1. Lohnsteuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft

Wenn der Geschäftsführer einer GmbH Lohnsteuer-Anmeldungen durch eine Steuerberatungsgesellschaft abgeben lässt, welcher er monatlich Unterlagen für die Lohnabrechnungen übermittelt, dabei aber nicht offenlegt, dass er tatsächlich mehr Arbeitnehmer beschäftigt sowie höhere Löhne gezahlt hat als in den übermittelten Unterlagen angegeben und die Mitarbeiter der Steuerberatungsgesellschaft die Anmeldungen auf Grund der übermittelten Unterlagen gutgläubig abgeben, begeht er Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft.

Die Beurteilung der Konkurrenzen (§§ 52, 53 StGB) richtet sich auch für den mittelbaren Täter nach dessen Tatbeitrag. Wenn der zur Abgabe der Steueranmeldungen verpflichtete Geschäftsführer als mittelbarer Täter, der an der unmittelbaren Ausführung der Taten nicht beteiligt ist, seinen alle Einzeldelikte fördernden Tatbeitrag bereits im Vorfeld in Form der Zuarbeit gegenüber der Steuerberatungsgesellschaft – dem Tatmittler – erbracht hat, dann werden dem Geschäftsführer die Handlungen des Tatmittlers als tateinheitlich begangen zugerechnet, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung i.S.d. § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob der als "Werkzeug" benutzte Dritte – der Tatmittler – eine oder mehrere Handlungen im konkurrenzrechtlichen Sinne verwirklicht hat, ist dann ohne Belang (vgl. auch BGH v. 16.9.2020 – 1 StR 275/20, wistra 2021, 149 = NZWiSt 2021, 110; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 370 AO Rz. 185a [Mai 2022]; Sternberg-Lieben/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 52 Rz. 21).

BGH v. 26.7.2022 – 1 StR 51/22

2. Steuerhinterziehung durch Unterlassen

Angesichts des Wortlauts der gesetzlichen Regelung ("in Unkenntnis lässt") scheidet eine Strafbarkeit wegen vollendeter Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO aus, wenn die zuständige FinBeh. zum maßgeblichen Veranlagungszeitpunkt von den wesentlichen steuerlich relevanten Umständen bereits Kenntnis hat (OLG Oldenburg v. 16.11.1998 – Ss 319/98, BeckRS 1998, 16504; v. 10.7.2018 – 1 Ss 51/18, wistra 2019, 79 = NZWiSt 2019, 145; OLG Köln, Urt. v. 31.1.2017 – 1 RVs 253/16, wistra 2017, 363 = NZWiSt 2017, 317; BayObLG v. 3.11.1989 – RReg 4 St 135/89, StV 1990, 164 = wistra 1990, 159; FG Münster v. 24.6.2022 – 4 K 135/19 E, AO-StB 2022, 289 = EFG 2022, 1429; Schott in Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 370 AO Rz. 148; str.; a.A. BFH v. 28.4.1998 – IX R 49/96, BStBl. II 19998, 458 = HFR 1998, 802 = DStZ 1998, 811; Peters in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 370 AO Rz. 148 ff. [Juli 2019]; Jäger in Klein, AO, 16. Aufl. 2022 § 370 AO Rz. 60b; offengelassen: Rolletschke in Rolletschke/Kemper/Roth, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 135a [November 2020]). Diese Rechtsauffassung widerspricht nicht der Rspr. des BGH, nach welcher es im Gegensatz zu § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO bei dem Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO auf eine Kenntnis bzw. Unkenntnis der FinBeh. nicht ankommt (vgl. BGH v. 14.12.2010 – 1 StR 275/10, wistra 2011, 186 = HFR 2011, 700).

OLG Brandenburg v. 10.2.2022 – 2 Ws 202/21

3. Umsatzsteuer-Karussellgeschäft

Wenn dem Unternehmer bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung das Nichterklären von Umsatzsteuer auf der Ausgangsseite zur Last liegt, weil er die wahren Abnehmer im Inland verschwieg und Erwerber in anderen EU-Staaten vortäuschte, setzt dies allerdings voraus, dass der Unternehmer tatsächlich Waren im eigenen Namen an andere Abnehmer im Inland veräußert hat. Denn wenn innergemeinschaftliche Lieferungen lediglich vorgetäuscht werden, die Ware aber tatsächlich im Inland veräußert wird, liegt eine bloße Nichterklärung steuerpflichtiger Inlandsumsätze vor (Jäger in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 370 Rz. 377).

Es wäre vielmehr erforderlich, dass der Unternehmer selbst einem anderen die Verfügungsmacht über Waren verschaffen konnte und verschafft hat (§ 3 Abs. 1 UStG). Dies ist aber nicht der Fall, wenn die Initiatoren des Umsatzsteuerkarussells den Unternehmer als Scheinlieferanten vorgeschoben haben. Wenn dieser insoweit keine Waren geliefert hat, liegt kein steuerbarer Umsatz vor. Falschangaben über angebliche Erwerber in anderen EU-Mitgliedstaaten sind in diesem Zusammenhang irrelevant, wenn der Angeklagte keine Scheinrechnungen mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausgestellt hat (vgl. § 14c Abs. 2 S. 2 Alt. 2, § 13a Abs. 1 Nr. 4, § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG).

BGH v. 26.7.2022 – 1 StR 134/22

4. Ausstellen von Scheinrechnungen

Durch das Ausstellen von Scheinrechnungen wird Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet, wenn der Haupttäter die Rechnungsbeträge als Betriebsausgaben verbuchen lässt und steuerlich erklärt.

Wenn durch die Einbuchung der Scheinrechnungen bei einer GmbH die Entnahme liquider Mittel durch den Gesellschafter-Geschäftsführer verschleiert wird und das so generierte Bargeld für den Lebensunterhalt der Familie sowie für Schwarzlöhne und Bestechungsgelder eingesetzt werden soll, liegen verdeckte Gewinnausschüttungen vor (vgl. hierzu Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichw. "Verdeckte Gewinnausschüttungen und Steuerhinterziehung" Rz. 2 [August 2016]. Bei d...

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