Abgas-Urteile: Besser den Diesel-Händler und die VW-AG verklagen?

Das OLG Karlsruhe hat Rücktrittsbegehren von zwei Autokäufern gegenüber den Händlern zurückgewiesen, weil die zweijährige Verjährungsfrist ab Kaufvertragsschluss lange um war. Die Schadensersatzklage gegen die VW-AG war wegen festgestellter vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung erfolgreich.

Kein Ende des VW-Skandals in Sicht

Der VW-Abgasskandal wird wohl noch lange Wellen schlagen. Die strafrechtlichen Untersuchungen laufen noch und die Zivilgerichte sind mit Klagen der getäuschten Kunden beschäftigt. Kürzlich hat das OLG Karlsruhe zwei weitere Fälle entschieden und in einem von ihnen die Revision zugelassen.

Manipulierte Motoren nicht nur in VW eingebaut

In den betroffenen dieselbetriebenen Fahrzeugen, die diesmal keine VW sind, war die Motorsteuerung (EA 189) mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen, die die Abgaswerte manipulierte (§ 27 Abs. 1 EG-Fahrzeugnehmigungsverordnung (EG-FGV)).

Das hatte das Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) für diese Fahrzeugtypen per Pressemitteilung vom 16.10.2016 öffentlich bekannt gegeben und bereits am 15.10.2015 in Form eines entsprechenden Bescheids gegenüber VW festgestellt.

Händler und VW AG verklagt 

In dem einen Fall wollte die Klägerin den 2011 neu erworbenen Skoda Oktavia an den Händler gegen Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurückgeben.

Parallel verklagte sie VW auf Schadensersatz, den sie nicht bezifferte, sondern zunächst nur grundsätzlich feststellen lassen wollte.

In dem am selben Tag vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall verlangte der Kläger vom Händler die Rückabwicklung des Kaufvertrags seines 2013 als Neufahrzeug gekauften Audi Q3.

Kaufvertrag mit Händler nicht nichtig trotz Gesetzesverstoß

Der Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV steht außer Frage. Er wird als Ordnungswidrigkeit geahndet (§ 37 Abs. 1 EG-FGV). Das berührt aber nach Ansicht des OLG Karlsruhe nicht den zwischen Kunde und Händler geschlossenen Kaufvertrag. Insbesondere führt der Verstoß nicht zur Nichtigkeit des Vertrags, weil gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen wurde (§ 134 BGB), weil diese Rechtsfolge laut BGH-Rechtsprechung immer nur dann eintreten soll, wenn es gegen beide Parteien - und nicht wie hier nur gegen die Verkäuferseite - gerichtet ist. Ein nichtiger Vertrag sei für den Käufer wegen der verschärften Haftung (§ 819 BGB) auch gar nicht erstrebenswert.

Anfechtung scheitert, weil die Täuschung von VW den Händlern nicht zugerechnet wird

Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) wurde abgelehnt, weil der Händler zum Vertragszeitpunkt (2011 und 2013) nichts von der Manipulation der Motoren wusste und eine Kenntnis von VW ihnen als unabhängigen Dritten nicht zuzurechnen ist.

Nacherfüllungsansprüche waren bei Rücktrittserklärung verjährt

Schließlich scheiterten auch die Rücktrittsbegehren der klagenden Kunden, weil die Nacherfüllungsansprüche zum Zeitpunkt der jeweiligen Erklärungen schon verjährt waren. Die

  • zweijährige Verjährung begann jeweils mit Übergabe der Fahrzeuge im März 2012 bzw. Juni 2013.
  • Die Rücktritte wurden im Dezember 2015 (17 U 160/18) und
  • im November 2017 (17 U 204/18) erklärt.

Händler haben mit dem Verjährungsverzicht von VW nichts zu tun

Dass die Händler sich auf die Verjährung berufen haben, fanden die Karlsruher Richter okay, während die Kunden mit Rechtsmissbrauch argumentierten. VW hatte im November 2015 einen Verzicht auf die Verjährungseinrede in Bezug auf dann noch nicht verjährte Ansprüche erklärt und den Fahrzeughändlern geraten hatten, es dem Konzern gleichzutun. Auch hier werden aber die Händler – die dem Rat nicht gefolgt waren - als völlig losgelöste Dritte gesehen. Abgesehen davon waren hier strittigen Ansprüche schon vorher verjährt.

Erfolgreiches Schadensersatzbegehren gegen die VW-AG

Während die Klagen gegen die Händler gescheitert sind, hatte die Klägerin, die zusätzlich die VW-AG zur Verantwortung zog, mehr Glück. Ihr wurde Schadensersatz zugesagt, und zwar für alle Schäden, die aus der Installation der manipulierenden Software resultieren. VW wird insoweit eine sittenwidrige Schädigung vorgeworfen (§ 826 BGB). Durch dieses vorsätzliche und sittenwidrige Vorgehen sei der Klägerin ein Schaden entstanden, der im Abschluss des Kaufvertrages an sich liege.

(OLG Karlsruhe, Urteile v. 18.7.2019, 17 U 160/18 und 17 U 204/18).
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Flickenteppich Diesel-Rechtsprechung:

Nicht nur die Vergleichsstrategie von VW hat die Rechtsprechung zum Diesel so uneinheitlich werden lassen. Es gibt auch regionale Besonderheiten. So reihte sich ein harsches Pro-Käufer-Urteil aus Krefeld (Verwerfliche Täuschung der Käufer allein aus Gewinnstreben) in die Reihe einiger weiterer Entscheidungen des LG Krefeld zu Gunsten der Käufer (LG Krefeld, Urteile v. 4.10.17, 2 O 192/16, 2 O 192/16 und 2 O 19/17). Es entsprach der allgemeinen Tendenz der Landgerichte in diesen Fällen. Dagegen entschied das LG Braunschweig bisher in der Mehrzahl der Fälle zu Gunsten von VW (LG Braunschweig, Urteil v. 3.1.2019, 11 O 1172/18; Urteil v.16.11.2018, 11 O 899/18).

Das LG Braunschweig spielt bei Klagen speziell gegen VW als das zuständige Gericht am Sitz des Autoherstellers eine herausragende Rolle und hat über den weitaus größten Teil der eingereichten Klagen zu entscheiden.