Leitsatz

Kosten für künstliche Befruchtungen einer 44 Jahre alten Steuerpflichtigen sind dann als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn sie in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen werden und ein Erstattungsanspruch der Steuerpflichtigen gegen ihre Krankenversicherung nicht besteht.

 

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige, Mutter zweier Kinder aus früheren Beziehungen, war seit 2004 verheiratet und machte in 2005 Aufwendungen für drei künstliche Befruchtungen in Höhe von insgesamt 12.821 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend. Aus einer ärztlichen Bescheinigung ergab sich, dass die Behandlungen entsprechend den Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung im homologen System durchgeführt worden seien. Die Krankenkasse, bei der die Steuerpflichtige freiwillig versichert war, lehnte eine Kostenerstattung ab, da die Steuerpflichtige bereits das 40. Lebensjahr vollendet hatte. Das Finanzamt versagte die Anerkennung der Kosten, da ein qualifizierter Nachweis der medizinischen Indikation durch ein vor der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches oder vertrauensärztliches Gutachten fehlte.

 

Entscheidung

Das FG gab jedoch der Steuerpflichtigen Recht und ließ die geltend gemachten Aufwendungen zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG zu. Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist entscheidend, ob die jeweilige Insemination der gezielten, medizinisch indizierten Behandlung zum Zwecke der Heilung oder Linderung der Krankheit Empfängnisunfähigkeit der Frau bzw. Zeugungsunfähigkeit des Mannes dient. Aufwendungen einer empfängnisunfähigen Frau für Maßnahmen der Fortpflanzungsmedizin, die in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen der Ärzte vorgenommen werden, sind daher als angemessene und notwendige Heilbehandlung anzusehen, die einen Kostenabzug als außergewöhnliche Belastung rechtfertigen. Aufgrund des Leistungsausschlusses der Krankenkasse ergab sich ferner auch die Zwangsläufigkeit der entstandenen Kosten.

 

Hinweis

Da die durchgeführten medizinischen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung eindeutig und unmittelbar nur dem Ersatz der gestörten Körperfunktion dienten, es sich also um eine Heilbehandlung handelte, bedurfte es entgegen der Auffassung des Finanzamts auch nicht eines vor Behandlungsbeginn eingeholten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens. Denn ein solches ist nur bei Maßnahmen erforderlich, die ihrer Art nach nicht eindeutig und unmittelbar nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist. Das FG ließ jedoch die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, da der BFH bisher noch keine Gelegenheit hatte, über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Erstattungsanspruch aus der Krankenversicherung aufgrund des Alters der Steuerpflichtigen ausgeschlossen ist.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.10.2009, 15 K 495/08

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