Geplante Änderungen 2023 im Strafrecht

Das Bundeskabinett hat eine Reform des strafrechtlichen Sanktionsrechts beschlossen. Die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafen soll halbiert, der Katalog der Strafzumessungsgründe soll um geschlechtsspezifische Tatmotive erweitert werden.

Halbierung des Umrechnungsmaßstabs für die Ersatzfreiheitsstrafe

Mit der Reform soll die Verbüßung von Gefängnishaft als Ersatz für nicht beglichene Geldstrafen deutlich zurückgedrängt werden.

Gemäß § 43 StGB-E wird der Umrechnungsmaßstab von Geldstrafen in eine Ersatzfreiheitsstrafe halbiert, so dass künftig 2 Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen.

Durch eine Erweiterung von § 459e Abs. 2 StPO um eine neue Hinweispflicht wird die Strafvollstreckungsbehörde verpflichtet, die zu einer Geldstrafe verurteilte Person auf mögliche Zahlungserleichterungen gemäß § 459a StPO sowie auf die Möglichkeit aufmerksam zu machen, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freiwillige Arbeitsstunden abzuwenden.

Flankierend soll auch die Gerichtshilfe und gegebenenfalls die Straffälligenhilfe zur Förderung dieser Optionen eingeschaltet werden.

Deutliche Reduzierung der Haftkosten

Die Halbierung der Haftstrafen kommt nicht nur den Betroffenen, sondern auch dem Staat zugute, denn eine Halbierung der Haft bedeutet auch eine Halbierung der nicht geringen Haftkosten. Am preiswertesten wird es für den Staat, wenn der Betroffene statt der Ersatzfreiheitsstrafe die Option der Ableistung gemeinnütziger Arbeit wählt. Auch hier soll der Umrechnungsmodus 1/2 lauten, d.h. für einen Tagessatz wäre ein halber Tag gemeinnütziger Arbeit zu leisten.

Erweiterung der Strafzumessungsgründe

Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB-E werden die bisherigen Strafzumessungsgründe um „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Beweggründe“ ergänzt. Damit soll die bereits bisher geltende Rechtsprechung, wonach Hass gegen Frauen sowie gegen LSBTI-Personen sich als Tatmotive strafschärfend auswirken, durch eine ausdrückliche Kodifizierung gefestigt werden. Unter die Neuregelung sollen nach dem Willen des Kabinetts auch die Fälle zu subsumieren sein, in denen sich der Täter von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit leiten lässt.

Modifikationen des Auflagen- und Weisungsrechts

In den Katalog der Weisungen im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56c Abs. 2 StGB, im Rahmen einer Verwarnung mit Strafvorbehalt gemäß § 59 a Abs. 2 StGB sowie bei vorläufigem Absehen von der Strafverfolgung gemäß § 153 a Abs. 1 Satz 2 StPO (Geringfügigkeit) soll ausdrücklich die Möglichkeit einer Therapieweisung aufgenommen werden, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen. Die Verwarnung mit Strafvorbehalt gemäß § 59a StGB wird um die Möglichkeit der Weisung zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen erweitert.

Die Unterbringung in Entziehungsanstalten wird enger gefasst

Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB wird auf Personen beschränkt, bei denen aufgrund ihres übermäßigen Rauschmittelkonsums die Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten besteht. Flankierend wird die zeitnahe Rücküberstellung von Personen in den Strafvollzug gestärkt, bei denen feststeht, dass die Behandlung erfolglos war oder ist. Hierzu sind verschiedene Änderungen des StGB und der StPO vorgesehen. Mit diesen Modifikationen will die Bundesregierung die seit Jahren erheblich ansteigende Zahl der Unterbringungen in Entziehungsanstalten reduzieren. Künftig sollen nur noch diejenigen Personen eingewiesen werden, bei denen eine positive Behandlungsprognose besteht.

Reform des Straftatbestandes der Leistungserschleichung soll später folgen

Auch eine Änderung des materiellen Strafrechts ist geplant. Die Ampelkoalition hat eine Überarbeitung des Straftatbestandes der Leistungserschleichung, § 265a StGB, in Aussicht gestellt, die fällige Reform allerdings auf das kommende Jahr verschoben. Eine der diskutierten Optionen ist die Herabstufung zu einer Ordnungswidrigkeit. Damit könnten Bußgelder verhängt werden, die in der Regel deutlich geringer als Strafzahlungen ausfallen und auch von finanziell schlechter gestellten Menschen leichter aufzubringen wären.

Kritik des DAV

Dem DAV gehen die Reformen insgesamt nicht weit genug. Er kritisiert vor allem die Ersatzfreiheitsstrafe als nicht mehr zeitgemäß. In der Praxis führe die Ersatzfreiheitsstrafe regelmäßig zur Inhaftierung von Menschen mit psychischen Problemen, mit Suchtkonflikten sowie von Menschen in finanzieller Not. Das Strafrecht dürfe nicht dazu dienen, Armut und soziale Ausgrenzung zu vertiefen. Die Ersatzfreiheitsstrafe gehöre deshalb abgeschafft. Die Justiz befürchtet demgegenüber bei einer vollständigen Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe einen deutlichen Bedeutungs- und Wirkungsverlust von Geldstrafen.

Umsetzung der Reform für die 1. Jahreshälfte 2023 geplant

Die Reform soll Anfang des Jahres im Bundestag und zeitnah im Bundesrat beraten werden. Nach den Plänen des Bundesjustizministers soll die Reform noch vor der Sommerpause 2023 in Kraft treten.

Legalisierung von Cannabis

Besitz, Anbau und Erwerb von Cannabis sollen unter bestimmten Voraussetzungen legalisiert werden. Das Gesetz ist aber immer noch sehr umstritten und muss insbesondere von der EU noch genehmigt werden. Das Bundesgesundheitsministerium plant für das 1. Quartal 2023, der EU einen entsprechenden Gesetzentwurf zum Zwecke der Genehmigung vorzulegen. Viele Einzelheiten sind noch unklar. Unter anderem ist noch nicht entschieden, ob der Gesetzgeber von dem bisher strikten Verbot des Führens eines Kraftfahrzeugs unter Cannabiseinfluss absehen und eine ähnliche Staffelung wie bei der Blutalkoholkonzentration, z.B. durch Messung des THC-Gehalts im Blut, einführen wird.

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