Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.08.1995; Aktenzeichen I R 10/95)

 

Tenor

Der Bescheid über den Solidaritätszuschlag vom 20.04.1994 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19.09.1994 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf … DM festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger hatte bis zum 25.03.1991 seinen Wohnsitz in … Bis zu diesem Zeitpunkt war er mehr als zehn Jahre lang in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig gewesen. Am … ist er auf die … verzogen.

Für das Streitjahr wurde der Kläger mit seinen inländischen Einkünften gemäß § 2 Außensteuergesetz (AStG) zur Einkommensteuer veranlagt. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 20.04.1994 einen Solidaritätszuschlag in Höhe von 3,75 v.H. der Einkommensteuer von … DM fest.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren trägt der Kläger mit der Klage vor, zu Unrecht sei das Finanzamt der Auffassung, daß er solidaritätszuschlagspflichtig sei. Gemäß § 2 Solidaritätszuschlagsgesetz vom 24.06.1991 (SolZG) seien Personen abgabepflichtig, die nach § 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einkommensteuerpflichtig sind. Von § 1 EStG werde jedoch nicht die erweiterte beschränkte Steuerpflicht gemäß § 2 AStG erfaßt. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht habe gegenüber der normalen beschränkten Steuerpflicht im Sinne des § 1 Abs. 4 EStG lex-specialis-Charakter.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid über Solidaritätszuschlag 1991 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, unter § 1 EStG falle auch die erweiterte beschränkte Steuerpflicht. Die beschränkte Steuerpflicht des § 1 EStG erfahre durch die §§ 2, 5 AStG lediglich eine sachliche Erweiterung. Das AStG trete nur ergänzend und erweiternd zu den anderen Steuergesetzen, die die Besteuerung von Auslandsbeziehungen regelten, hinzu. Eine beschränkte Einkommensteuerpflicht sui generis sei nicht gegeben.

Mit Bescheid vom 19.09.1994 erklärte der Beklagte den Bescheid über den Solidaritätszuschlag im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung. Der Kläger hat den geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Dem Senat lag 1 Band Einkommensteuerakten vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger ist zu Recht der Auffassung, daß ein Solidaritätszuschlag nicht hätte festgesetzt werden dürfen.

Gemäß § 2 Nr. 1 SolZG sind abgabepflichtig natürliche Personen, die nach § 1 EStG einkommensteuerpflichtig sind. § 1 des Einkommensteuergesetzes regelt sowohl die im Streitfall unstreitig nicht vorliegende unbeschränkte Einkommensteuerpflicht als auch die beschränkte Steuerpflicht im Sinne des § 1 Abs. 4 EStG. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht gemäß § 2 AStG, wegen derer Voraussetzungen für den Kläger eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt wurde, fällt jedoch nicht unter § 1 Abs. 4 EStG.

Vielmehr begründet § 2 AStG eine eigenständige Steuerpflicht, die gegenüber der „normalen” beschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 4 EStG lex-specialis-Charakter hat (so auch Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 2 AStG Rd. 23 a). Sie ist eine Form der beschränkten Steuerpflicht und hat für den von ihr erfaßten Personenkreis im wesentlichen zwei Wirkungen: Sie erweitert zum einen die Besteuerungsgrundlagen über den in § 49 EStG gezogenen Rahmen hinaus auf weitere Einkünfte und legt für die Bestimmung des Steuersatzes sämtliche Einkünfte der Person zugrunde (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1986 2 Bvl 2/83, Bundessteuerblatt –BStBl– II 1986, 628, 633 unter I. 7.).

Trotzdem hat die Einkommensteuerpflicht nach § 2 AStG nicht, wie das Finanzamt meint, nur eine sachliche Erweiterung der in § 1 Abs. 4 EStG geregelten beschränkten Steuerpflicht zum Inhalt. Denn während nach § 1 Abs. 4 EStG ausschließlich solche Personen beschränkt einkommensteuerpflichtig sind, die inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG haben, werden darüber hinaus durch § 2 AStG Personen auch dann einkommensteuerpflichtig, wenn ihnen andere als die in § 49 EStG genannten Einkünfte zuzurechnen sind. Diese Rechtsfolge beruht darauf, daß abweichend von der unbeschränkten Steuerpflicht Anknüpfungsmerkmal der Besteuerung von beschränkt Steuerpflichtigen weniger die Person des Einkommensbeziehers als vielmehr das Vorhandensein bestimmter Einkünfte ist. Deshalb wird auch durch § 2 AStG eine eigenständige Steuerpflicht begründet, obwohl sie sich gegenüber der „normalen” beschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 4 EStG grundsätzlich nur steuererhöhend auswirkt. Dementsprechend h...

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