Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatz „in dubio pro reo” gilt auch im Steuerfestsetzungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Hängt der Erlass von Steuerbescheiden von der bei Steuervergehen eingreifenden Verlängerung der Festsetzungsfrist ab, schließen die im Strafverfahren zu beachtenden rechtsstaatlichen Grundsätze es aus, die Schätzung hinterzogener bzw. leichtfertig verkürzter Steuern wegen unterbliebener Mitwirkung des Steuerpflichtigen bei der Tatsachenfeststellung mittels Reduzierung des Beweismaßes auf bloße Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu stützen.

 

Normenkette

AO § 90 Abs. 2, §§ 162, 169 Abs. 2 S. 2, §§ 370, 378, 393 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1987, 1988, 1989, 1990, 1991, 1992

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.11.2006; Aktenzeichen VIII R 81/04)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht für die Streitjahre 1987 bis 1992 zu den vom Kläger erklärten Einkünften aus Kapitalvermögen weitere Einkünfte aus Kapitalvermögen hinzugeschätzt hat.

Der 1929 geborene Kläger war Notar und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau Studienrätin.

Der Kläger und seine Ehefrau erklärten für die Streitjahre u. a. folgende Einkünfte:

Notariat

Kapitalvermögen

Kläger

Ehefrau

insgesamt

Stückzinsen

1987

426.463,00 DM

55.688,00 DM

5.743,00 DM

61.431,00 DM

1988

420.693,00 DM

57.797,00 DM

8.377,00 DM

66.174,00 DM

1989

392.377,00 DM

68.149,00 DM

12.438,00 DM

80.587,00 DM

1990

678.186,00 DM

52.550,00 DM

17.822,00 DM

70.518,00 DM

(7.973,00 DM)

1991

464.404,00 DM

63.470,00 DM

18.699,00 DM

82.169,00 DM

(1.630,00 DM)

1992

694.926,00 DM

61.605,00 DM

17.530,00 DM

79.135,00 DM

Für die Folgejahre ergeben sich aus den Steuererklärungen folgende Einkünfte:

Notariat

Kapitalvermögen

Kläger

Ehefrau

insgesamt

1993

511.250 DM

66.408

14.255

80.663,00 DM

1994

1.032.654 DM

76.335

13.167

89.502,00 DM

1995

777.740 DM

87.203

10.121

97.324,00 DM

1996

977.740 DM

69.446

14.574

84.020,00 DM

1997

670.973 DM

87.395

15.255

102.650,00 DM

1998

481.231 DM

81.209

17.105

93.314,00 DM

Die Steuererklärung für 1992 reichte der Kläger 1994 und die Steuererklärung für 1991 reichte der Kläger 1993 beim Beklagten ein.

Nachdem der Kläger im August 1999 ein Auskunftsersuchen des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung…erhalten hatte, erklärte er im Oktober 1999, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, dass er im Zusammenhang mit der Einführung der Zinsabschlagsteuer Wertpapiere mit einem Nominalwert von etwa 450.000,00 DM im Ausland angelegt und es bisher unterlassen habe, die daraus resultierenden Zinserträge zu versteuern. Zum Nachweis für seine Auslandsanlagen überreichte der Kläger ein Schreiben der X-Bank (Schweiz) vom 30.11.1999 aus dem sich folgende Vermögensentwicklung ergibt:

31.12.1994

580.983,00 DM

31.12.1995

809.533,00 DM

31.12.1996

872.550,00 DM

31.12.1997

899.398,00 DM

31.12.1998

883.114,00 DM

Ferner heißt es in diesem Schreiben, dass für das Jahr 1994 keine Erträgnisaufstellung erstellt worden sei, da die Kontoverbindung erst am 21.07.1994 erfolgt und in der Zwischenzeit weder Erträge noch Gebühren angefallen seien. Ferner überreichte der Kläger Erträgnis- und Zinsaufstellungen für die Zeit von 1992 bis 1994 der Z-Bank Luxemburg. Aus der Erträgnisaufstellung für 1992 ergibt sich ein Wertpapierbestand von 39.000,00 DM, aus der Erträgnisaufstellung für 1993 ergeben sich festverzinsliche Wertpapiere im Wert von 728.000,00 DM und folgende inländische Investmentzertifikate: 2,8 A-Fonds 6,3 B-Fonds, 1,8 C-Fonds und 6,2 D-Fonds. Wegen der weiteren Einzelheiten der Erträgnisaufstellungen wird auf die in der Betriebsprüfungsakte abgehefteten Erträgnisaufstellungen Bezug genommen.

Auf die Anfrage der Steuerfahndung, wie die Gelder bis zur Anlage bei der Z-Bank bzw. bei der X-Bank Schweiz angelegt worden seien, teilte der Kläger mit, dass die X-Bank den Übertrag zur X-Bank Schweiz in drei Tranchen vorgenommen habe. Deswegen habe sich auch der Wertpapiergesamtbestand zwischen dem 31.12.1994 und dem 31.12.1995 nicht geändert. Auf Grund einer erneuten Anfrage der Steuerfahndung reichte der Kläger eine Depotaufstellung der Z-Bank zum 31.12.1993 ein, aus der sich ein Gesamtbestand in Höhe von 737.942,25 DM ergibt und eine Depotaufstellung auf den 31.12.1992, aus der sich ein Gesamtbestand in Höhe von 599.989,90 DM ergibt. Außerdem trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, dass dem Kläger aus dem Verkauf eines ererbten Hauses am 05.11.1993 ein Betrag von 300.000,00 DM zugeflossen sei, der nach Erinnerung des Klägers angelegt worden sei. Nachdem die Steuerfahndung dem Kläger mitgeteilt hatte, dass sie zum 01.01.1993 von einem Kapitalstand in Höhe von 599.989,00 DM und unter Berücksichtigung von Ansparungen in Höhe von 30.000,00 DM pro Jahr und einer Wiederanlage erzielter Zinserträge bei einem Zinssatz von 7,5 % von einem Anfangsvermögen zum 01.01.1987 von 247.954,00 DM ausgehe, teilte der Kläger mit, dass er am 03.08.1992 einen Kaufpreis aus dem Verkauf eines Reihenhauses in Höhe von 299.242,64 DM erhalten habe und sein Privatkonto bei der F-Bank da...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Hartz, ABC-Führer Lohnsteuer (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge