421  Wird ein rechtlich eigenständiges Unternehmen für eine nahestehende Person als Vertreter in einem anderen Staat tätig und entsteht dadurch ein ständiger Vertreter bzw. eine Vertreterbetriebsstätte, so werden im Regelfall im Staat der Vertreterbetriebsstätte entsprechend Artikel 5 Absatz 5 OECD-MA Personalfunktionen vom Personal des Vertreters für den Vertretenen ausgeübt. In diesen Fällen ist es nicht notwendig, dass eigenes Personal des Vertretenen i.S.d. § 2 Absatz 3 BsGaV im anderen Staat in der Vertreterbetriebsstätte tätig ist. Deshalb muss nach Absatz 2 die Ausübung von Personalfunktionen durch das Personal des Vertreters dem vertretenen Unternehmen abweichend von § 2 Absatz 3 BsGaV zugerechnet werden. Sonst könnten in diesen Fällen dem vertretenen Unternehmen mangels Ausübung von Personalfunktionen durch eigenes Personal im Ausland nach den §§ 5 ff. BsGaV grundsätzlich weder Vermögenswerte noch Chancen und Risiken noch Geschäftsvorfälle zugeordnet werden, noch könnten für das vertretene Unternehmen Einkünfte entstehen, die durch einen ständigen Vertreter erzielt werden (§ 34d Nummer 2 Buchstabe a EStG) oder für die ein ständiger Vertreter bestellt ist (§ 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG).

Fall – Kapitalgesellschaft als ständiger Vertreter/Vertreterbetriebsstätte:

Unternehmen X (X) in Staat A beauftragt eine nahestehende Person, die Kapitalgesellschaft Y (Y) mit Sitz und Geschäftsleitung in Staat B, dort Waren, die X produziert hat, namens und im Auftrag von X zu verkaufen. Eigenes Personal von X ist nicht im Staat B tätig.

Lösung:

Y ist ständiger Vertreter (§ 13 AO) von X und gleichzeitig Grundlage für die Annahme einer Vertreterbetriebsstätte von X in B. Da in dieser Vertreterbetriebsstätte mangels dort tätigem eigenen Personal von X keine Personalfunktionen von X ausgeübt werden, kann X nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 5 ff. BsGaV) nichts zugeordnet werden. Nach § 39 Absatz 2 BsGaV sind aber alle Personalfunktionen, die von Personal des ständigen Vertreters (hier: Y) für den Vertretenen (hier: X) ausgeübt werden, als eigene Personalfunktionen des Vertretenen zu behandeln.

422  In vielen Fällen wird es trotz der Zurechnung der Personalfunktionen des Vertreters zum ständigen Vertreter bzw. zur Vertreterbetriebsstätte des Vertretenen zu keinem Ergebnis des ständigen Vertreters bzw. der Vertreterbetriebsstätte kommen, das über das Ergebnis des Vertreters selbst hinausgeht. Denn der für den ständigen Vertreter bzw. die Vertreterbetriebsstätte entstehende Ertrag muss im Regelfall vollständig an den Vertreter weitergegeben werden (Null-Summen-Theorie).

Fortsetzung der Lösung des Falls in Rn. 421 -Lösung nach der Null-Summen-Theorie:

Aufgrund von § 39 Absatz 2 BsGaV sind alle Vermögenswerte und Passivposten, Chancen und Risiken, die Y für seine Vertretertätigkeit braucht und die X oder Y gehören, zunächst der Vertreterbetriebsstätte/dem ständigen Vertreter (X) zuzuordnen. Das in der Hilfs- und Nebenrechnung der Vertreterbetriebsstätte/des ständigen Vertreters errechnete Ergebnis steht im Regelfall in vollem Umfang dem Vertreter Y zu (unbeschränkte Steuerpflicht in B), so dass für den ständigen Vertreter/die Vertreterbetriebsstätte kein Gewinn verbleibt (beschränkte Steuerpflicht von X in B).

423  Etwas anderes gilt aber insbesondere dann, wenn der Vertreter Risiken verwaltet, die rechtlich allein das vertretene Unternehmen, d.h. die Vertreterbetriebsstätte, zu tragen hat, d.h., die für die Risiken maßgeblichen Personalfunktionen werden von Personal des ständigen Vertreters ausgeübt, nicht von eigenem Personal des vertretenen Unternehmens, das aber allein das Risiko trägt. In diesen Fällen ist die entsprechende Risikoprämie wegen der ausgeübten Personalfunktionen der Vertreterbetriebsstätte zuzuordnen (das sind gleichzeitig die Personalfunktionen des Vertreters). Diese Risikoprämie kann entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht dem ständigen Vertreter selbst, der das Risiko zivilrechtlich nicht trägt, zugutekommen. Dem Vertreter steht nur ein Dienstleistungsentgelt für die Verwaltung der Risiken zu. In diesen Fällen entsteht ein Ergebnis der Vertreterbetriebsstätte, das von dem des Vertreters abweicht (s. auch OECD-Betriebsstättenbericht, Teil I Tz. 230 ff.).

Fortsetzung Fall Rn. 421:

Für die Verkaufstätigkeit unterhält X im Staat B bei Y ein eigenes Lager für die Waren, die bis zur Veräußerung im Eigentum von X bleiben. Personal von Y kümmert sich um das Lagergebäude, fordert die Waren bei X an, lagert sie im Lager ein und liefert die Waren aus. Eigenes Personal von X übt keine Personalfunktionen hinsichtlich des Lagers aus. Im Jahr 03 entsteht wegen eines Unwetters ein Schaden von 1 000 am Gebäude und von 500 an den eingelagerten Waren (nach Verrechnung mit Versicherungsleistungen wegen des Schadens). Y erzielt aus der Vertriebstätigkeit einen Gewinn von 200.

Lösung:

Y versteuert ihren Gewinn von 200 im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht. X erzielt aus der Tätigkeit der Vertreterbetriebsstät...

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