Nach Auffassung der Finanzverwaltung[5] kann eine Kapitalgesellschaft keine Organgesellschaft sein, wenn an ihrem Vermögen eine atypisch stille Beteiligung – und damit eine Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG – besteht.

Der BFH hatte diese Frage zwar in seiner Entscheidung v. 15.7.2020[6] offengelassen. Jedoch sind dazu zwei neue Revisionsverfahren beim BFH anhängig:

  • sowohl das FG Mecklenburg-Vorpommern im Urteil v. 5.7.2022[7]
  • als auch das FG Düsseldorf im Urteil v. 12.4.2021[8]

als Vorinstanzen der Revisionsverfahren sind – wie die Finanzverwaltung – der Ansicht, dass eine atypisch stille Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft für deren Stellung als Organgesellschaft schädlich ist, da nicht der "ganze Gewinn" nach der Vorgabe des § 14 Abs. 1 S. 1 KStG an ein einziges anderes Unternehmen (den Organträger) abgeführt wird.

 

Beispiel

Investor X beteiligt sich an der T-GmbH mit einer Geldeinlage gegen eine Gewinn- bzw. Verlustbeteiligung, die ertragsteuerlich als atypisch stille Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) mit der T-GmbH zu werten ist. Die T-GmbH hat mit ihrer Anteilseignerin M-GmbH seit Jahren einen anzuerkennenden (Ergebnisabführungsvertrag) EAV i.S.d. § 17 KStG abgeschlossen. Für das WJ 2022 erhält X (atypisch stiller Gesellschafter) einen Gewinnanteil i.H.v. 100.000 EUR. Der übrige Gewinn der T-GmbH i.H.v. 500.000 EUR wird in Erfüllung der Gewinnabführungsverpflichtung aus dem EAV an die Anteilseignerin (M-GmbH) abgeführt.

Lösung: Die Finanzverwaltung wird hier keine Organschaft i.S.d. §§ 14, 17 KStG anerkennen, da die atypisch stille Beteiligung an der T-GmbH (vermeintliche Organgesellschaft) nach ihrer Auffassung schädlich ist. Die T-GmbH hat ihr Einkommen daher selbst zu versteuern, da eine Einkommenszurechnung nach § 14 Abs. 1 S. 1 KStG an die M-GmbH (vermeintliche Organträgerin) unzulässig ist (verunglückte Organschaft).

Beraterhinweis Eine typisch stille Beteiligung (steuerrechtliches Fremdkapital) an der Organgesellschaft ist demgegenüber aber unschädlich.[9]

[5] OFD Frankfurt/M. v. 1.2.2023 – S 2770 A-053-St 55, DStR 2023, 776 und BMF v. 20.8.2015 – IV C 2 - S 2770/12/10001 – DOK 2015/0717655, BStBl. I 2015, 649 = GmbH-StB 2015, 317 (Weiss).
[6] BFH v. 15.7.2020 – I R 33/18, GmbHR 2021, 950 = GmbH-StB 2021, 182 (Schwetlik). In diesem Fall war die alleinige Muttergesellschaft zusätzlich vermögensmäßig zu 10 % als atypisch stille Gesellschafterin an ihrer Tochtergesellschaft beteiligt. Der Revision wurde aus verfahrensrechtlichen Gründen stattgegeben, ohne die materielle Frage zu klären.
[7] FG Mecklenburg-Vorpommern v. 5.7.2022 – 1 K 395/14 (Rev. anhängig; Az. des BFH: I R 33/22).
[8] FG Düsseldorf v. 12.4.2021 – 6 K 2616/17 K,G,F, EFG 2021, 1052 (Rev. anhängig; Az. des BFH: I R 17/21).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge