Rz. 1

Stand: EL 113 – ET: 09/2017

Die Besteuerung knüpft grundsätzlich an die bürgerlich-rechtlichen Formen an, wie sie die Beteiligten gestalten. Die Stpfl sind deshalb berechtigt, die für sie steuerlich günstigste Form der rechtlich zulässigen Gestaltung eines Sachverhalts zu wählen. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine rechtliche Gestaltung noch nicht unangemessen (BFH 137, 433 = BStBl 1983 II, 272), wenn die Gestaltungen ernsthaft vereinbart sind und die Beteiligten sie auch wie vereinbart durchführen.

Zu einer Steuerumgehung kommt erst eine – gemessen an dem erstrebten Ziel – unangemessene Gestaltung. Das ist zunächst für jede Steuerart gesondert nach den Wertungen des Gesetzgebers zu beurteilen (BFH 170, 299 = BStBl 1993 II, 700). Deshalb sind vorrangig die in den Einzelsteuergesetzen enthaltenen Regelungen zur Verhinderung von Steuerumgehungen zu beachten.

Ergibt sich die Unangemessenheit nicht bereits aus einer einzelgesetzlichen Regelung, kann sie sich aus § 42 AO ergeben. Danach ist eine rechtliche Gestaltung missbräuchlich, wenn sie dem Stpfl oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung einen gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil verschaffen soll (vgl § 42 Abs 2 Satz 1 AO). Der Stpfl kann aber nachweisen, dass es in seinem konkreten Fall doch außersteuerliche Gründe gibt, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind und deshalb einen Missbrauch ausschließen (vgl § 42 Abs 2 Satz 2 AO -- Umkehr der Beweislast).

 

Rz. 2

Stand: EL 113 – ET: 09/2017

Um die Rechtsfolgen einer missbräuchlichen Gestaltung zu klären, prüft das FA zunächst, ob ein Einzelsteuergesetz eine auf den konkreten Sachverhalt zutreffende, der Verhinderung von Steuerumgehungen dienende Regelung enthält. Ggf bestimmen sich die Rechtsfolgen nach dieser Regelung und nicht nach § 42 Abs 1 Satz 3 iVm Abs 2 AO. Gibt es keine einzelgesetzliche Regelung, die auf den Fall zutrifft, ist § 42 Abs 2 AO zu prüfen. Sind dessen Voraussetzungen gegeben, ergeben sich die Rechtsfolgen aus § 42 Abs 1 Satz 3 AO (vgl zu Einzelheiten AEAO zu § 42).

 

Rz. 3

Stand: EL 113 – ET: 09/2017

Die missbräuchliche Gestaltung eines Sachverhalts iSv § 42 AO ist für sich allein nicht strafbar (AEAO zu § 42, Tz 3). Eine Steuerumgehung ist aber strafbar (> Straf- und Bußgeldverfahren), wenn der Stpfl unter Verletzung seiner steuerlichen Pflichten das FA daran hindert, die Steuerumgehung zu erkennen (BFH 138, 4 = BStBl 1983 II, 534). Zur Abgrenzung von anderen Gestaltungen > Scheingeschäft.

 

Rz. 4

Stand: EL 113 – ET: 09/2017

Einzelfälle (kein Missbrauch): Der BFH hatte es im ‚Pfennigurteil’ nicht als Umgehung bezeichnet, dass der Lohn auf 499,99 DM festgesetzt war, weil bei 500 DM eine höhere Steuer eingetreten wäre (Tarifstufe). Zulässig ist die Vereinbarung eines niedrigeren Vergütungsanspruchs vom Grundgehalt für satzungsmäßige Aufgaben bei Schwestern des > Deutsches Rotes Kreuz (BFH 173, 292 = BStBl 1994 II, 424; ergänzend > Gehaltsverzicht Rz 1). Auch die Steuerung des Zuflusses oder Abflusses von Einnahmen oder Ausgaben, zB durch eine arbeitsrechtlich wirksame Zusatzvereinbarung, ist kein Rechtsmissbrauch iSv § 42 AO (BFH 227, 93 = BStBl 2010 II, 746 sowie BFH/NV 2010, 1089; ergänzend > Verlagerung von Lohnzahlungen, > Zufluss von Arbeitslohn Rz 22 ff). Ebenso, wenn eine Wohnung an einen Unterhaltsberechtigten vermietet wird, der die Miete ausschließlich aus laufenden Unterhaltszahlungen des Stpfl bezahlen kann (auch Verrechnung und lediglich Auszahlung des Differenzbetrags; BFH 190, 169 = BStBl 2000 II, 223; BFH 190, 173 = BStBl 2000 II, 224) oder bei Zahlung der Miete aus Zinserträgen oder geschenktem Geld (BFH 173, 551 = BStBl 1994 II, 694; BFH 177, 416 = BStBl 1996 II, 59). Kein Missbrauch auch bei Antrag auf Einzelveranlagung zwecks Steuererstattung, wenn die Nachzahlung beim anderen Ehegatten nicht beitreibbar ist (BFH/NV 2013, 193; ergänzend > Ehegattenbesteuerung Rz 13/1).

Als Gestaltungsmissbrauch hat es die Rechtsprechung aber angesehen, wenn der Wechsel vom individuellen LSt-Abzug zur Pauschalierung nach § 40a EStG oder umgekehrt allein zum Ziel hat, unter Ausnutzung von Jahresfreibeträgen die Steuerabzüge zu minimieren (BFH 167, 49 = BStBl 1992 II, 695; ergänzend > Pauschalierung der Lohnsteuer Rz 166 ff, 170, 175). Unangemessen ist es auch, wenn Ehegatten sich wechselseitig als ArbN anstellen (BFH 95, 44 = BStBl 1969 II, 315; EFG 1994, 188; ergänzend > Arbeitnehmer Rz 67 ff, 78); wenn sich einander nahe stehende Personen Wohnungen wechselseitig zur eigenen Nutzung vermieten (BFH/NV 2013, 1094); wenn eine Grundstücksgemeinschaft von Ehegatten Teile der Ehewohnung an den einzelnen Ehegatten als Arbeitszimmer vermietet (EFG 2009, 153) – anders aber, wenn ein Ehegatte dem anderen seine an dessen Beschäftigungsort belegene Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung zu fremdüblichen Bedingungen vermietet (BFH 202, 15 = BStBl 2003 II, 627) oder wenn der Stpfl das eigene Haus an die Eltern vermietet und gleichzeitig das Haus de...

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