[Ohne Titel]

Dipl.-Finw. (FH) Christian Anemüller[*]

[*] Der Autor ist in der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. Der Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

I. Allgemeines

Die Finanzverwaltung hat in mehreren Schreiben zu den Änderungen bei der Besteuerung der Kapitaleinkünfte und zu den Änderungen zwecks Ausstellung von Steuerbescheinigungen nach § 45a Abs. 2, 3 EStG Stellung genommen. Der Beitrag stellt die wichtigsten Änderungen aus den BMF-Schreiben vor soweit sie den privaten Anleger betreffen.

II. Änderungen im BMF-Schreiben zur Abgeltungsteuer vom 19.2.2021

Im Schreiben vom 19.2.2021 (BMF v. 19.2.2021 – IV C 1 - S 2252/19/10003:007, BStBl. I 2021, 296) hat der BMF ergänzend zu Einzelfragen zur Abgeltungsteuer Stellung genommen, welche die Einordnung von Zertifikaten und die steuerliche Behandlung negativer Einlagezinsen betreffen. Ausschlaggebend für die Änderungen sind die Rspr. des BFH als auch die jüngeren Entwicklungen bei der Kapitalanlage auf Seiten der Kreditwirtschaft.

1. Zertifikate (Rz. 57)

Bei Zertifikaten handelt es sich um Schuldverschreibungen, die über derivative Komponenten verfügen. Sie bilden die Wertentwicklung einer anderen Anlageart ab. Derartige Zertifikate beziehen sich auf den Verlauf eines Basiswerts. Neben Aktien oder Börsenindizes können z.B. auch Rohstoffe einen solchen Basiswert darstellen. Die Laufzeit kann zeitlich beschränkt (Fälligkeitszertifikate) oder unbegrenzt sein. Bei Zertifikaten handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen. Die Emissionsbedingungen von Zertifikaten können zum Fälligkeitstag die Zahlung von Geld oder die Lieferung eines Basiswertes vorsehen.

Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass die Einnahmen im Fall der Veräußerung oder Einlösung von Inhaberschuldverschreibungen, die einen Lieferanspruch auf Gold oder einen anderen Rohstoff verbriefen und durch Gold oder einen anderen Rohstoff in physischer Form nicht gedeckt sind, Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG darstellen.

Beraterhinweis Vor 2009 angeschaffte Zertifikate sind im Fall der Veräußerung oder Einlösung nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig, es sei denn, die Anschaffung ist nach dem 14.3.2007 erfolgt (vgl. § 52 Abs. 28 Satz 17 EStG). Bei Veräußerung oder Einlösung solcher Zertifikate bis zum 30.6.2009 kommt ggf. eine Besteuerung unter den Voraussetzungen des § 23 EStG in Betracht.

Für den Fall, dass die Vertrags-/Emissionsbedingungen vorsehen, dass der Emittent das zur Verfügung gestellte Kapital nahezu vollständig in Gold oder einen anderen Rohstoff zu investieren hat und besteht ausschließlich ein Anspruch auf Auslieferung des hinterlegten Rohstoffs oder ein Anspruch auf Auszahlung des Erlöses aus der Veräußerung des Rohstoffs durch den Emittenten, liegt keine Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, sondern ein Sachleistungsanspruch vor (vgl. BFH v. 12.5.2015 – VIII R 35/14, BStBl. II 2015, 834 = EStB 2015, 398 [Cornelius] und BFH v. 16.6.2020 – VIII R 7/17, BStBl. II 2021, 9 = ErbStB 2020, 349 [Günther]). In derartigen Fällen kommt unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ein privates Veräußerungsgeschäft in Betracht.

Beraterhinweis Für die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne sind diese Grundsätze auf alle offenen Fälle anzuwenden. Bitte beachten Sie: Für Zwecke der Erhebung von Kapitalertragsteuer durch inländische Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitute wird seitens der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn die Änderung der Rz. 57 i.d.F. des o.g. BMF-Schreibens auf Kapitalerträge, die ab dem 1.1.2021 zufließen, angewendet wird.

2. Negative Zinsen (Rz. 129a)

Behält ein Kreditinstitut negative Einlagezinsen für die Überlassung von Kapital ein, stellen diese negativen Einlagezinsen keine Zinsen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar, da sie nicht vom Kapitalnehmer an den Kapitalgeber als Entgelt für die Überlassung von Kapital gezahlt werden. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass es sich wirtschaftlich gesehen vielmehr um eine Art Verwahr- und Einlagegebühr handelt, die bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Werbungskosten vom Sparer-Pauschbetrag gem. § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG erfasst sind.

Neu in das Abgeltungsteuerschreiben wurden Ausführungen aufgenommen, welche Anlageprodukte mit gestaffelten Zinskomponenten (sog. Staffelzinsen) betreffen. Demnach ist bei derartigen Anlageprodukten auf die Gesamtverzinsung im Zeitpunkt des Zuflusses abzustellen. Ist die Gesamtverzinsung positiv, so handelt es sich insgesamt um Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Eine negative Gesamtverzinsung ist hingegen stets insgesamt als Verwahr- oder Einlagegebühr zu behandeln.

 

Beispiel 1

Die Zinskonditionen für ein Anlageprodukt (Tagesgeld) sind wie folgt ausgestaltet:

  • von 0 EUR bis 500.000 EUR positiver Zins (0,1 % p.a.)
  • von 500.000,01 EUR bis 1.000.000 EUR keine Verzinsung
  • ab 1.000.000,01 EUR negativer Zins (-0,05 % p.a.)

Es werden 1.500.000 EUR vom 1.1. – 31.3. angelegt. Die Zinsgutschrift erfolgt am 31.3.

Lösung

Auf den ersten Teilbetrag i.H.v. 500.000 EUR entfällt ein positiver Zins i.H.v. 125 EUR (500.000 EUR x 0,1...

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