Hat der Steuerpflichtige gegenüber einer GmbH eine unternehmerische Tätigkeit unter Ausweisung von USt abgerechnet, geht das FA jedoch nachträglich von einer lohnsteuerpflichtigen Tätigkeit als Arbeitnehmer der GmbH aus und haftet die GmbH als Arbeitgeberin nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die nicht einbehaltene LSt, so muss das Betriebsstätten-FA bei der Entscheidung nach § 42d Abs. 3 S. 2 EStG, welchen der beiden Gesamtschuldner (Arbeitnehmer als Steuerschuldner der LSt oder Arbeitgeber als Haftungsschuldner) es für die LSt-Nachforderung in Anspruch nehmen will, pflichtgemäß Ermessen ausüben.

Entschließungsermessen: Auf der Grundlage einer hinreichenden Ermittlung des die Haftungs- und Steuerschuld begründenden Tatbestandes ist über die Inanspruchnahme zu entscheiden.

Auswahlermessen: In einem zweiten Schritt ist zu entscheiden, ob der Arbeitnehmer als der materiell-rechtliche Steuerschuldner oder der Arbeitgeber als Haftungsschuldner oder gegebenenfalls beide in Anspruch genommen werden sollen. Bei der Ausübung des Auswahlermessens sind Zweckmäßigkeits- und Billigkeitserwägungen anzustellen. Fehlt es im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an der erforderlichen Ermessensentscheidung des FAs, liegt ein Ermessensfehler in Form des Ermessensnichtgebrauchs vor.

Das Wohnsitz-FA ist demgegenüber nicht gehindert, im LSt-Abzugsverfahren nicht berücksichtigten Arbeitslohn in die individuelle ESt-Veranlagung des Arbeitnehmers einzubeziehen und ihn auf diese Weise in Anspruch zu nehmen. Die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers für nicht einbehaltene und abgeführte LSt durch einen ESt-Bescheid ist keine Ermessensentscheidung. Sofern von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit keine LSt einbehalten worden ist, ist der Arbeitnehmer nach § 25 EStG zu veranlagen.

FG Bremen v. 21.10.2020 – 1 V 82/20, rkr.

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