Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision

 

Leitsatz (NV)

Zur Begründung einer zulassungsfreien Revision, die auf das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels im Sinne des § 116 Abs. 1 FGO gestützt wird, genügt es nicht, den Verfahrensmangel nur ,,auf Verdacht" zu behaupten; das Vorliegen des Verfahrensmangels muß vielmehr schlüssig dargetan werden.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1970 als Facharzt tätig. Er wohnte im Bezirk des Finanzamts A. 1968 eröffnete er eine Praxis im Bezirk des Beklagten und Revisionsbeklagten, des Finanzamts B (FA). Da der Kläger keine Einkommensteuererklärung abgab, veranlagte ihn das FA im Jahre 1974 im Schätzungswege; die Bescheide wurden an ,,Herrn und Frau Dr. Peter Müller" (Name geändert) gerichtet und jeweils nur in einer Ausfertigung übersandt. Hiergegen legten der Kläger und seine Ehefrau Einspruch ein. Das FA wies den Einspruch im Jahre 1977 zurück und erhöhte die Einkommensteuerschuld.

Der Kläger und seine Ehefrau erhoben Klage; hinsichtlich der Ehefrau wurde das Verfahren von der Ehefrau und vom FA vom 9. Mai 1979 für erledigt erklärt; am 19. März 1984 wurde dieses Verfahren abgetrennt. Am 29. März 1984 hat vor dem Finanzgericht (FG) eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Das FG ermäßigte die Einkommensteuerschuld des Klägers, wies die Klage im übrigen aber ab.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Der Kläger hat gleichwohl Revision erhoben; er rügt Verfahrensmängel i. S. von § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Das FG hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen; die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Senat mit seiner Entscheidung vom 19. Februar 1987 zurückgewiesen (Aktenzeichen IV B 67/84). Der Kläger konnte seine Revision danach nur auf die in § 116 Abs. 1 FGO erwähnten Mängel stützen. Hierzu müssen Tatsachen vorgetragen werden, die - ihre Richtigkeit unterstellt - den gerügten Mangel ergeben (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dies ist seitens des Klägers nicht geschehen.

1. Nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist als wesentlicher Verfahrensmangel anzusehen, daß ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war. Dies kann auch dadurch geschehen, daß eine gebotene Ladung zur mündlichen Verhandlung unterlassen wird.

Der Kläger rügt in diesem Zusammenhang, daß seine Ehefrau nicht zum Verhandlungstermin geladen worden sei, obwohl sie gleichfalls Klage erhoben habe; die Abtrennung ihres Verfahrens hält er für unrechtmäßig und die von ihr abgegebene Erledigungserklärung für unwirksam. Hieraus kann jedoch kein Mangel des angefochtenen Urteils hergeleitet werden, das allein im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem FA ergangen ist. In der ihm vorausgehenden mündlichen Verhandlung mußte nur der Kläger als Beteiligter nach Vorschrift der Gesetze vertreten sein; insoweit ergibt sich kein Verfahrensmangel, weil der Kläger an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat.

2. Gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO kann mit der zulassungsfreien Revision auch gerügt werden, daß das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, daß beim FG für das Jahr 1984 kein ordnungsmäßiger Geschäftsverteilungsplan bestanden habe, weil der Plan für das Jahr 1983 einfach fortgeschrieben worden und nicht durch Beschluß des Präsidiums, sondern im Umlaufverfahren bzw. durch Einzelbefragung zustande gekommen sei. Dieser Vortrag genügt inhaltlich nicht den an die Verfahrensrüge zu stellenden Anforderungen. Das Revisionsgericht muß anhand der Revisionsbegründung prüfen können, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Revisionsführers zutrifft (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14. Oktober 1952 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, ständige Rechtsprechung; Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. März 1970 V R 135/68, BFHE 98, 239, BStBl II 1970, 384). Der Kläger hätte demnach erläutern müssen, was im Geschäftsverteilungsplan 1984 bestimmt ist, wie er zustande gekommen ist und inwieweit hierbei Verfahrensvorschriften verletzt wurden. Im Schrifttum wird angeführt, daß ein Geschäftsverteilungsplan nicht im Umlaufverfahren und auch nicht durch Einzelbefragung der Mitglieder des Präsidiums zustande kommen könne (vgl. Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 44. Aufl., § 21 e GVG, mit weiteren Nachweisen). Der Kläger hat diese Ansicht aufgegriffen und ersichtlich ohne weitere Anhaltspunkte behauptet, daß ein derartiger Mangel vorliege; dies ergibt sich schon daraus, daß nach seiner Angabe der Geschäftsverteilungsplan im Umlaufverfahren bzw. durch Einzelbefragung zustande gekommen ist. Mit solchen Andeutungen kann ein Verfahrensmangel i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO nicht dargetan werden; der Verfahrensfehler kann nicht ,,auf Verdacht" behauptet werden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 120 FGO Anm. 62).

Ebenfalls ist nicht schlüssig dargetan, daß das FG im Falle des Klägers vom Geschäftsverteilungsplan abgewichen ist. Der Kläger hätte hierzu den Inhalt des Geschäftsverteilungsplans angeben müssen; unterschiedliche Senatszuständigkeiten in dem ihn betreffenden Verfahren können sich schon aus den unterschiedlichen Eingangsjahren der Klagen ergeben. Eine Abweichung vom Geschäftsverteilungsplan würde zudem nur dann einen absoluten Revisionsgrund darstellen, wenn sie willkürlich oder sonst mißbräuchlich wäre (vgl. BGH-Urteil vom 22. November 1957 4 StR 497/57, BGHSt 11, 106, 110); auch hierfür ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers kein Anhaltspunkt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415004

BFH/NV 1988, 238

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