FinMin Thüringen, 4.10.2022, S 4501

 

1. Allgemeines

Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) vom 12. Mai 2021 (BGBl I S. 986) wurde in Ergänzung zu § 1 Absatz 2a und Absatz 2b GrEStG die Vorschrift des § 1 Absatz 2c GrEStG (sogenannte Börsenklausel) eingeführt. Danach bleiben bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes im Sinne von § 1 Absatz 2a Satz 1 und Absatz 2b Satz 1 GrEStG Übergänge von Anteilen an Kapitalgesellschaften außer Betracht, wenn

  • die Anteile zum Handel an einem organisierten Markt nach § 2 Absatz 11 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) (vgl. Tz 3.3) oder an einem als gleichwertig anerkannten Drittlandhandelsplatz zugelassen sind (vgl. Tz 3.4) und
  • der Anteilsübergang auf Grund eines Geschäfts über einen begünstigten Wertpapierhandelsplatz erfolgt (vgl. Tz 3.6).
 

2. § 1 Absatz 2a oder Absatz 2b GrEStG

Bei der Prüfung der relevanten mittelbaren Gesellschafterwechsel im Sinne des § 1 Absatz 2a GrEStG oder bei der Prüfung der relevanten unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafterwechsel im Sinne des § 1 Absatz 2b GrEStG ist für die Ermittlung des Vomhundertsatzes § 1 Absatz 2c GrEStG zu beachten.

 

3. Voraussetzungen des § 1 Absatz 2c GrEStG

Die Vorschrift des § 1 Absatz 2c GrEStG kommt in Betracht, wenn

 

3.1 Anteile an Kapitalgesellschaften

Unter § 1 Absatz 2c GrEStG fallende Kapitalgesellschaften sind Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und vergleichbare ausländische Kapitalgesellschaften, deren Anteile an Wertpapierhandelsplätzen zugelassen werden können. Bei diesen Anteilen handelt es sich regelmäßig um Aktien (vgl. beispielweise §§ 8 ff. Aktiengesetz).

Keine Anteile im Sinne des § 1 Absatz 2c GrEStG sind Wertpapiere, die sich lediglich auf die Anteile an einer Kapitalgesellschaft beziehen ohne das Eigentum an diesen Anteilen zu vermitteln. Hierzu gehören beispielsweise American Depositary Receipts (ADR).

 

3.2 Zum Handel zugelassene Anteile

Von § 1 Absatz 2c GrEStG werden nur solche Anteile an Kapitalgesellschaften erfasst, die zugelassen sind zum Handel an einem

Der Umfang von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die zum Handel zugelassen sind, hängt von der Entscheidung der Kapitalgesellschaft ab sowie vom Recht, das für den Wertpapierhandelsplatz maßgebend ist. Zum Handel zugelassene Anteile lassen sich über die Wertpapierhandelsplätze, an denen eine Zulassung erfolgt ist, identifizieren.

Anteile einer Kapitalgesellschaft können dabei an verschiedenen Wertpapierhandelsplätzen gehandelt werden. § 1 Absatz 2c GrEStG greift jedoch nur dann, wenn die Anteile an mindestens einem Wertpapierhandelsplatz zum Handel zugelassen wurden.

 

3.3 Organisierter Markt nach § 2 Absatz 11 WpHG

Organisierter Markt ist ein im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales (mehrseitiges) System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nicht diskretionären (nicht dem Ermessen des Agierenden überlassenen) Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt.

In Deutschland stellt der regulierte Markt an einer Börse einen organisierten Markt nach § 2 Absatz 11 WpHG dar. Die wichtigste Wertpapierbörse in Deutschland befindet sich in Frankfurt am Main. Weitere regionale Wertpapierbörsen existieren in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart.

Keine organisierten Märkte nach § 2 Absatz 11 WpHG stellen multilaterale Handelssysteme (MTF) im Sinne des Artikel 2 Absatz 1 Nummer 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 dar. MTF unterscheiden sich von organisierten Märkten formal dadurch, dass sie nicht als organisierter Markt öffentlich-rechtlich genehmigt, geregelt und überwacht werden. In Deutschland stellt der Freiverkehr (§ 48 des Börsengesetzes) ein MTF dar, an dem Wertpapiere nicht öffentlich-rechtlich zum Handel zugelassen, sondern auf privatrechtlicher Grundlage einbezogen werden.

 

3.4 Gleichwertiger Drittlandhandelsplatz

Drittlandhandelsplätze können von der Europäischen Kommission als gleichwertig erklärt werden (vgl. die auf der Grundlage des Artikel 25 Absatz 4 Buchstabe a der Richtlinie 2014/65/EU erlassenen Durchführungsbeschlüsse). Bisher sind nur geregelte Märkte mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika (...

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