Leitsatz

Bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen können die Einkünfte, die dem Halb- oder Teileinkünfteverfahren unterliegen, in voller Höhe ("brutto") festgestellt werden, sofern aus den weiteren Feststellungen des Bescheids für einen verständigen Empfänger zweifelsfrei erkennbar ist, dass zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte unter Anwendung der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG ein zusätzlicher Rechenschritt notwendig ist.

 

Normenkette

§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger wurde 2004 und 2005 mit seinen Einkünften aus einer Beteiligung an der S-KG erklärungsgemäß veranlagt. Im Rahmen einer bei der S-KG durchgeführten Außenprüfung wurde festgestellt, dass die S-KG Betriebsausgaben zu Unrecht geltend gemacht hatte. Das Betriebs-FA änderte daraufhin die Feststellungsbescheide 2004 und 2005 für die KG und deren Beteiligte. Die entsprechend geminderten (negativen) Beteiligungseinkünfte des Klägers wurden nach der Formulierung "In den vorstehenden Einkünften enthaltene laufende Einkünfte, die unter §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG, § 4 Abs. 7 UmwStG fallen (100 %)" mit dem vollen Betrag ausgewiesen.

Die Feststellungsbescheide enthielten – vor der Angabe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und deren Aufteilung auf die Gesellschafter – den Hinweis "Die Besteuerungsgrundlagen für … werden für die an der vorbenannten Gesellschaft/Gemeinschaft Beteiligten wie folgt festgestellt":

Ebenso findet sich am Ende der Feststellungsbescheide – vor dem Erläuterungsteil und der Rechtsbehelfsbelehrung – der weitere Hinweis "Die festgestellten Besteuerungsgrundlagen werden den Veranlagungen der Beteiligten zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer zugrunde gelegt".

Das FA erließ nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderte ESt-Bescheide für die Streitjahre. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG München, Urteil vom 29.7.2010, 15 K 3156/08, Haufe-Index 2387183, EFG 2010, 1887).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des Klägers aus den oben dargestellten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Bis zum VZ 2003 wurden im Feststellungsverfahren nach der sog. Nettomethode die Rechtsfolgen der §§ 3 Nr. 40 EStG, 3c Abs. 2 EStG und 8b KStG bereits auf der Ebene der Personengesellschaft berücksichtigt. Während dieses Verfahren für die Gewerbesteuer beibe­halten wurde, änderte die Finanzverwaltung ab 2004 die Handhabung: Nunmehr werden im Feststellungsbescheid die Beteiligungserträge "brutto" – zu 100 % – ausgewiesen, obwohl die Beteiligungserträge bei den Anteilseignern nur anteilig entweder gem. § 8b KStG oder § 3 Nr. 40 EStG der Besteuerung unterliegen.

2. Sofern dem Feststellungsbescheid zweifelsfrei entnommen werden kann, dass die unter §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG, § 4 Abs. 7 UmwStG bzw. § 8b KStG fallenden Einkünfte nicht lediglich nachrichtlich, sondern mit erkennbarer Bindungswirkung vom Feststellungsfinanzamt an das Festsetzungsfinanzamt gemeldet worden sind, hat der BFH keine Bedenken gegen diese Art der Feststellung. Es sei für die Feststellung der einkommen- und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte ausreichend, wenn sich die Höhe dieser Einkünfte durch einen zusätzlichen Rechenschritt – d.h. durch Anwendung der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG auf die diesen Vorschriften unterfallenden Einkünfte und der entsprechenden Subtraktion bzw. Addition des Ergebnisses von bzw. zu den "brutto" festgestellten Einkünften aus Gewerbebetrieb – ergebe. Denn insoweit sind alle für die Errechnung des "Nettobetrags" der Einkünfte aus Gewerbebetrieb notwendigen Faktoren festgestellt. Ob die Vorschriften der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG oder § 8b KStG anzuwenden sind, ergibt sich zwingend aus der Rechtsform des Beteiligten.

3. Weil auch ein ggf. unter Verletzung der in der Abgrenzung von Grundlagen- und Folgebescheid liegenden Kompetenzverteilung ergangener Feststellungsbescheid wirksam und damit bindend wäre, sind die Äußerungen des X. Senats zur Rechtmäßigkeit des von der Finanzverwaltung praktizierten Verfahrens als "obiter dictum" anzusehen. Der nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO erforderliche Zusammenhang anderer Besteuerungsgrundlagen mit den dort genannten Einkünften ist dann gegeben, wenn Besteuerungsgrundlagen betroffen sind, die durch die Gesellschaft verwirklicht werden, was bei den unter §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG fallenden Einkünften der Fall ist. Durch die vom Betriebs-FA vorgenommene Darstellung der Besteuerungsgrundlagen wird sichergestellt, dass für alle Beteiligten die Höhe der den §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG unterfallenden Einkünfte bindend feststeht, sodass – dem Normzweck entsprechend – unterschiedliche Entscheidungen bei den einzelnen Feststellungsbeteiligten sowie aufwendige Rückfragen bei den Feststellungsfinanzämtern vermieden werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.7.2012 – X R 28/10

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