Keine Rettungsgasse auf Bundesstraßen innerorts

Das BayObLG hat einem Autofahrer grundsätzlich recht gegeben, der sich gegen die Verhängung eines Bußgeldes und eines einmonatigen Fahrverbots wegen seiner Weigerung zur Bildung einer Rettungsgasse auf einer innerörtlichen, autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraße zur Wehr gesetzt hat.
Rechtsbeschwerde gegen amtsgerichtliches Urteil
Das AG Augsburg hatte gegen den Beschwerdeführer eine Geldbuße in Höhe von 240 EUR sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Das Gericht warf dem Betroffenen vor, auf einer Bundesstraße im Stadtgebiet von Augsburg keine vorschriftsmäßige Gasse zur Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen gebildet zu haben. Gegen diese Verurteilung hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt.
Pflicht zur Rettungsgasse nur außerorts und auf Autobahnen
Das BayObLG hat der Rechtsbeschwerde stattgegeben. Die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen §§ 11 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 11 StVO beruht nach der Entscheidung des BayObLG auf einer fehlerhaften Auslegung des Gesetzes. Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse gelte nach dem Wortlaut des Gesetzes auf Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens 2 Fahrstreifen für eine Richtung, nicht dagegen für den innerstädtischen Verkehr auf einer Bundesstraße (so auch: LG Hamburg, Urteil v. 18. 2.2022, 306 O 471/20).
Der mögliche Wortsinn eines Gesetzes markiert die Auslegungsgrenze
Im konkreten Fall handelte es sich um eine Bundesstraße mit baulich getrennten, zweispurigen Richtungsfahrbahnen im Bereich einer geschlossenen Ortschaft. Damit sei weder die gesetzliche Voraussetzung des Befahrens einer Autobahn noch die einer Außerortsstraße erfüllt. Eine Ausdehnung des Geltungsbereichs der Vorschrift über den Wortsinn hinaus sei im Ordnungswidrigkeitenrecht – ebenso wie im Strafrecht – nicht zulässig.
Analogieverbot im Ordnungswidrigkeitenrecht
Das AG stellte zunächst fest, dass es sich um eine autobahnähnliche Kraftfahrstraße handelt. Daraus leitete es die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse ab. Nach Auffassung des BayObLG hat das AG jedoch die Grenze des möglichen Wortsinns des § 11 Abs. 2 StVO überschritten. Das AG habe damit gegen das Analogieverbot verstoßen.
Rettungsgassenbildung innerorts oft nicht sinnvoll
Im Übrigen spricht nach Auffassung des BayObLG auch der Sinn und Zweck der Regelung des § 11 Abs. 2 StVO für eine wörtliche Auslegung der Vorschrift. Die Vorschrift diene dazu, bei Unfällen auf Autobahnen oder auf Außerortsstraßen Sicherungs- und Rettungskräften einen schnellen und möglichst sicheren Zugang zu ihrem Einsatzort zu ermöglichen. Innerorts werde die Durchfahrt für Rettungsfahrzeuge entsprechend den örtlichen Gegebenheiten auf andere Art ermöglicht, z. B. dadurch, dass Fahrzeuge sich möglichst weit rechts einordnen, um Rettungsfahrzeugen die Durchfahrt zu ermöglichen.
„Freie Bahn“ für Einsatzfahrzeuge grundsätzlich auch innerorts
Trotz dieser für den Rechtsbeschwerdeführer günstigen rechtlichen Feststellungen könnte sein Verhalten am Ende dennoch geahndet werden. Die Vorinstanz hatte unwiderlegt festgestellt, dass der Beschwerdeführer ein aufgrund eines Verkehrsunfalls zum Einsatz gekommenes Polizeifahrzeug durch sein Verhalten mindestens 5 Minuten an der Weiterfahrt gehindert hatte. Dieses Verhalten lege einen Verstoß gegen § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO nahe. Nach dieser Vorschrift haben bei Verwendung des blauen Blinklichts zusammen mit dem Einsatzhorn sämtliche Verkehrsteilnehmer sofort „freie Bahn“ für das Einsatzfahrzeug zu schaffen. Ein Verstoß hiergegen sei gemäß § 49 Abs. 3 Nr.3 StVO zu ahnden.
Bisher keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen
Nach der Entscheidung des BayObLG fehlen bisher Feststellungen dazu, ob das Einsatzfahrzeug der Polizei unter Einsatz des blauen Blinklichts und des Martinshorns fuhr. Vor diesem Hintergrund hat das BayObLG die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und das Verfahren zum Zwecke der erforderlichen ergänzenden Feststellungen an die Vorinstanz zurückverwiesen.
(BayObLG, Beschluss v. 26.9.2023, 201 ObOWi 971/23)
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