Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabenordnung: Akteneinsicht nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Es besteht kein Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens zur Vorbereitung von Regressansprüchen gegen den Steuerberater. Auch nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens kann das Akteneinsichtsgesuch nicht auf außersteuerliche Grundlagen, wie das Datenschutzgesetz oder das (Landes)Informationsfreiheitsgesetz, gestützt werden.

 

Normenkette

AO § 91

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Akteneinsicht in Umsatzsteuerakten des Beklagten zur Vorbereitung von Regressansprüchen gegen den vormaligen Steuerberater der Klägerin.

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in Liquidation, 2007 ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden. Sie hatte der Steuerberatungsgesellschaft A bzw. deren Geschäftsführer, B, am 31.01.2005 eine Handlungs- und Zustellungsvollmacht erteilt. Der Steuerberater sollte für 2004 und 2005 Umsatzsteuererklärungen erstellen und Vorsteueransprüche geltend machen. Am 06.06.2006 legte der Steuerberater das Mandat nieder. Das Besteuerungsverfahren der Klägerin für die Jahre 2004 bis 2006 ist bestandskräftig abgeschlossen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass eine nicht zeitnahe Verrechnung von Umsatzsteuerforderungen mit ihr zustehenden Vorsteueransprüchen zur Insolvenz geführt habe.

Am 22.07.2009 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten, ihr Akteneinsicht in die Umsatzsteuerakten zu gewähren, weil sie einen Schadensersatzprozess gegen ihren Bevollmächtigten vor dem Landgericht C führe und ihr nicht alle Schreiben des Finanzamtes an die Steuerberatungskanzlei betr. Vorsteuer und Umsatzsteuer vorlägen. Es müsse geprüft werden, welche Umsatzsteuererklärungen die Steuerberatungskanzlei eingereicht habe. Diesen Antrag lehnte der Beklagte am 14.08.2009 -ohne Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung-- ab, u. a. weil wirtschaftliche Interessen keinen Anspruch auf Akteneinsicht begründen könnten. Die Schadensersatzklage gegen die A auf Zahlung von 49.596,19 € nahm die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht C am 10.09.2009 zurück.

Nachdem die Klägerin sich mit weiterem Schreiben vom 21.10.2009 für ihr Akteneinsichtsgesuch auch auf das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz (HmbIFG) berufen hatte, dessen Anwendung nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens nicht durch § 3 Abs. 2 Nr. 5 HmbIFG ausgeschlossen sei, lehnte der Beklagte das Akteiensichtsgesuch am 03.11.2009 -nunmehr mit Rechtsbehelfsbelehrung- erneut ab. Insbesondere greife das HmbIFG nicht ein, weil es in der Sache um die Festsetzung und Erhebung von Umsatzsteuern und damit um eine Abgabenangelegenheit gehe. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 04.12.2009, der unter Bezugnahme auf einen an das Verwaltungsgericht Hamburg adressierten Sprungklageentwurf begründet wurde. Mit Einspruchsentscheidung vom 18.03.2010 bestätigte der Beklagte die Versagung der Akteneinsicht. Die Abgabenordnung (AO) sehe grundsätzlich ein Recht auf Akteneinsicht nicht vor und gewähre nur ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung. Die Klägerin müsse sich das Verhalten ihres Bevollmächtigten zurechnen lassen, dem sie Vollmacht erteilt habe und dessen Überwachung ihr oblegen habe. Das wirtschaftliche Interesse an einem Zivilprozess rechtfertige nicht die Gewährung von Akteneinsicht und trete hinter die berechtigten Interessen des Finanzamtes zurück. Die Anwendung des HmbIFG sei durch dessen § 3 Abs. 2 Nr. 5 für Informationen über Vorgänge der Steuererhebung und Steuerfestsetzung ausgeschlossen, unabhängig davon, ob ein Steuerfall abgeschlossen sei oder nicht. Hiergegen richtet sich die Klage vom 15.04.2010.

Zwar kenne die AO kein Recht auf Akteneinsicht, gleichwohl bestehe ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung. Ausnahmsweise sei ein derartiger Anspruch von der Rechtsprechung auch bei einem abgeschlossenen Besteuerungsverfahren bejaht worden.

Im Übrigen sei die Einsichtnahme in Steuerakten, die bestandskräftige Veranlagungszeiträume beträfen, keine Abgabenangelegenheit i.S. von § 33 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Insoweit sei Rechtsgrundlage für die begehrte Akteneinsicht das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) und des Landes Hamburg. Ferner sei § 19 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) heranzuziehen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beklagte zu verpflichten, ihr Akteneinsicht in die Umsatzsteuerakten einschließlich Umsatzsteuernachschau- und Sonderprüfungsakten nebst aller in seinem Besitz befindlichen Umsatzsteuerdokumenten für den Zeitraum 2004 bis 2006 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Klägerin weder ein Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht nach § 19 Abs. 1 BDSG noch nach den Vorschriften des Bundes oder der Länder über den Informationszugang zu. Der Gesetzgeber habe von seiner ihm nach Art. 108 Abs. 5 Satz 1 Grundgesetz (GG) eingeräumten Regelungskompetenz dahingehend Gebr...

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