Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens. Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen. Anforderungen an die Gewährung einer Restschuldbefreiung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Umstand, dass der verheiratete Schuldner für seinen Lohnsteuerabzug während des Verfahrens zur Restschuldbefreiung nicht die zu einem höheren Nettoeinkommen führende Steuerklasse III gewählt hat, rechtfertigt keine Versagung der Restschuldbefreiung wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

2. Es gibt keine Verpflichtung des Ehegatten, zugunsten der Gläubiger des anderen Ehegatten einer vom gesetzlichen Regelfall des § 38b Abs. 1 Nr. 4 EStG abweichenden Wahl der Steuerklassen zuzustimmen, die für ihn selbst nachteilig ist.

3. Auch im Verfahren um die Zulässigkeit eines Versagungsantrags nach § 296 InsO ist es nicht Sache des Gerichts, den Antragsteller bei der Beschaffung der erforderlichen Beweismittel zur Glaubhaftmachung durch Amtsermittlungen oder die Vernehmung des Schuldners zu unterstützen.

4. Über einen unzulässigen Versagungsantrag nach § 296 InsO kann ohne Anhörung des Schuldners, des Treuhänders oder der Insolvenzgläubiger entschieden werden.

 

Normenkette

EGInsO Art. 107; InsO §§ 200, 289, 291

 

Verfahrensgang

BGH (Entscheidung vom 23.03.1983; Aktenzeichen IVb ZR 369/81)

 

Tatbestand

I.

Aufgrund des Schlusstermins v. 25.04.2001 wurde dem Schuldner durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom selben Tag die Restschuldbefreiung angekündigt (§§ 289, 291 InsO) und festgestellt, dass die Laufzeit der Abtretungserklärung fünf Jahre ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens beträgt (Art. 107 EGInsO). Durch Beschl. v. 07.08.2001 wurde das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung aufgehoben (§ 200 InsO). Beide Beschlüsse sind rechtskräftig.

Die Antragstellerin (Stadtsparkasse O) ist Insolvenzgläubigerin mit einer zur Tabelle festgestellten Forderung i.H.v. 54.742,01 DM (= 27.989,15 Euro) Sie beantragt mit Schreiben v. 25.09.2001, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, weil er gegen die Obliegenheiten zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO) verstoßen habe.

Sie trägt dazu vor: Der Schuldner sei nach den Angaben, die er im Schuldenbereinigungsverfahren gemacht habe, bei der P GmbH beschäftigt. Mit deren Geschäftsführerin sei er seit April 1999 verheiratet. Er sei zumindest seit Dezember 1999 lohnsteuerrechtlich der Steuerklasse IV zugeordnet und habe im Dezember 1999 ein Nettoeinkommen von 2.727,84 DM (= 1394,72 Euro) erzielt. Es sei zu unterstellen, dass diese Einkommenslage noch heute bestehe. Wenn der Schuldner statt der Steuerklasse IV die Steuerklasse III gewählt hätte, würde sich sein monatliches Nettoeinkommen um ca. 700,00 DM (= 357,90 Euro) erhöhen. Dieses Geld stünde sodann zur Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO ergebe sich die Obliegenheit des Schuldners zur Verbesserung der vom Treuhänder auszuschüttenden Quote alle steuerlichen Mittel zu nutzen, um das höchstmögliche Nettoeinkommen zu erzielen. Dieser Verpflichtung sei er nicht nachgekommen, weil er nicht zumindest nach Ankündigung der Restschuldbefreiung die günstigere Steuerklasse III gewählt habe. Außerdem könne angesichts seiner Ehe mit der Geschäftsführerin seiner Arbeitgeberin weder von einem reinen Angestelltenverhältnis noch von einer angemessenen Erwerbstätigkeit gesprochen werden.

Die Antragstellerin beantragt ergänzend, den Schuldner zur Auskunft über die Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit aufzufordern. Der Schuldner ist zum Versagungsantrag nicht angehört worden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Versagungsantrag ist unzulässig. Es fehlt die erforderliche Glaubhaftmachung eines gesetzlichen Versagungsgrundes.

1.

Ein Versagungsantrag, der auf die Verletzung einer Obliegenheit des Schuldners gestützt wird, ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 Satz 1, 2, § 295 Abs. 1 InsO glaubhaft gemacht werden (§ 296 Abs. 1 Satz 3 InsO). Die Glaubhaftmachung hat auch im Verfahren zur Restschuldbefreiung durch Vorlage präsenter Beweismittel zu erfolgen, aus denen sich ergibt, dass die aufgestellten Behauptungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutreffen (§ 4 InsO, § 294 ZPO). Deshalb setzt jede Glaubhaftmachung zunächst voraus, dass der Antragsteller Tatsachen schildert, aus denen sich schlüssig die Verletzung einer Obliegenheit durch den Schuldner und die weiteren, in § 296 Abs. 1 Satz 1, 2 InsO genannten Voraussetzungen ergeben. Nur zur Frage des Verschuldens braucht er i.E. keine Angaben zu machen, weil es nach der gesetzlichen Beweislastregelung des letzten Halbsatzes des § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO Sache des Schuldners ist, darzulegen und zu beweisen, dass ihn kein Verschulden an der Obliegenheitsverletzung trifft.

2.

Im vorliegenden Fall ist das Vorbringen der Antragstellerin teils aus rechtlichen und teils aus tatsächlichen Gründen nicht schlüssig.

a)

Der Umstand, dass der ...

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