Abgasskandal: Käufer unterliegt vor dem OLG Koblenz

Der Käufer eines VW Golf Diesel mit illegaler Abschaltvorrichtung hat nach einem aktuellen Urteil des OLG Koblenz keinen Anspruch auf ein fabrikneues Ersatzfahrzeug. Sein Anspruch auf Nachbesserung verjährt innerhalb von zwei Jahren.

Das Urteil des OLG Koblenz bedeutet nach einem ähnlich begründeten Urteil des OLG Braunschweig eine weitere deutliche Schlappe für VW Dieselkäufer. Im entschiedenen Fall kaufte der Kläger im März 2009 einen Pkw VW Golf 2,0 TDI zum Preis von etwas über 19.000 Euro. Das Fahrzeug verfügte über einen mit Dieselkraftstoff betriebenen Motor der Baureihe EA 189. Dieser Motor war mit der als Schummelsoftware bekannt gewordenen Steuerung ausgestattet, die erkannte, wenn das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand getestet wurde. Das Kraftfahrtbundesamt hatte dieses Steuerelement als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung EG 175/2007 bewertet.

Käufer verlangt fabrikneues Fahrzeug

Im September 2017 forderte der Kläger die beklagte VW-Händlerin zur Nachlieferung eines fabrikneuen typgleichen Fahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion auf. Die Beklagte lehnte ab und erhob die Einrede der Verjährung.

Fahrzeug war eindeutig mangelhaft

Das OLG schloss sich ausdrücklich der in einem Hinweisbeschluss des BGH zum Ausdruck gebrachten Auffassung an, dass die vom Käufer beanstandete Softwaresteuerung einen Mangel im Sinne von § 434 BGB darstellt (BGH, Beschluss v. 8.1.2019, VIII ZR 225/17). Den Mangel begründete der Senat des OLG allerdings ausschließlich damit, dass aufgrund der illegalen Abschalteinrichtung eine Betriebsuntersagung des Fahrzeugs drohte.

Mangel durch Software-Update beseitigt

Ausdrücklich wies der Senat darauf hin, dass das Fahrzeug nach der Bewertung des OLG inzwischen keinen Mangel mehr aufweist, da der Kläger im Jahr 2018 das von VW angebotene Software-Update hat durchführen lassen. Eine Betriebsuntersagung drohe damit nicht mehr, der Mangel sei damit endgültig behoben.

Kläger hat Nachbesserung durch Software Update verbindlich gewählt

Durch das Aufspielen des Software-Updates hat der Kläger nach Einschätzung des OLG darüber hinaus sein Wahlrecht nach §§ 437, 439 BGB ausgeübt. Hierdurch sei er daran gehindert, nunmehr auf eine andere Art der Nachbesserung umzuschwenken und die Lieferung einer mangelfreien Sache im Sinne von § 439 BGB zu fordern.

Nachlieferung einer mangelfreien Sache inzwischen unmöglich

Außerdem ist nach Wertung des OLG die Lieferung einer mangelfreien Sache der beklagten Händlerin inzwischen unmöglich geworden. Unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts und den inzwischen vorgenommenen produktionstechnischen Änderungen bei der Fahrzeugherstellung, könne ein Fahrzeug, das technisch einem im Jahr 2009 gekauften Fahrzeuge entspricht, aus objektiven Gründen dem Kläger als Neufahrzeug nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. Daher sei eine Leistung wie die vom Kläger geforderte gemäß § 275 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen.

Keine Zurechnung einer etwaigen Arglist auf den Händler

Schließlich brachte der Senat seine Auffassung zum Ausdruck, dass der Anspruch des Klägers bei Klageerhebung bereits verjährt gewesen sei. Der Anspruch auf Nachbesserung unterliege der zweijährigen Verjährungsfrist bei Kaufverträgen gemäß § 438 BGB.

  • Die Ausnahmeregelung der längeren Verjährungsfrist bei arglistigem Verhalten gemäß § 438 Abs. 3 BGB greife nicht ein, da die Verkäuferin selbst den Kläger nicht arglistig getäuscht habe.
  • Die Zurechnung eines etwaigen arglistigen Verhaltens von Mitarbeitern der VW AG auf die Händlerin über § 278 BGB komme nicht in Betracht. Zwischen den Automobilherstellern und ihren Händlern bestehe kein so enges Näheverhältnis, dass Mitarbeiter von VW als Erfüllungsgehilfen der Händlerin angesehen werden können.

Kein Anspruch aus Delikt

Mit ähnlicher Begründung verneinte der Senat auch einen Anspruch aus deliktischem Verhalten gemäß § 823 BGB. Der Händlerin selbst Falle einer Arglist nicht zur Last. Abgesehen von den Zweifeln des Senats, ob die Voraussetzungen für den Vorwurf eines deliktischen Verhaltens gegenüber VW vorliegen würden, könne eine solche Arglist von VW jedenfalls der Händlerin nicht zugerechnet werden,

  • da das Unternehmen VW weder Verrichtungsgehilfe der Händlerin,
  • noch im Verhältnis Händlerin/VW ein irgendwie geartetes Weisungsverhältnis erkennbar sei.

Klageantrag zu unbestimmt

Schließlich bemängelte das OLG den vom Kläger gestellten Klageantrag. Dieser sei zu unbestimmt. Die Forderung nach einem gleichartigen und gleichwertigen Ersatzfahrzeug lasse einen zu weiten Interpretationsspielraum und sei für einen Gerichtsvollzieher, der gegebenenfalls mit der Vollstreckung eines solchen Urteils beauftragt würde, zu wenig konkret.

(OLG Koblenz, Urteil v. 6.6.2019, 1 U 1552/18).

OLG Koblenz übernimmt die rechtlichen Wertungen des OLG Braunschweig

Mit seiner Entscheidung schließt sich das OLG Koblenz in mehrfacher Hinsicht der gegenüber VW Kunden eher restriktiven Rechtsprechung des OLG Braunschweig an (OLG Braunschweig, Urteil v. 13.6.2019, 7 U 289/18):

  • Beide Gerichte sehen in dem Aufspielen des Software-Updates seitens VW eine erfolgreiche Nachbesserung, die zu einem mangelfreien Fahrzeug führt.
  • Beide Gerichte sind der Auffassung, dass ein mögliches arglistiges Verhalten des Herstellers VW den Händlern nicht zugerechnet werden kann.
  • Beide Gerichte halten einen Klageantrag, mit dem die Lieferung eines technisch gleichwertigen und gleichartigen Ersatzfahrzeugs gefordert wird, für zu unbestimmt und bewerten einen entsprechenden Antrag damit als unzulässig.

Urteil bedeutet deutlichen Rückenwind für VW

In der Gesamtschau bedeutet die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Koblenz und Braunschweig eine deutliche Stärkung der Position der VW Händler und damit auch der von VW selbst. Besonders kritisch aus Sicht von Klägern in noch tausenden laufenden Verfahren ist die Bewertung des von VW angebotenen Software-Updates als hinreichend effektive Art der Nacherfüllung.