Leitsatz

Ein im Ausland realisierter Verlust aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs, der abkommensrechtlich in Deutschland nur bei der Festsetzung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) zu berücksichtigen ist, unterfällt nicht der sog. Fünftel-Methode für außerordentliche Einkünfte.

 

Normenkette

§ 32b Abs. 1 Nr. 3, § 32b Abs. 2 Nr. 2, § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2002

 

Sachverhalt

Die Kläger, die im Streitjahr 2006 ihren Wohnsitz zeitweise im Inland hatten, wurden vom FA als Eheleute zusammen zur ESt veranlagt. Zum 1.4.2006 veräußerten sie ihre bis zu diesem Zeitpunkt in Deutschland betriebene zahnärztliche Gemeinschaftspraxis. Zuvor (am 1.2.2006) eröffneten sie eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis in der Schweiz. Diese Praxis gaben sie zum 30.9.2006 unter Inkaufnahme eines Veräußerungsverlusts wieder auf, um anschließend wieder eine entsprechende Tätigkeit an dem früheren Tätigkeitsort in Deutschland auszuüben.

Das FA, das den Veräußerungsgewinn aus der ursprünglichen Veräußerung einer begünstigten Besteuerung (§ 34 EStG) unterwarf, berücksichtigte den Veräußerungsverlust im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts unter Hinweis auf § 32b Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 EStG nur zu einem Fünftel. Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich (FG Münster, Urteil vom 18.3.2011, 4 K 3477/09 E, Haufe-Index 2706387, EFG 2011, 1705).

 

Entscheidung

Das FG wurde vom BFH bestätigt. Die Fünftel-­Methode des § 34 EStG greife zwar kraft besonderer gesetzlicher Anordnung in § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG auch im Rahmen der Ermittlung des besonderen Steuersatzes. Doch gelte das immer nur für positive Einkünfte und damit nicht für (ausländische) Veräußerungsverluste.

 

Hinweis

1. Einkünfte, die ein in Deutschland zeitweise oder während des gesamten VZ unbeschränkt Steuerpflichtiger erzielt, sind bei der Berechnung des Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehalts einzubeziehen. Die Einbeziehung ist gem. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG prinzipiell keinen Einschränkungen ausgesetzt, insbesondere nicht solchen aus Abkommensrecht. Auch Einkünfte, die in Deutschland weder der unbeschränkten noch der beschränkten Steuerpflicht unterfallen, können nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG im Inland beim Wegzug des Steuerpflichtigen in das Ausland in dem betreffenden Kalenderjahr bei der Berechnung des Steuersatzes entsprechend berücksichtigt werden.

2. Das alles gilt im Grundsatz gleichermaßen für positive wie für negative Einkünfte und damit auch für Veräußerungsverluste, und zwar in voller Höhe:

Dass § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG (jetzt § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG n.F.) einschränkend formuliert und für außerordentliche Einkünfte den Ansatz von nur einem Fünftel anordnet, widerspricht dem nicht. Denn die Fünftel-Methode resultiert aus § 34 EStG und bezieht sich ausschließlich auf positive Einkünfte; deren "geballte" Erfassung im betreffenden VZ soll abgemildert werden. Nur deswegen greift die Fünftel-Methode auch im Rahmen der Steuersatzberechnung des § 32b EStG. Auch dort soll die an sich gesteigerte Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nur in beschränktem Umfang abgeschöpft werden.

Das alles "passt" aber eben nur auf positive, nicht aber auf negative Einkünfte. Außerordentliche Veräußerungsverluste wirken sich deshalb im Rahmen des Progressionsvorbehalts vollumfänglich aus, nicht nur zu besagtem Fünftel.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 1.2.2012 – I R 34/11

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