Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung für Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in der Schweiz

 

Leitsatz (NV)

Die Bezüge eines in der Bundesrepublik ansässigen Prokuristen einer schweizerischen Kapitalgesellschaft für eine in der Schweiz ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit sind in der Bundesrepublik steuerbefreit.

 

Normenkette

DBA CHE Art. 4 Abs. 1, 8, Art. 15 Abs. 5, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1d

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) wohnhafte Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bezog im Streitjahr 1986 Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis in der Schweiz. Er hatte am 22.Juni 1983 einen Arbeitsvertrag mit der A-AG in der Schweiz abgeschlossen, einer zum schwedischen A-Konzern gehörenden Kapitalgesellschaft. Der Kläger wird im Vertrag als ,,employee of AAG" (= AAG) bezeichnet. Er wurde nach dem Vertrag ,,for his services to AAG" bezahlt, hatte sich jedoch auch für die Gesamtbelange des A-Konzerns einzusetzen. Die A-AG ist nach den Abschn. 1 und 2 des Vertrages eine Tochtergesellschaft der schwedischen AAB. Im Handelsregister des Kantons ist die A-AG ab 28. Dezember 1983 als A. . .-AG und seit dem 13. Januar 1986 als A. . .-AG eingetragen. Der Kläger ist unter dem 17. August 1984 als Zeichnungsberechtigter mit Kollektivprokura zu zweien ausgewiesen.

Die A-AG wurde von Oktober 1984 bis April 1988 beim Finanzamt (FA) Z unter der Adresse: . . . mit einem Arbeitgeber-Signal geführt und 1985 mit einem U-Signal beim FA Y.Nach dem Addendum II zum Arbeitsvertrag Kläger/AAG wurde der Vertrag später auf die C-AG übertragen, die ab 28. Dezember 1983/6. Januar 1984 als AA-AG firmierte. Der Kläger sollte nach dieser Vertragsergänzung für diese Gesellschaft ,,joint signature"

haben. Er ist dementsprechend unter dem 17. August 1984 als Zeichnungsberechtigter mit Kollektivprokura zu zweien im Handelsregister der C/AA-AG eingetragen.

Für das Streitjahr bestätigte die AAG dem Kläger unter dem 30. Januar 1989, er sei als Prokurist, kaufmännischer Angestellter, bei ihr beschäftigt gewesen. Die vom Kläger vorgelegten Kontoauszüge der Stadtsparkasse weisen ,,Zahlungseingänge aus dem Ausland" in Devisenbeträgen aus ,,i.A. AAG" aus. Ablichtungen aus dem Reisepaß des Klägers enthalten für 1986 und 1987 Aufenthaltsbewilligungen für den Kanton . . . für max. 90 Tage im Jahr; in Abrechnungen der Kreditkarte des Klägers sind wiederholt Flüge vom Inland in die Schweiz sowie Kosten für Hotelaufenthalte in der Schweiz enthalten.

Auch für die weiteren Schweizer Firmen des A-Konzerns war dem Kläger bei Aufnahme seiner Tätigkeit Kollektivprokura erteilt worden (Schweizer Handelsblatt betr. AAG).

Der Steuererklärung der Kläger für das Streitjahr waren Durchschriften von Mitteilungen/Berechnungen der AA-AG an die Steuerverwaltung des Kantons beigefügt, wonach zur Pauschalabgeltung aller Steuern der Gemeinde, des Kantons und des Bundes 20 v.H. der Bruttobeträge der Staatskassenverwaltung zugeführt würden.

2. Die Kläger halten die Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis in der Schweiz für steuerfrei in der Bundesrepublik. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erfaßte die vom Kläger als steuerfrei erklärten Bezüge im Steuerbescheid 1986 vom 19. Mai 1989 jedoch als steuerpflichtig.

3. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage der Kläger statt. Es vertritt die Auffassung, daß die Bezüge gemäß Art. 15 Abs. 5, 24 Abs. 1 Nr.1d des deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA/Schweiz) steuerfrei seien.

