Leitsatz

Der Sozialhilfeträger ist grundsätzlich nicht abzweigungsberechtigt, wenn er Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII für ein Kind mit Schwerbehinderung zahlt, das im Haushalt des Kindergeldberechtigten untergebracht ist.

 

Normenkette

§ 74 EStG, §§ 41 ff. SGB XII, § 5 AO, § 102 FGO

 

Sachverhalt

Der Landkreis beanspruchte die Abzweigung des Kindergeldes für das schwer (80 %, Merkzeichen B, G und H) behinderte Kind der Beigeladenen. Das FG (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10.11.2011, 5 K 454/11, Haufe-Index 2829959, EFG 2012, 629) entschied, dass die Abzweigung von Kindergeld an den Träger der Sozialhilfe, der gegenüber einem volljährigen behinderten im Haushalt der Eltern lebenden Kind Grundsicherungsleistungen erbringe, grundsätzlich ausgeschlossen sei. Da bei der Zahlung von Grundsicherungsleistungen gem. § 43 Abs. 2 SGB XII keine Prüfung der Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Eltern erfolge, sei diese Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes auch im Verfahren der Abzweigung des Kindergelds an den Träger der Sozialhilfe zu beachten.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte im Ergebnis das FG. Selbst wenn zugunsten des Klägers davon auszugehen wäre, dass sich aus der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach §§ 41ff. SGB XII ergibt, dass die Beigeladene im Umfang dieser Grundsicherung "mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig" gewesen sein sollte, komme eine Abzweigung nicht in Betracht, soweit der Kindergeldberechtigte trotz dieser Grundsicherungsleistungen – wie im Streitfall – eigene Unterhaltsleistungen erbringe.

 

Hinweis

Nach § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt. Es handelt sich hierbei um eine Ermessensentscheidung.

Bei der Ausübung des Ermessens, ob und in welcher Höhe das Kindergeld an Sozialleistungsträger abzuzweigen ist, sind auch geringe Unterhaltsleistungen der Eltern zu berücksichtigen. Eine Abzweigung scheidet aus, wenn der kindergeldberechtigte Elternteil durch Übernahme eines Kostenbeitrags und durch Gewährung von Unterkunft Unterhaltsleistungen mindestens in der Höhe des gesetzlichen Kindergeldbetrags für ein volljähriges behindertes Kind erbringt, das nicht vollstationär untergebracht ist, sondern sich über Nacht und an freien Tagen im Haushalt des Kindergeldberechtigten befindet (Rechtsprechung und auch die DA-FAmEStG).

Für die Konkretisierung, ob unterhaltsbezogene Aufwendungen durch die Unterbringung des Kindes im Haushalt vorliegen, ist der bürgerlich-rechtliche Unterhaltsbegriff entscheidend und daher, ob es sich hierbei um Aufwendungen handelt, die als Erfüllung der Unterhaltspflicht nach § 1610 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu beurteilen sind. Das "Maß" des bürgerlich-rechtlich zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich "nach der Lebensstellung des Bedürftigen" als sog. "angemessener Unterhalt" (§ 1610 Abs. 1 BGB), wobei der Unterhalt gem. § 1610 Abs. 2 BGB "den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung" umfasst. Die Unterhaltspflicht der Eltern ist nicht auf die Höhe von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII begrenzt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.4.2013 – V R 48/11

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