Eltern können ihre Kinder nicht von der Schulpflicht befreien

Weder Urlaub noch religiöse Bedenken können die Schulpflicht aushebeln. Schulferien sind eine teure Reisezeit. Um die Urlaubskasse zu schonen oder die Reise dem Zeitplan der Familie anzupassen, befreien manche Eltern mit einem Alibi-Attest oder Vorgabe anderer fingierter Gründe ihre Kinder vom Schulunterricht. Doch eigenmächtige Urlaubsverlängerungen sind ein Verstoß gegen die Schulpflicht.

Die Schulpflicht selbst ist aufgrund der Kulturhoheit der Länder in den einzelnen Landesverfassungen geregelt. Die Vollzeitschulpflicht dauert in der Regel bis zum Abschluss des 9. (z.B. in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Hessen), in einigen Bundesländern bis zum 10. Schulbesuchjahres (z.B. in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Rheinland-Pfalz). Nach Ablauf der Vollzeitschulpflicht beginnt die Berufsschulpflicht.

Eltern stehen für Schulbesuch gerade

Die Eltern minderjähriger Kinder haben dafür zu sorgen, dass der oder die Schulpflichtige am Unterricht oder an sonstigen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt.

  • Kommen die Eltern dieser Verpflichtung nicht nach, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld geahndet werden.
  • Als letzte Konsequenz kann den Eltern durch das Familiengericht das Sorgerecht teilweise oder ganz entzogen werden (BGH, Beschlüsse v. 11.09.2007, XII ZB 41/07 und XII ZB 42/07).

Kein Sonderurlaub für Schüler bei „Bildungsreisen“

Findige Eltern versuchten den Urlaub als Weiterbildung des Schülers schmackhaft zu machen. Vergebens: Auch eine Deklaration des Urlaubs als „Bildungsreise“ erlauben das ungenehmigte Fernbleiben grundschulpflichtiger Kinder vom Unterricht nicht (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 25.02.2005, 9 S 2735/04).

Falsche Atteste können Ärger bringen

Vorsicht ist auch bei gefakter ärztlichen Attesten geboten: Eine Mutter und Kinderärztin reichte für ihr Kind ein ärztliches Attest nach.

  • Ohne Genehmigung der Schulleitung hatte der Junge wegen einer Fahrt in den gebuchten Weihnachtsurlaub einen Schultag versäumt.
  • Die Vorinstanz hatte eine Geldbuße verhängt, was das OLG Düsseldorf nicht in der Höhe, aber im Grundsatz bestätigte. 
  • Der Sohn habe auch zur Schule gehen können, wenn er die „ungleich anstrengendere Reise nach Zermatt“ antreten konnte,

so das Gericht (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 7.02.1996, 5 Ss (OWi) 380/95 - (OWi) 162/95 I).

Aufhebung der Schulpflicht nur sehr selten

Eine Befreiung von der Schulpflicht gibt es nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen, beispielsweise in besonders gelagerten Fällen wie Diplomaten, Schaustellern und Schwerkranken. Sowohl die persönliche Überzeugung der Eltern, sie unterrichten die Kinder besser als in der Schule als auch Ängste und Alpträume der Kinder, rechtfertigen eine solche Ausnahme nicht (OVG Bremen, Urteil v. 3.02.2009, 1 A 21/07).

Religionsbedingtes Fernbleiben der Schule nicht gestattet

Die Religionsfreiheit muss regelmäßig hinter den staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag zurücktreten

  • Eine Geldstrafe gegen Eltern, die ihre Kinder aus religiösen Gründen nicht zur Schule geschickt haben, wurde vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß erachtet.
  • Die Schulpflicht wurde somit bestätigt  als regelmäßig stärker als die Religionsfreiheit (BVerfG, Beschluss v. 31.05.2006, 2 BvR 1693/04).

Laut Dem Bundesverfassungsgericht sind Unterrichtsbefreiungen sehr enge Grenzen gesetzt. Unter der Voraussetzung, dass die Schule Neutralität und Toleranz gegenüber den erzieherischen Vorstellungen der Eltern aufbringt, ist nicht einmal das Fernbleiben vom Sexualkundeunterricht aus religiösen Gründen ist gestattet (BVerfG, Beschluss v. 21.07.2009, 1 BvR 1358/09).

Einige elternberufliche Ausnahmen möglich

Eine Ausnahme besteht nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Muslimische Schülerinnen, welche die Bekleidungsvorschriften des Korans als verbindlich ansehen, haben einen Anspruch auf Befreiung von dem koedukativen (gemischt-geschlechtlichen) Sportunterricht, wenn sie dadurch in einen Gewissenskonflikt geraten würden (BVerwG, Urteil v. 25.08.1993, 6 C 8.91).

Ein Befreiungsanspruch besteht aber dann nicht, wenn die Eltern in einem Aufnahmegespräch schriftlich ihr Einverständnis mit dem koedukativen Sportunterricht gegeben haben. Ein späterer Antrag auf Befreiung stehe in Widerspruch zur Einverständniserklärung und verstoße gegen Treu und Glauben, so das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen (OVG NRW, Beschluss v. 30.06.2009, 19 B 801/09).

Achtung: Eine Befreiung vom Sportunterricht führt nicht automatisch zur Befreiung der Anwesenheitspflicht.

Schwimmen inbegriffen

Auch das Schwimmen wird von der Schulpflicht erfasst: Einer elfjährigen muslimischen Schülerin kann zugemutet werden, mit einem Ganzkörperbadeanzug (sog. Burkini) am gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht teilzunehmen. (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 28.9.2012, 7 A 1590/12).

Die Richter betonten jedoch, dass im vorliegenden Fall auch das Alter der Klägerin und die Tatsache, dass die Pubertät bei ihr noch nicht eingesetzt hatte, von entscheidender Bedeutung war. Denn mit dem Einsetzen der Pubertät erkennt die Rechtsprechung bei muslimische Schülerinnen dann einen Befreiungsanspruch an, wenn der Sportunterricht sie in einen persönlichen Gewissenskonflikt bringt.

Es werden allerdings Ausnahmen zugelassen, wenn z.B. in der konkreten schulischen Situation aus besonderen Gründen der Zwang zur Teilnahme am Schwimmunterricht unzumutbar sei. Das Gericht ließ offen, ob eine solche Unzumutbarkeit beispielsweise durch extrem provokative Frotzeleien und Hänseleien seitens der Mitschüler gegenüber einer psychisch besonders sensiblen Muslima ausgelöst werden könne (OVG Münster, Urteil v. 20.05.2009, 19 B 1362/08).

Vgl. zu dem Thema auch:

Burkini-Entscheidung: Muslima müssen gemeinsam mit den Jungens zum Schwimmunterricht

Elfjähriger Schulschwänzer –  Eltern müssen Schulbesuch durchsetzen

Impfpflicht

Schlagworte zum Thema:  Schüler, Urlaub, Haftung