Geklärte und (weiterhin) ungeklärte Fragen der Organschaftsbesteuerung

[Ohne Titel]

Dipl.-Finw. Jens Herkens[*]

Die ertragsteuerliche Organschaftsbesteuerung nach §§ 14 ff. KStG und § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG hat für verbundene Unternehmen eine große Bedeutung. Der wichtigste Effekt der Organschaft besteht in der Verrechnung von Gewinnen mit Verlusten zwischen verschiedenen Gesellschaften des Organkreises. Die Rechtslage in diesem Gebiet entwickelt sich laufend weiter (zu den erbschaft- und schenkungsteuerlichen Folgen: s. Sobisch, GmbH-StB 2023, 251 [in dieser Ausgabe]. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über einige (vor kurzem) geklärte und einige (weiterhin) ungeklärte Fragen der Organschaftsbesteuerung geben.

[*] Der Autor ist beim Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Aachen tätig. Der Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

1. Voraussetzungen und Folgen der Organschaft

Die wesentlichen Voraussetzungen für eine körperschaftsteuerrechtliche bzw. gewerbesteuerrechtliche Organschaft sind:

Die Folgen der Organschaft sind ...

  • ... bei der KSt: Das (positive oder negative) Einkommen der Organgesellschaft wird dem Organträger zugerechnet (§ 14 Abs. 1 S. 1 KStG, Zurechnungskonzept[1]). Die Organschaft hat (grundsätzlich[2]) kein eigenes Einkommen.
  • ... bei der GewSt: Die Organgesellschaft gilt als Betriebsstätte des Organträgers (§ 2 Abs. 2 S. 2 GewStG, Betriebsstättenkonzept[3]).

Die Einkommenszurechnung führt vor allem zu einer steuerlichen Ergebnisverrechnung zwischen dem Einkommen der Organgesellschaft und des Organträgers.[4]

[1] Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2023, § 14 Rz. 19.
[2] Ausnahme nach § 16 KStG, wenn es Minderheitsgesellschafter gibt, die an der Organgesellschaft beteiligt sind.
[3] Organgesellschaft und Organträger ermitteln ihren Gewerbeertrag separat. Ob der Gewerbeertrag der Organgesellschaft "fortlaufend" oder insgesamt erst zum Ende des WJ dem Organträger zugerechnet wird, ist höchstrichterlich ungeklärt. Nach dem Urteil des FG Münster v. 21.3.2023 – 11 K 2517/21 G sind die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften der §§ 8, 9 GewStG ebenso wie ein Verlustuntergang durch einen Gesellschafterwechsel (§ 10a GewStG) auf einer ersten Stufe bei Organträger und Organgesellschaft separat anzuwenden und erst auf einer zweiten Stufe sind die selbständig ermittelten Gewerbeerträge von Organgesellschaft und Organträger zusammenzurechnen (a.A. Suchanek, FR 2023, 657 (661) in der Anm. zum Urteil).
[4] Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2023, § 14 Rz. 7.

2. Atypisch stille Beteiligung an Organgesellschaft

Nach Auffassung der Finanzverwaltung[5] kann eine Kapitalgesellschaft keine Organgesellschaft sein, wenn an ihrem Vermögen eine atypisch stille Beteiligung – und damit eine Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG – besteht.

Der BFH hatte diese Frage zwar in seiner Entscheidung v. 15.7.2020[6] offengelassen. Jedoch sind dazu zwei neue Revisionsverfahren beim BFH anhängig:

  • sowohl das FG Mecklenburg-Vorpommern im Urteil v. 5.7.2022[7]
  • als auch das FG Düsseldorf im Urteil v. 12.4.2021[8]

als Vorinstanzen der Revisionsverfahren sind – wie die Finanzverwaltung – der Ansicht, dass eine atypisch stille Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft für deren Stellung als Organgesellschaft schädlich ist, da nicht der "ganze Gewinn" nach der Vorgabe des § 14 Abs. 1 S. 1 KStG an ein einziges anderes Unternehmen (den Organträger) abgeführt wird.

 

Beispiel

Investor X beteiligt sich an der T-GmbH mit einer Geldeinlage gegen eine Gewinn- bzw. Verlustbeteiligung, die ertragsteuerlich als atypisch stille Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) mit der T-GmbH zu werten ist. Die T-GmbH hat mit ihrer Anteilseignerin M-GmbH seit Jahren einen anzuerkennenden (Ergebnisabführungsvertrag) EAV i.S.d. § 17 KStG abgeschlossen. Für das WJ 2022 erhält X (atypisch stiller Gesellschafter) einen Gewinnanteil i.H.v. 100.000 EUR. Der übrige Gewinn der T-GmbH i.H.v. 500.000 EUR wird in Erfüllung der Gewinnabführungsverpflichtung aus dem EAV an die Anteilseignerin (M-GmbH) abgeführt.

Lösung: Die Finanzverwaltung wird hier keine Organschaft i.S.d. §§ 14, 17 KStG anerkennen, da die atypisch stille Beteiligung an der T-GmbH (vermeintliche Organgesellschaft) nach ihrer Auffassung schädlich ist. Die T-GmbH hat ihr Einkommen daher selbst zu versteuern, da eine Einkommenszurechnun...

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