Entscheidungsstichwort (Thema)

Progressionsvorbehalt bei zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 ist nicht nur anzuwenden, wenn in einem Kalenderjahr zeitweise unbeschränkte und zeitweise beschränkte Steuerpflicht bestehen, sondern auch dann, wenn nur zeitweise unbeschränkte Steuerpflicht und im Übrigen keine Steuerpflicht besteht.

2. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 ist mit DBA-Recht vereinbar.

3. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, auch wenn man der geänderten Rechtsprechung des BFH zu § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht folgt. Die Regelung ist auch ansonsten verfassungskonform.

4. § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 ist mit EG-Recht vereinbar.

 

Normenkette

EStG § 32b Abs. 1 Nr. 2; OECD-MA Art. 23A Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.11.2003; Aktenzeichen I R 19/03)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anwendbarkeit eines besonderen Steuersatzes nach § 32 b Absatz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.1995, BStBl I 1995, 438 (EStG 1996).

Die Kläger waren im Streitjahr 1996 vom 01.01. bis zum 31.10. ausschließlich in Ungarn ansässig und steuerpflichtig; sie hatten in der Zeit keine Einkünfte in Deutschland. Zum 1.11.1996 zogen sie in die Bundesrepublik Deutschland und wurden hier unbeschränkt steuerpflichtig. In Ungarn erzielten sie in dem Zeitraum 1.01. bis 31.10.1996 Einkünfte in Höhe von ... DM. Der Ehemann erzielte in Deutschland im Zeitraum 01.11. bis 31.12.1996 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von ... DM; die Ehefrau hatte keine Einkünfte.

Die Kläger wurden für 1996 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei bezog der Beklagte im Bescheid vom 25.11.1997 die ausländischen Einkünfte in Höhe von ... DM nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 zur Bestimmung des Steuersatzes heran und setzte die Einkommensteuer auf ... DM und den Solidaritätszuschlag auf ... DM fest (Einkommensteuerakte Blatt 12). Den am 9.12.1997 eingegangenen Einspruch der Kläger (Einkommensteuerakte Blatt 15) wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13.07.1998 als unbegründet zurück (Einkommensteuerakte Blatt 42 ff).

Die Kläger haben am Montag, den 17.08.1998, Klage erhoben.

Die Kläger sind der Auffassung, der in § 32 b Absatz 1 Nr.2 EStG 1996 vorgesehene Progressionsvorbehalt sei nicht anzuwenden. Die Regelung sei mit dem DBA-Ungarn nicht vereinbar. Nach dessen Artikel 15 sei die Besteuerung von Einkünften aus unselbstständiger Arbeit dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen, so dass die in Ungarn im Zeitraum bis 31.10.1996 erzielten Einkünfte allein dort besteuert werden könnten. Dies schließe auch eine Berücksichtigung dieser Einkünfte im Rahmen eines Progressionsvorbehaltes aus. Darüber hinaus sei der Progressionsvorbehalt nicht mit Artikel 23 Abs. I a DBA-Ungarn, der Artikel 23 A Abs. 3 OECD-MA entspreche, vereinbar, wonach bei in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Personen nach dem DBA in Ungarn zu besteuernde und in der Bundesrepublik Deutschland freizustellende Einkünfte für die Ermittlung des Steuersatzes für die übrigen Einkünfte berücksichtigt werden. Ein Progressionsvorbehalt sei daher ausschließlich im Ansässigkeitsstaat zulässig. Hiervon weiche § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 ab. Dabei fehle eine ausdrückliche Regelung bezüglich einer Abweichung vom Zustimmungsgesetz zum DBA-Ungarn, die für eine wirksame Aussetzung der DBA-Regelung (sog. treaty overriding) erforderlich sei. Es bleibe daher nach § 2 AO bei der Anwendung des DBA-Ungarn mit der Folge, dass hier kein Progressionsvorbehalt anzuwenden sei.

Darüber hinaus verstoße der in § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996 angeordnete Progressionsvorbehalt gegen den aus Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz herzuleitenden Grundsatz, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden müssen, und sei daher verfassungswidrig. Die Vorschrift führe in den Fällen zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht zur Einbeziehung ausländischer Einkünfte in den Progressionsvorbehalt unabhängig davon, ob dies im DBA vorgesehen sei. Demgegenüber komme für ganzjährig unbeschränkt Steuerpflichtige ein Progressionsvorbehalt nach § 32 b Abs. 1 Nr. 3 EStG 1996 nur in Betracht, wenn dies im DBA vorbehalten sei und damit nur bei Ansässigkeit im Sinne des einschlägigen DBA in Deutschland. Dies stelle eine unzulässige Benachteiligung der nur zeitweise unbeschränkt Steuerpflichtigen dar, insbesondere im Vergleich zu Personen, die in Deutschland aufgrund eines Zweitwohnsitzes ganzjährig unbeschränkt steuerpflichtig, aber nicht im Sinne des DBA ansässig sind. Die Kläger halten daher einen Progressionsvorbehalt nur für zulässig, wenn der Steuerpflichtige bei Erzielung der Einkünfte nach dem DBA in Deutschland ansässig war. Eine Ungleichbehandlung ergäbe sich auch im Vergleich zu beschränkt Steuerpflichtigen, bei denen kein Progressionsvorbehalt anzuwenden sei.

Dem Urteil des BFH vom 19.12.2001, I R 63/00, sei nicht zu folgen....

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