OLG: Blinder Fußgänger stürzt auf Fußweg über E-Roller

Abgestellte E-Roller können für Menschen mit Handicap eine echte Gefahr darstellen. Im Falle eines Unfalls führt das aber nicht unbedingt zu einer Haftung des Halters, musste ein erblindeter Fußgänger erfahren.

Ein blinder Fußgänger stürzte über zwei E-Roller, die auf einem Bürgersteig abgestellt waren, und verletzte sich dabei schwer. Gerichtlich wollte er ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000 EUR durchsetzen sowie die Zahlung von Schadensersatz zum Ausgleich seiner materiell erlittenen Schäden.

Die Roller waren von der Verleihfirma auf dem 5,50 Meter breiten Gehweg im 90-Grad-Winkel zur angrenzenden Hauswand parallel nebeneinander abgestellt worden, wobei die Lenker jeweils zum Gehweg zeigten.

Blinder Fußgänger argumentierte – konnte den zweiten E-Roller nicht erkennen

Der Mann argumentierte, dass er bei gemäßigtem Tempo sich im Pendelgang mit seinem weißen Langstock sich an der Hauswand orientiert habe. Mit seinem Stock habe er den ersten auf dem Gehweg abgestellten Roller wahrgenommen. Beim Übersteigen dieses Rollers sei er dann auf den zweiten getreten, gestolpert und schwer gestürzt. Er habe nicht erkennen können, dass es sich nicht nur um einen, sondern um zwei Roller gehandelt habe.

OLG Bremen: Keine verschuldensunabhängige Halterhaftung des E-Roller-Verleihers

Das Oberlandesgericht (OLG) Bremen sah keinen Anspruch des Mannes. Es ergebe sich keine Haftung des beklagten Rollervermieters aus Grundsätzen einer verschuldensunabhängigen Halterhaftung. Die betroffenen E-Roller seien gemäß § 1 Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) als Elektronikkleinstfahrzeuge zu qualifizieren, unter anderem deshalb, weil ihre Höchstgeschwindigkeit bei 20 km/h liege. Gemäß § 8 Nr. 1 StVG scheide eine Gefährdungshaftung des Halters für solche Elektrokleinstfahrzeuge aus § 7 StVG aus.

Das Ordnungsamt hatte seiner erteilten Sondernutzungserlaubnis unter anderem Folgendes festgelegt:

  • „Bei der Auswahl der Standorte sowie beim Aufstellen der Fahrzeuge hat die Erlaubnisinhaberin die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten. Die Belange von Senioren, Kindern und Menschen mit Behinderung sind dabei besonders zu berücksichtigen.
  • „Werden Fahrzeuge durch die Erlaubnisinhaberin aufgestellt oder umverteilt, muss am neuen Standort eine Restgehweite von 1,50 Meter verbleiben; das Aufstellen von Fahrzeugen an öffentlichen Fahrradabstellanlagen bzw. Radständern ist untersagt.“

Keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Vermieters der E-Roller

Dem Rollervermieter könne auch keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Das Abstellen des Rollers im 90-Grad-Winkel zur Hauswand verstoße weder gegen die vom Ordnungsamt erteilte Sondernutzungserlaubnis noch gegen allgemeine zivilrechtliche Rücksichtsnahme- und Fürsorgepflichten gegenüber besonders schutzbedürftigen Menschen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Roller standen oder lagen.

(OLG Bremen, Urteil v. 15.11.2023, 1 U 15/23)

Weitere Beiträge:

AG Berlin-Tiergarten: E-Scooter mitten auf dem Gehweg sind ein Parkverstoß

Betrunken E-Scooter gefahren – Fahrerlaubnis entzogen

Motorrad auf Elektro-Parkplatz geparkt – zu Recht abgeschleppt?

Schlagworte zum Thema:  Verkehrsrecht, Urteil, Behinderung