Die Neutralität des Umsatzsteuerrechts gebietet es, dass der entstehenden Umsatzsteuer beim vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger immer eine gleich hohe Vorsteuerabzugsberechtigung gegenübersteht. Berechnungsgrundlage für die bei dem leistenden Unternehmer entstehende Umsatzsteuer und damit auch die Grundlage für den Vorsteuerabzug ist die Bemessungsgrundlage nach § 10 UStG. Dabei soll aber endgültig nur das der Besteuerung unterliegen, was der leistende Unternehmer für die von ihm ausgeführte Leistung tatsächlich erhält. Der leistende Unternehmer muss aber – soweit er die Sollversteuerung (Besteuerung nach vereinbarten Entgelten) nach § 16 Abs. 1 UStG anwendet – die Umsatzsteuer schon im Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung anmelden und für diesen Zeitraum die Umsatzsteuer an sein Finanzamt abführen, soweit sich eine Zahllast aus der Voranmeldung ergibt. Ebenso hat der Leistungsempfänger, wenn ihm gegenüber die Leistung ausgeführt wurde und er eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegen hat, den Vorsteuerabzug aus der erhaltenen Leistung unabhängig von einer von ihm vorgenommenen Zahlung.[1] Soweit sich diese Bemessungsgrundlage in einem Besteuerungszeitraum ändert, der auf die Entstehung der Umsatzsteuer oder der Vorsteuerabzugsberechtigung folgt, ergibt sich die Notwendigkeit einer Anpassung der Umsatzsteuer und der Vorsteuer nach § 17 Abs. 1 UStG. Unerheblich ist dabei, aus welchem Grund sich die Bemessungsgrundlage geändert hat.

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, ergeben sich grds.die nachstehenden Rechtsfolgen:

  • Der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, muss den dafür geschuldeten Steuerbetrag berichtigen.
  • Der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, hat den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen.
 
Wichtig

Berichtigungspflicht ergibt sich aus dem Gesetz

§ 17 UStG schreibt die Berichtigung für die an dem Umsatz beteiligten Personen gesetzlich vor. Eine abschließende Definition, was unter einer Änderung der Bemessungsgrundlage zu verstehen ist, enthält das Gesetz nicht.

Die Berichtigung ist nicht an die Ausstellung einer berichtigten Rechnung oder eine Mitteilung des leistenden Unternehmers an den Leistungsempfänger gebunden, lediglich bei einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage ist der erhöhte Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers davon abhängig, dass ihm eine berichtigte Rechnung vorliegt. Wie die Änderung der Bemessungsgrundlage zwischen den Beteiligten bezeichnet wird, ist ebenfalls nicht entscheidend, es kommt darauf an, ob es sich wirtschaftlich um eine Änderung im Zusammenhang mit einem steuerpflichtigen Umsatz handelt.[2]

Eine Änderung der Bemessungsgrundlage setzt nach nationaler Sichtweise immer voraus, dass das überzahlte Entgelt auch an den Zahlenden zurückgezahlt worden ist.[3] Dies wirkt sich nach der Rechtsprechung des EuGH auch auf die Berichtigung eines Vorsteuerabzugs für Anzahlungen bei Insolvenz des Auftragnehmers aus. Der EuGH[4] und nachfolgend der BFH[5] haben festgestellt, dass es unionsrechtskonform ist, dass die Berichtigung des Vorsteuerabzugs eine Rückzahlung voraussetzt. Für den Vorsteuerabzug aus der Anzahlung ist es aber Voraussetzung, dass die Leistung genau bestimmbar ist und die Ausführung der Leistung zumindest im Zeitpunkt der Anzahlung für den Anzahlenden sicher erschien.

 
Praxis-Beispiel

Rückzahlung als Voraussetzung einer Änderung der Bemessungsgrundlage

Auftraggeber A hat eine Maschine bei dem Unternehmer U bestellt und eine Anzahlung i. H. v. 119.000 EUR geleistet. Da ihm eine ordnungsgemäße Anzahlungsrechnung vorliegt, zieht A im Dezember 2021 Vorsteuer von 19.000 EUR nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG ab. Im Juni 2022 wird über das Vermögen des U das Insolvenzverfahren eröffnet und kurze Zeit später mangels Masse eingestellt. Die Anzahlung ist für A in vollem Umfang verloren.

Grundsätzlich läge eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor. Da U aber die erhaltene Anzahlung nicht wieder zurückgezahlt hat, kommt es für A nicht zu einer Korrektur seines Vorsteuerabzugs, da im Zeitpunkt der Anzahlung die Lieferung für den bestellenden Unternehmer sicher erschien.

[1] § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG. Nach EuGH, Urteil v. 10.2.2022, C-9/20 (Grundstücksgemeinschaft Kollaustr.) ist allerdings der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers von der Zahlung abhängig, wenn der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten (Istbesteuerung nach § 20 UStG) schuldet. Nach Art. 167 MwStSystRL kann der Vorsteuerabzug erst dann in Anspruch genommen werden, wenn die Umsatzsteuer bei dem leistenden Unternehmer entstanden ist.
[3] BFH, Urteil v. 15.9.2011, V R 36/09, BStBl 2012 II S. 365 zur Rückzahlung von Entgelten einer Fluggesellschaft bei nicht in Anspruch genommenen Flügen; BFH, Urteil v. 18.9.2008, V R 56/06, BStBl 2009 II S. 250 sowie BFH, Urteil v. 2.9...

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