BGH-, BFH-, FG-, OLG- und LG-Entscheidungen

[Ohne Titel]

VorsRiLG Helmut Tormöhlen[*]

Als Fortsetzung der Rechtsprechungsübersicht in AO-StB 9/2022 (Tormöhlen, AO-StB 2022, 287) werden wieder praxisrelevante Entscheidungen zum Steuerstrafrecht vorgestellt, die bisher noch nicht im AO-StB besprochen wurden.

Bitte beachten Sie auch das Archiv der Entscheidungen im Volltext in Ihrem Berater-Modul "Steuerliches Verfahrensrecht" unter steuerberater-center.de.

[*] Der Autor ist Vorsitzender einer Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Halle.

I. Einziehung (§§ 73 ff. StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO)

Zwar ist in der Vorschrift des § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB nur von der Verschiebung des Erlangten selbst die Rede und nicht von der Verschiebung des Werts des Erlangten. Die Vorschrift ist aber u.U. auch auf Fälle anwendbar, in denen ein Vermögensgegenstand verschoben wird, der dem Wert des Erlangten entspricht. Dafür sprechen nicht nur der Sinn und Zweck des § 73b Abs. 1 StGB und der Grundgedanke des § 73c StGB, sondern auch der Wortlaut des § 73b Abs. 2 StGB. § 73b Abs. 2 StGB ist ersichtlich weiter gefasst als § 73 Abs. 3 StGB. Wenn eine Gesellschaft aus einer Straftat eine Steuerersparnis erzielt und den daraus resultierenden Vermögensvorteil auf eine andere Gesellschaft verschiebt, kann § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB jedenfalls i.V.m. § 73b Abs. 2 StGB anwendbar sein. Denn der im Zuge einer solchen Verschiebung überwiesene Geldbetrag ist zumindest als Gegenstand i.S.d. § 73b Abs. 2 StGB einzuordnen, der dem Wert des Erlangten entspricht (vgl. BGH v. 15.1.2020 – 1 StR 529/19, wistra 2020, 377 = NStZ 2020, 404; ferner BGH v. 19.5.2022 – 1 StR 405/21, juris; Wulf, Stbg 2020, 223).

Der erforderliche Bereicherungszusammenhang besteht jedenfalls dann, wenn eine Gesamtschau der Zahlungsflüsse den Schluss rechtfertigt, dass der Zufluss bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise aus dem Erlangten resultiert und die Transaktion erkennbar das Ziel verfolgt, dieses dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen und die Tat zu verschleiern (vgl. OLG Celle v. 2.3.2018 – 1 Ws 19/18, juris).

OLG Frankfurt v. 28.10.2021 – 3 Ws 506/21

II. Strafzumessung (§ 46 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO)

Wenn eine Nacherklärung wegen nicht nur geringfügiger Abweichung von den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen nicht zu einer Straffreiheit führt, ist zu prüfen, ob eine solche "verunglückte" Selbstanzeige zumindest strafmildernd wirken kann (so bereits BGH v. 20.11.2018 – 1 StR 349/18, wistra 2019, 341 = NStZ-RR 2019, 81; gl.A. die FinVerw. in Nr. 77 AStBV; vgl. hierzu auch Kemper in Rolletschke/Kemper/Roth, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 497 [Dezember 2019]; Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 1058.4 [Oktober 2019]; Jäger in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 370 AO Rz. 331; Hüls/Reichling in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 371 AO Rz. 306; Hadamitzky/Senge in Erbs/Kohlhaas, § 371 AO Rz. 46 [Januar 2019]; ausf. Webel in Schwarz/Pahlke, AO, § 371 Rz. 384 [November 2021]; Stahl, Selbstanzeige, 4. Aufl. 2016, Rz. 748; Schmedding in Wannemacher & Partner, 6. Aufl. 2013, Rz. 2278; Rolletschke, NZWiSt 2012, 18; Buse, AO-StB 2008, 190 [192]; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichw. "Strafzumessung bei Steuerhinterziehung" Rz. 21 [Januar 2021].

BGH v. 24.3.2022 – 1 StR 480/21

III. Verfolgungsverjährung (§§ 31 ff. OWiG i.V.m. § 377 Abs. 2 AO)

Eine in einem später mangels nachweisbaren Vorsatzes eingestellten Steuerstrafverfahren richterlich angeordnete Durchsuchung unterbricht die Verjährung bezüglich der Verfolgung wegen leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 1 AO) auch dann, wenn der Durchsuchungsbeschluss tatsächlich nicht umgesetzt wurde. Die Verjährungsunterbrechung tritt zwar auch ein, wenn die Verfolgungsbehörde (und nicht das Gericht) sie angeordnet hat. Verfolgungsbehörde ist jedoch nicht die Steuerfahndung, sondern die BuStra oder an ihrer Stelle die Staatsanwaltschaft (vgl. § 35 Abs. 1 OWiG; vgl. hierzu Tormöhlen in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 410 AO Rz. 7 [Mai 2019].

Wenn die Strafakten inzwischen vollständig vernichtet sind, kann der Nachweis, dass ein solcher Beschluss ergangen war, auch durch den Steufa-Bericht (vgl. hierzu Streck / Spatscheck / Talaska, Die Steuerfahndung, 5. Aufl. 2017, Rz. 1127 f.) geführt werden, wenn dieser einen entsprechenden Aktenvermerk enthält.

FG Münster v. 29.10.2021 – 12 K 19/14 E, AO (Rev. eingelegt; Az. des BFH: X R 7/22)

IV. Steuerhinterziehung (§ 370 AO)

1. Lohnsteuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft

Wenn der Geschäftsführer einer GmbH Lohnsteuer-Anmeldungen durch eine Steuerberatungsgesellschaft abgeben lässt, welcher er monatlich Unterlagen für die Lohnabrechnungen übermittelt, dabei aber nicht offenlegt, dass er tatsächlich mehr Arbeitnehmer beschäftigt sowie höhere Löhne gezahlt hat als in den übermittelten Unterlagen angegeben und die Mitarbeiter der Steuerberatungsgesellschaft die Anmeldungen auf Grund der übermittelten Unterlagen gutgläubig abgeben, begeht er Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft.

Die Beurteilung der Konkurrenzen (§§ 52, 53 StGB) richtet sich auch für den mittelbaren Täter nach dessen Tatbeitrag. Wenn der zur Abgabe der Steueranmeldungen verpflichtete Geschäftsführer als mittelbarer Täter, der an der unmitte...

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