Leitsatz

Art. 73b Abs. 1 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG) i.V.m. Art. 73d EG-Vertrag (jetzt Art. 58 EG) ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die für die Berechnung der Steuer auf einen Nachlass, der aus in diesem Staat belegenem Vermögen und einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Vermögensgegenstand besteht,

  • vorsieht, dass der in diesem anderen Mitgliedstaat belegene Vermögensgegenstand mit seinem gemeinen Wert angesetzt wird, während für einen gleichartigen inländischen Vermögensgegenstand ein besonderes Bewertungsverfahren gilt, dessen Ergebnisse durchschnittlich nur 10 % dieses gemeinen Werts erreichen, und
  • die Anwendung eines gegenstandsbezogenen Freibetrags sowie die Berücksichtigung des verbliebenen Werts lediglich i.H.v. 60 % inländischem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen vorbehält.
 

Normenkette

Art. 73b Abs. 1, Art. 73d Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 EGV, § 12 Abs. 3 und Abs. 6, § 13a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Nr. 2, § 21 Abs. 1 ErbStG, § 9 Abs. 2, § 31, §§ 140 bis 144 BewG

 

Sachverhalt

Der Kläger hat 1998 seine zuletzt in der Pfalz lebende Mutter allein beerbt. Der Nachlass bestand aus nicht begünstigtem Inlandsvermögen und land- und forstwirtschaftlichem Vermögen in Frankreich, das bereits in der Hand der Mutter nach deutschem Ertragsteuerrecht zum Betriebsvermögen zweier Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gehört hatte. In Frankreich war für den mit dem Verkehrswert bewerteten Grundbesitz eine ErbSt von 354 306 DM erhoben worden. Nach verhältnismäßiger Aufteilung und Anrechnung der französischen Steuer i.H.v. 236 644 DM wurde für das Inlandsvermögen eine Steuer von 17 405 DM festgesetzt.

Der Kläger verlangte, die französische Steuer in voller Höhe anzurechnen, weil sich durch die nur teilweise Anrechnung eine höhere deutsche ErbSt auf das Inlandsvermögen ergab, als angefallen wäre, wenn der streitbefangene Grundbesitz im Inland läge. Dann wäre er nach den §§ 140 ff. BewG und nicht nach § 31 BewG bewertet worden. Zusätzlich wären die Vergünstigungen des § 13a ErbStG zu gewähren gewesen. Wegen Zweifeln, ob § 31 BewG und § 13a ErbStG mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar sind, hatte der BFH mit Beschluss vom 11.04.2006, II R 35/05 (BFH-PR 2006, 323) den EuGH angerufen.

 

Entscheidung

Der EuGH hielt beide Vorschriften insoweit für nicht vereinbar mit Art. 73b Abs. 1 EGV -- jetzt Art. 56 Abs. 1 EG -- als die Belegenheit eines Wirtschaftsguts im Ausland -- mit Auswirkung auf die Belastung des Inlandsvermögens -- zu einem wesentlich höheren Wertansatz führte und die Vergünstigungen für den Erwerb land- und forstwirtschaftlichen Vermögens auf Inlandsvermögen beschränkt blieb.

 

Hinweis

1. Der EuGH bleibt dabei, dass es sich beim Erwerb von Todes wegen um Kapitalverkehr i.S.d. Art. 73b EGV/Art. 56 EG handelt. Lebten der ­Erblasser und der Erbe in verschiednen Mitgliedstaaten und ist das Erblasservermögen auf diese Staaten verteilt, liegt überdies kein reiner Inlandsfall vor.

2. Nationale Vorschriften, die den Wert eines Nachlasses dadurch mindern, dass die im Ausland belegenen Vermögensteile höher besteuert werden, als sie bei Belegenheit im Inland besteuert würden, beschränken den Kapitalverkehr. Mit der höheren Besteuerung ist dabei die deutsche ErbSt vor der verhältnismäßigen Aufteilung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG gemeint.

3. Abzustellen ist auf die Europarechtslage zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Ohne Bedeutung ist die Rechtslage beim Erwerb des Auslandsvermögens durch den Erblasser.

4. Die Gewährung von Steuervergünstigungen auf dem Gebiet der ErbSt darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass der von Todes wegen erworbene Vermögensgegenstand im Inland belegen ist.

5. Die durch die §§ 31 BewG und 13a ErbStG bewirkten Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs lassen sich durch keine Bestimmungen des EGV rechtfertigen.

a) Mit dem nationalen Steuervorbehalt des Art. 73d Abs. 1 Buchst. a EGV/Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG lassen sich Regelungen wie die in § 31 BewG und § 13a ErbStG nicht rechtfertigen, und zwar unabhängig davon, seit wann sie in Geltung sind. Dem steht Art. 73d Abs. 3 EGV/Art. 58 Abs. 3 EG entgegen. Danach sind Unterscheidungen nach der Belegenheit des Vermögens nur dann mit dem freien Kapitalverkehr vereinbar, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder wenn die Unterscheidung aus Gründen des Allgemeininteresses zwingend geboten ist. Keine der beiden Voraussetzungen ist vorliegend gegeben.

b) Hinsichtlich des Normzwecks des § 13a ErbStG spricht nichts dafür, dass sich die Betriebe in anderen Mitgliedstaaten in einer nicht vergleichbaren Situation wie die im Inland angesiedelten Betriebe befinden.

6. Es mag zwar schwierig sein, das Bewertungsverfahren der §§ 140 ff. BewG auf Auslandsvermögen zu übertragen; aber zur Lieferung der dafür erforderlichen Angaben kann der Steuerpflichtige herangezogen werden.

7. Was die Vergünstigung des § 13a ErbStG ...

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