Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifbegünstigung bei mehrjähriger Tätigkeit gem. § 34 Abs 3 EStG. Einkommensteuer 1993

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 3 EStG (i.d.F. ab 1990) kann die Tarifbegünstigung beansprucht werden für Vergütungen, die für eine „mehrjährige” Tätigkeit gezahlt werden.

2. Die Tätigkeit muss sich über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckt haben, sie muss aber eine Dauer von mindestens 12 Monaten nicht erreichen.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.10.2004; Aktenzeichen VI R 46/99)

 

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid 1993 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 18.06.1996 wird dahin abgeändert, dass von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein Betrag von 108.835 DM gem. § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz tarifbegünstigt zu versteuern ist. Die Ausrechnung der danach zu zahlenden Einkommensteuer wird dem Finanzamt übertragen. Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Dem Finanzamt wird Vollstreckungsnachlass gegen Sicherheitsleistung gewährt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob dem Kläger (Kl.) nachträglich gezahlte Bezüge teilweise gem. § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) tarifbegünstigt zu versteuern sind.

Der Kl. war im Streitjahr 1993, wie auch schon im Vorjahr, nichtselbständig beschäftigt. Der Arbeitgeber des Kl. sprach dem Kl. gegenüber Kündigungen aus, die nach Auffassung des Kl. „letztlich unberechtigt” waren. Wegen der Kündigungen wurde dem Kl. teilweise nur eine verkürzte Vergütung, teilweise, so im zweiten Halbjahr 1992, überhaupt keine Vergütung mehr gezahlt. Der Kl. strengte gegen seinen Arbeitgeber einen Arbeitsgerichtsprozess an. Der Arbeitsgerichtsprozess endete im Streitjahr mit einem Vergleich. Danach verpflichtete sich der Arbeitgeber, für die Zeit vom 23.06.1992 bis einschl. 28.02.1993 Vergütungen im Gesamtbetrag von 108.835 DM nachzuzahlen. Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere wegen Höhe der Beträge im Einzelnen, wird auf die Bescheinigung des Arbeitgebers vom 07.04.1994 verwiesen (Einkommensteuerakte – EStA – 1993 S. 10). Der Arbeitgeber zahlte den Nachzahlungsbetrag im Mai 1993 in einem Betrage an den Kl. aus.

Der Kl. begehrte bei seiner Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr, ihm für den auf das Vorjahr entfallenden Teilbetrag des Nachzahlungsbetrages in Höhe von 96.099 DM die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG zu gewähren. Das Finanzamt (FA) lehnte dies ab, weil es sich bei dem nachgezahlten Betrag von 96.099 DM lediglich um Arbeitslohn für eine im Vorjahr (1992) ausgeübte Tätigkeit gehandelt habe, also nicht um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Einspruchsbescheid vom 18.06.1996 verwiesen. Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kl. meint im Klageverfahren nunmehr, er könne für den gesamten Nachzahlungsbetrag (108.835 DM) die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch nehmen. Es handele sich bei dem nachgezahlten Betrag um die Vergütung für eine fast dreivierteljährige Tätigkeit, die im Zeitpunkt der Nachzahlung im Jahre 1993 mit der Vergütung für die Tätigkeit des Kl. in diesem Jahr zusammengefallen sei und deshalb zu einer erheblichen Zusammenballung von Entgelten geführt habe. Nach dem Zweck des Gesetzes solle die Tarifvergünstigung gerade derartige Steuermehrbelastungen ausgleichen.

Der Kl. beantragt sinngemäß,

wie erkannt zu entscheiden.

Das FA beantragt

Klagabweisung

und bleibt bei seiner Auffassung, der Kl. könne die Tarifbegünstigung nicht in Anspruch nehmen. Die Tarifbegünstigung komme nur für eine „mehrjährige Tätigkeit” in Betracht, wie sich aus § 34 Abs. 3 EStG ergebe. Eine solche Tätigkeit liege jedoch nur vor, wenn sie sich über mehr als 12 Monate erstreckt habe. Das seihier jedoch nicht der Fall gewesen. Das FA beruft sich hierzu auf die Lohnsteuerrichtlinien – LStR – (Abschn. 102 der LStR 1993).

Beide Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der Kl. kann für die nachgezahlte Vergütung eine Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch nehmen.

Nach § 34 Abs. 3 des EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung kann eine Tarifbegünstigung beansprucht werden für Vergütungen, die für eine „mehrjährige” Tätigkeit gezahlt werden. Eine solche mehrjährige Tätigkeit ist dem Kl. hier durch die Nachzahlung vergütet worden. Das Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung gilt so seit dem Jahre 1990. Schon die Vorgänger-Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG sah allerdings eine ähnliche Steuervergünstigung für Vergütungen dieser Art vor. Nach dem Wortlaut des bis zum Jahre 1989 geltenden Gesetzes waren von der Begünstigung Einkünfte betroffen, „die die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre ersteckt”. Zu dieser Tatbestandsvoraussetzung der Vorgänger-Vorschrift hat der Bundesfinanzhof – BFH – in Abkehr von der Rechtsprechung des Re...

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