Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch für Spätaussiedler bereits ab dem Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland

 

Leitsatz (redaktionell)

Spätaussiedler, denen diese Eigenschaft gemäß § 15 BVFG durch das Bundesverwaltungsamt bescheinigt wird, erfüllen bereits ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise nach Deutschland, mit der sie in Deutschland einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, und nicht erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 BVFG die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 und können bereits ab dem Zeitpunkt der Einreise einen Kindergeldanspruch haben. Die Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 BVFG, in dem das Datum der Einreise vermerkt ist, wirkt insoweit auf das Datum der Einreise zurück.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig sind der Anspruch auf Kindergeld für den Monat Dezember 2020 sowie der Anspruch auf die Einmalzahlung nach § 66 Abs. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) i.d.F. vom 29. Juni 2020 (Kinderbonus für 2020) für die Kinder der Klägerin A, geboren am XX.XX.2014, und S, geboren am XX.XX.2016.

Die Klägerin ist Mutter der genannten Kinder. Sie reiste zusammen mit den Kindern und ihrem Ehemann als Spätaussiedlerin am 3. Dezember 2020 nach Deutschland ein.

Nach der Einreise der Klägerin und Registrierung in F wurde durch das Bundesverwaltungsamt das Bescheinigungsverfahren eingeleitet. Die Bescheinigung nach § 15 Bundesvertriebenengesetz (BVFG), die die Spätaussiedlereigenschaft der Klägerin nachweist, wurde vom Bundesverwaltungsamt am 13. Januar 2021 ausgestellt und enthielt als Datum des Beginns des ständigen Aufenthalts im Bundesgebiet den 3. Dezember 2020.

Nach Erhalt der Bescheinigung, des Personalausweises am 28. Januar 2021 und der Identifikationsnummer beantragte die Klägerin am 8. Februar die Festsetzung des Kindergeldes ab der Einreise und dem ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Mit dem Antrag vom 13. April 2021 beantragte die Klägerin zudem die Gewährung der Einmalzahlung (Kinderbonus 2020).

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 19. April 2021 die Gewährung von Kindergeld für den Monat Dezember 2020 mit der Begründung ab, die Spätaussiedlereigenschaft sei erst am 13. Januar 2021 zuerkannt worden.

Mit weiterem Bescheid vom 19. April 2021 lehnte die Beklagte auch die Gewährung des Kinderbonus für 2020 ab, weil für die Klägerin im Jahr 2020 kein Anspruch auf Kindergeld bestehe.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin jeweils am 27. April 2021 Einsprüche ein, die die Beklagte unter Aufrechterhaltung ihrer bereits geäußerten Auffassung durch Einspruchsentscheidungen vom 6. Mai 2021 als unbegründet zurückwies.

Mit der hiergegen am 8. Juni 2021 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihre Begehren weiter. Nach ihrer Auffassung genüge für den Anspruch auf Kindergeld und damit auch den Kinderbonus bereits die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet sowie die damit verbundene Eigenschaft als Statusdeutsche. Die vom Bundesverwaltungsamt nach § 15 BVFG ausgestellte Bescheinigung wirke nicht konstitutiv für den Kindergeldanspruch, sondern entfalte als rein deklaratorische Feststellung Rückwirkung auf den Zeitraum ab der Einreise.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 19. April 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 6. Mai 2021 zu verpflichten, Kindergeld für den Zeitraum Dezember 2020 sowie den Einmalbetrag von 300 Euro je Kind für 2020 für die Kinder A, geboren am XX.XX.2014, und S, geboren am XX.XX.2016, festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung in den Einspruchsentscheidungen fest und verweist dazu insbesondere auf Abschnitt A.2.1.1 Abs. 2 ihrer Dienstanweisung zum Kindergeld. Demnach bestehe der Anspruch von Spätaussiedlern auf Kindergeld erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung durch das Bundesverwaltungsamt, weil diese erst mit Ausstellung der Bescheinigung nach § 7 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben würden, sodass die Klägerin für den Monat Dezember 2020 noch keinen Anspruch auf Kindergeld habe.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet einer Entscheidung durch den Berichterstatter zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung und gemäß § 79a Abs. 3 und 4 FGO durch den Berichterstatter entscheidet, ist begründet.

Die Ablehnungsbescheide vom 19. April 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 6. Mai 2021 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld für den Monat Dezember 2020 sowie auf die Festsetzung des Kinderbonus für 2020 für ihre beiden Kinder A und S (§ 101 Satz 1 FGO).

I. Der Anspruch auf Kindergeld für den Monat Dezember 2020 ergibt sich aus den §§ 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 32 Abs....

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