Rz. 3

Satz 1 ordnet an, wird Hilfe nach den §§ 33 bis 35 oder nach § 35a Abs. 2 Nr. 3 oder 4 gewährt, so ist auch Krankenhilfe zu leisten. Für die Gewährung von Krankenhilfe stellt § 40 Satz 1 als Anspruchsvoraussetzung das Vorliegen einer Krankheit auf und beschränkt die Gewährung auf bestimmte Hilfearten. Der Begriff der Krankheit ist weder im SGB VIII noch im SGB V gesetzlich definiert. Es kommt daher auf den medizinisch notwendigen Bedarf an (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 9.1.2020, 12 E 1057/19; ausdrücklich in Abgrenzung zu einem Bedarf auf einmaligen Leistung i. S. d. § 39 Abs. 3, bei dem es nicht auf den medizinischen Bedarf, sondern auf einen nicht durch laufende Leistungen nach § 39 Abs. 2 gedeckten Unterhalt nach dem Lebensstandard einer Familie mittleren Einkommens ankommt). Eine Krankheit liegt vor, wenn ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand der ärztlichen Behandlung bedarf (vgl. stellv. BSG, Urteil v. 13.2.1975, 3 RK 68/73; v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 40 Rz. 13). Die Bedürftigkeit hingegen ist keine Anspruchsvoraussetzung (Winkler, in: BeckOK, SGB VIII, Stand: 1.9.2021, § 40 Rz. 3). Beim Anspruch handelt es sich um eine gebundene Entscheidung; es besteht ein zwingender Rechtsanspruch (Münder, § 40 SGB VIII, Rz. 2). Durch die Inbezugnahme auf die in Satz 1 konkret benannten Hilfen wird die Krankenhilfe als Leistung der Jugendhilfe auf die Hilfe zur Erziehung nach §§ 33 bis 35 und § 35 a Abs. 2 Nr. 3 und 4 beschränkt; die genannten Hilfearten sind abschließend. Krankenhilfe ist daher an eine Vollzeithilfe außerhalb des eigenen Elternhauses gebunden. Teilstationäre Formen der Hilfe, etwa die Erziehung in einer Tagesgruppe gemäß § 32 oder Hilfen gemäß § 35a Abs. 2 Nr. 2 sind nicht erfasst (v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 40 Rz. 10). Es gilt der Grundsatz der freien Arztwahl (v. Koppenfels-Spies, a. a. O., Rz. 24). Die Leistungen der Krankenhilfe werden als Sachleistung durch Einschalten von Leistungserbringern (Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern etc.) erbracht (v. Koppenfels-Spies, a. a. O., Rz. 25).

 

Rz. 4

Bevor Krankenhilfe nach § 40 gewährt wird, ist als negative Tatbestandsvoraussetzung außerdem stets zu prüfen, ob vorrangig Verpflichtungen anderer Leistungsträger – namentlich der Krankenkassen – bestehen (vgl. § 10 Abs. 1; hierauf weist zutreffend hin: Münder, § 40 SGB VIII, Rz. 2; Winkler, a. a. O., Rz. 2; v. Koppenfels-Spies, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 40 Rz. 14). Im Wesentlichen (zu den Fallgruppen vgl. auch bei Stähr in: Hauck/Noftz, Stand: 01/2018, Werkstand: 2023, § 40 SGB VIII, Rz. 6) geht es dabei um

 

Rz. 5

Hauptanwendungsfall einer vorrangigen Verpflichtung eines anderen Leistungsträgers in der Jugendhilfe ist die Familienversicherung i. S. v. § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V (vgl. hierzu auch Wiesner, SGB VIII, § 40 Rz. 4). Danach sind Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres mitversichert, bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres, wenn sie nicht erwerbstätig sind, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn sie sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden (§ 10 Abs. 2 SGB V). Außerdem sind Kinder ohne Altersgrenze mitversichert, wenn sie als Menschen mit Behinderungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Bestehen derartige Ansprüche, scheiden Leistungen der Krankenhilfe nach § 40 insoweit aus. Kinder i. S. d. Familienversicherung (§ 10 SGB V) sind

  • eheliche Kinder (einschließlich adoptierte Kinder),
  • nichteheliche Kinder,
  • Stiefkinder und Enkel, sofern sie vom Mitglied überwiegend unterhalten werden,
  • Pflegekinder und Adoptionspflegekinder, wenn es sich um ein Pflegeverhältnis handelt, das für längere Dauer bestimmt ist und bei dem das Pflegekind in häuslicher Gemeinschaft mit dem Versicherten in einer familienähnlichen Struktur lebt.

Die Gewährung von Krankenhilfe kommt dabei auch bei diesen Personenkreisen insbesondere dann in Betracht, wenn die Versicherung bestimmte Kosten nur anteilig übernimmt oder einzelne Risiken ganz ausschließt.

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