revision zugelassen worden.

 

Link zur Entscheidung

FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.01.2011, 5 K 2429/04

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