4. Das FA stützt seine Revision auf Verletzung der Art. 15 Abs. 5, 24 Abs. 1 Nr.1d DBA/Schweiz.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Gemäß Art. 15 Abs. 5 DBA/Schweiz kann eine in einem Vertragsstaat ansässige Person, die für eine im anderen Vertragsstaat ansässige Kapitalgesellschaft als Prokurist oder in anderen näher bezeichneten leitenden Stellungen tätig ist, im Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft besteuert werden. Das gilt nicht, wenn die Tätigkeit lediglich Aufgaben außerhalb des Ansässigkeitsstaats der Kapitalgesellschaft umfaßt. Ist die als Prokurist tätige Person in der Bundesrepublik ansässig und übt sie ihre Tätigkeit in der Schweiz aus, so stellt die Bundesrepublik die aus der Tätigkeit bezogenen Einkünfte von der deutschen Besteuerung frei, wenn der Schweiz ein Besteuerungsrecht nach dem DBA/Schweiz zusteht (Art. 24 Abs. 1 Nr.1d DBA/ Schweiz).

2. Die vom Kläger im Streitjahr für seine Tätigkeit für die AA-AG bezogenen Einkünfte sind nach Art. 24 Abs. 1 Nr.1d DBA/Schweiz in der Bundesrepublik steuerbefreit.

a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG übte der Kläger im Streitjahr eine Tätigkeit als Prokurist für die in der Schweiz ansässige AA-AG aus. Diese Gesellschaft war Arbeitgeber des Klägers. Diese Feststellung, die das FG aus dem Arbeitsvertrag vom 22.Juni 1983 samt Addendum II gefolgert hat, binden den erkennenden Senat (§ 118 Abs. 2 FGO). Zulässige und begründete Revisionsrügen hat das FA dagegen nicht vorgebracht. Es liegen auch keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vor.

b) Das FG hat die AA-AG auch zu Recht als eine in der Schweiz ,,ansässige" Kapitalgesellschaft angesehen. Da die AA-AG nach den Auszügen aus dem Handelsregister des Kantons ihren Sitz in der Schweiz hatte, wurde sie in der Schweiz als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt (vgl. Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz, Kommentar, Art. 4 Rz.16a). Damit gilt sie als in der Schweiz ansässig (Art. 4 Abs. 1 DBA/Schweiz). Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Doppel-Ansässigkeit der Gesellschaft i.S. des Art. 4 Abs. 8 DBA/Schweiz. Insbesondere ist aus der Zuteilung eines Arbeitgeber- und eines U-Signals für die AAG durch zwei deutsche FÄ nicht zu entnehmen, daß die Gesellschaft in der Bundesrepublik unbeschränkt steuerpflichtig gewesen wäre.

c) Der Senat ist ebenso an die Feststellung gebunden, daß der Kläger in der Schweiz tätig war und daß seine Tätigkeit nicht ,,lediglich" Aufgaben außerhalb der Schweiz umfaßte (Art. 15 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr.1d DBA/Schweiz).

Auch gegen diese Feststellung sind keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen des FA vorgebracht worden. Sie verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Das FG hat insbesondere ohne Rechtsirrtum gefolgert, daß sich aus dem mit ,,intensiver Reisetätigkeit in Übersee" begründeten Fristverlängerungsantrag des Klägers zur Steuererklärung 1983 nicht ergebe, daß er ,,lediglich" Aufgaben außerhalb der Schweiz wahrgenommen habe. Der Vortrag des FA zur teilweisen Weiterbelastung der Lohnkosten des Klägers an eine schwedische Gesellschaft des A-Konzerns und zu seiner Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen der AAB in Schweden könnte selbst dann nicht verwertet werden, wenn diese Tatumstände für die Entscheidung bedeutsam wären. Es handelt sich um neuen Tatsachenvortrag, dessen Berücksichtigung dem Revisionsgericht verwehrt ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Dezember 1979 I R 184/76, BFHE 129, 169, 172, BStBl II 1980, 119 m.w.N.).

c) Schließlich liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß der Kläger in der Schweiz nicht besteuert worden wäre (Art. 15 Abs. 5 Satz 2 DBA/Schweiz). Das FG hat ohne Rechtsfehler festgestellt, daß durch die Bescheinigungen der kantonalen Steuerbehörden vom 2. März und 12. Juli 1990 nachgewiesen sei, daß die Einkünfte des Klägers in der Schweiz besteuert wurden.. . .

 

Fundstellen

Haufe-Index 418400

BFH/NV 1993, 295

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