Strafrechtsreform geplant: Entrümpelung des StGB

Bundesjustizminister Marco Buschmann will das „StGB auf die Höhe der Zeit bringen“. Dazu will er das Strafrecht komplett durchforsten und historisch überholte, unzeitgemäße, moralisierende sowie überflüssige Straftatbestände abschaffen.

„Totes Holz“ verstellt den Blick auf das Wesentliche und muss deshalb aus dem StGB entfernt werden, so der Bundesjustizminister. Die Modernisierung des StGB ist nach dem Koalitionsvertrag eines der zentralen Gesetzesvorhaben der Ampel-Regierung. Laut Koalitionsvertrag soll das StGB systematisch auf „Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche“ überprüft werden. Nicht mehr zeitgemäße Straftatbestände sollen ersatzlos gestrichen werden.

Befreiung des StGB von NS-Begrifflichkeiten

Ganz oben auf der Liste des Bundesjustizministers steht die Entfernung sämtlicher NS-Begriffe aus dem StGB. Der Minister plant in diesem Zusammenhang eine Reform der Tötungsdelikte §§ 211, 212 StGB. Dabei soll es vor allem den auf der nationalsozialistischen Tätertypenlehre basierenden Mordmerkmalen an den Kragen gehen. Die praktische Umsetzung könnte allerdings auf erhebliche praktische Probleme stoßen wie unterschiedliche Äußerungen zu diesem Vorhaben aus der Vergangenheit zeigen. Insbesondere die langjährige gefestigte Rechtsprechung zu den Mordmerkmalen und deren Auslegung sowie die damit verbundene Rechtssicherheit werden als Argumente gegen eine Neujustierung der Tötungsdelikte ins Feld geführt.

Ersatzlose Streichung „toter“ Straftatbestände

Aus dem StGB entfernen will der Minister Tatbestände, die heute bedeutungslos geworden sind. Dazu gehört der Straftatbestand der Verletzung amtlicher Bekanntmachungen gemäß § 134 StGB sowie der Scheckkartenmissbrauch gemäß § 266b StGB. Beide Vorschriften kommen seit Jahren in der Praxis nicht mehr zur Anwendung.

Anpassung verfassungsproblematischer Vorschriften

Im StGB existieren einige Straftatbestände, die mit dem Grundgesetz nur schwer in Übereinstimmung zu bringen sind. So stellt § 183 StGB exhibitionistische Handlungen nur für Männer unter Strafe, nicht aber für Frauen. Umstritten ist, auf welche Weise dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG im Rahmen dieses Delikts Rechnung zu tragen ist. Entweder wird Gleichheit dadurch hergestellt, dass die Verwirklichung des Delikts generell - also auch für Frauen - strafbar wird oder aber die Vorschrift wird mangels Strafwürdigkeit ganz aus dem StGB entfernt. Entschieden ist diese Streitfrage bisher nicht.

Entkriminalisierung von Bagatelldelikten

Ebenfalls umstritten bleibt die vom BMJ präferierte Entfernung einiger Straftatbestände aus dem StGB, die als nicht strafwürdig eingestuft werden und zum Teil künftig als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden könnten. Dazu gehören die

  • Ausübung der verbotenen Prostitution gemäß § 184f StGB,
  • die Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 170 StGB,
  • die unerlaubte Veranstaltung von Gewinnspielen gemäß § 284 StGB sowie
  • das Erschleichen von Leistungen und damit die Strafbarkeit des Schwarzfahrens gemäß § 265a StGB.

Zur Diskussion steht auch die Herausnahme des „Containerns“ (Entwendung von zur Entsorgung vorgesehenen Lebensmitteln) aus der Strafbarkeit wegen Diebstahls gemäß § 242 StGB. Bundesjustizminister Buschmann verfolgt hier den Ansatz, das Containern bei Fortbestehen der Strafbarkeit lediglich von der Strafverfolgung auszunehmen.

Unzeitgemäß moralisierende Straftatbestände sollen weichen

Im Fokus der Streichliste stehen auch Straftatbestände, die an das allgemeine Moralempfinden anknüpfen. Hierzu gehören

  • das Verbot der Doppelehe gemäß § 172 StGB,
  • der verbotene Beischlaf zwischen Verwandten gemäß § 173 BGB,
  • die Beschimpfung von Bekenntnissen und Religionsgemeinschaften gemäß § 166 StGB sowie
  • die Erregung öffentlichen Ärgernisses gemäß § 183a StGB.

Sonderproblem: Entschlackung des Unfallfluchttatbestandes

Im Fokus des Bundesjustizministers ganz vorne steht die Reform der Strafbarkeit des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 StGB. Das BMJ hat zur geplanten Änderung dieses Straftatbestandes ein Eckpunktepapier vorgelegt, wonach die Bestrafung künftig auf Fälle mit Personenschaden beschränkt werden soll. Danach soll das unerlaubte Entfernen vom Unfallort im Fall reiner Sachschäden zur bloßen Ordnungswidrigkeit mit der Folge der möglichen Verhängung von Geldbußen herabgestuft werden.

Schutz des Beweissicherungsinteresses durch Meldestelle

Bei Unfällen mit Sachschäden soll nach den Vorstellungen des BMJ dem Beweissicherungsinteresse der Geschädigten dadurch Rechnung getragen werden, dass der Betroffene verpflichtet wird, den Unfall einer noch einzurichtenden Meldestelle anzuzeigen (ggflls. online) und/oder seine persönlichen Daten wie Name und Anschrift durch eine an dem beschädigten Fahrzeug anzubringende Schadensmeldung mitzuteilen.

Anwaltschaft begrüßt Reformpläne weitgehend

Der DAV begrüßt die Pläne des Bundesjustizministers zur Entschlackung des Strafrechts insgesamt. Auch der DAV fordert neben der Streichung der vom BMJ ins Auge gefassten Delikte eine grundsätzliche Reform des § 142 StGB, während die Versicherungswirtschaft hierdurch eine deutliche Einschränkung der Beweissicherungsmöglichkeiten befürchtet, insbesondere wenn Alkohol oder Drogen als Unfallursache in Betracht kommen.

Richterbund erwartet keine Entlastung der Justiz

Der Deutsche Richterbund steht den Plänen zumindest teilweise skeptisch gegenüber. Die vom BMJ beabsichtigte Entlastung der Justiz sei eher ein frommer Wunsch. Die Streichung der in der Praxis irrelevanten Straftatbestände sei gerechtfertigt, entlaste die Justiz aber nicht maßgeblich. Beim Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort hätten die Gerichte schon jetzt Spielräume, um angemessen zu reagieren, häufig z.B. durch Einstellung der Verfahren bei entsprechendem Verhalten der Beschuldigten. Würde in Zukunft das Entfernen vom Unfallort häufiger mit Bußgeldbescheiden sanktioniert, so sei eine Häufung von Einsprüchen die Folge, über die dann wiederum die Gerichte entscheiden müssten.

Die Umsetzung der Reformpläne könnte mühsam werden

 Die vom Bundesjustizministerium ins Auge gefasste Reformliste ist nicht kurz. Eine nicht geringe Zahl der für die vorgesehene Reform gelisteten Tatbestände ist äußerst umstritten. Es dürfte daher für die Ampelkoalition nicht leicht sein, die Reformpläne noch vor Jahresfrist in Gesetzesform zu gießen.

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