Privat versicherte können Kostenerstattung selbst klären
So sieht es jedenfalls das LG Frankenthal in einem kürzlich bekannt gewordenen, ausführlich begründeten Hinweisbeschluss.
Keine Beratung über Kostenerstattung einer Nasenschleimhaut-OP
Im konkreten Fall hatte der behandelnde Arzt seinem Patienten zu einer Operation der Nasenschleimhaut geraten und den Patienten ordnungsgemäß über die medizinischen Risiken aufgeklärt. Darüber, dass die private Krankenkasse des Patienten die Kosten der Operation möglicherweise nicht übernehmen würde, wurde nicht gesprochen.
Patient verweigerte Begleichung der Arztrechnung
Tatsächlich verweigerte die Krankenkasse nach durchgeführter Operation die Erstattung der Kosten von etwas über 2.000 EUR. Der Patient vertrat die Auffassung, der behandelnde Arzt hätte ihn über die Möglichkeit der Nichtübernahme der Kosten durch seine Krankenversicherung vorab aufklären müssen und verweigerte seinerseits die Begleichung der Arztrechnung.
Arzt verklagte Patienten auf Zahlung
Hierauf verklagte der Arzt seinen Patienten auf Zahlung. Dieser wandte nicht nur die fehlende Aufklärung über die mögliche Nichtübernahme der Kosten durch seine Krankenkasse ein, sondern behauptete darüber hinaus, die Operation der Nasenschleimhaut sei medizinisch nicht erforderlich gewesen und habe ihm gesundheitlich auch keine Vorteile gebracht.
Erstinstanzlich zur Zahlung verurteilt
Das erstinstanzlich zuständige AG hat zur medizinischen Erforderlichkeit der durchgeführten Operation Beweis erhoben. Der gerichtliche Sachverständige bestätigte die medizinische Indikation des de lege artis durchgeführten Eingriffs. Daraufhin verurteilte das Gericht den Beklagten zur Begleichung der in Rechnung gestellten Arztkosten. Nach Auffassung des AG hätte der Beklagte vorab bei seiner Krankenkasse die Erstattungsfähigkeit der Kosten selbst abklären müssen. Der behandelnde Arzt sei insoweit nicht zur Aufklärung gegenüber dem Beklagten verpflichtet gewesen.
Gesetzliche Aufklärungspflicht des Arztes umfasst auch Kostenfolgen
In einem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss bestätigte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung der Vorinstanz. Zwar existiert nach den Ausführungen des LG eine gesetzliche Pflicht der Ärzte sowohl zur medizinischen als auch zur wirtschaftlichen Aufklärung ihrer Patienten. Die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung solle Patienten vor finanziellen Überraschungen schützen und ihnen die möglichen wirtschaftlichen Folgen der Behandlung vor Augen führen.
Wirtschaftliche Aufklärungspflicht betrifft vor allem gesetzlich Krankenversicherte
Die Aufklärungspflicht der Ärzte hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen einer Behandlung beschränkt sich nach Auffassung des LG aber auf die Fälle, in denen der behandelnde Arzt Anhaltspunkte dafür hat, dass die Krankenversicherung die Kosten einer vorgeschlagenen Behandlung möglicherweise nicht übernimmt. Dies sei bei Patienten, die gesetzlich krankenversichert sind, in der Regel dann gegeben, wenn die vorgeschlagene Behandlung nicht im Katalog der von den gesetzlichen Krankenversicherungen vorgesehenen Heilbehandlungen gelistet ist.
Ärzte müssen im Recht der privaten Krankenversicherungen nicht bewandert sein
Bei privat versicherten Patienten kann der behandelnde Arzt nach Meinung des LG in der Regel die Erstattungsfähigkeit der Behandlungskosten nicht im Vorhinein abschätzen. Die Erstattungsfähigkeit beruhe auf individuell geschlossenen Versicherungsverträgen und könnten von Krankenkasse zu Krankenkasse erheblich abweichen. Von einem Arzt könne verlangt werden, dass er auf seinem medizinischen Fachgebiet fachlich bewandert ist, nicht aber im Recht der privaten Krankenversicherungen. Deshalb bestehe eine Aufklärungspflicht gegenüber einem privat versicherten Patienten nur in den Fällen, in denen der Arzt konkrete Anhaltspunkte für die Nichtübernahme der Kosten habe. Solche Anhaltspunkte seien im konkreten Fall aber nicht ersichtlich.
Unrichtige Aufklärung durch Praxismitarbeiterin nicht bewiesen
Dem Beklagten nutzte auch seine Behauptung nichts, eine Mitarbeiterin der Praxis habe vorab eine Kostenübernahme durch seine private Krankenkasse bestätigt. Die Richtigkeit dieser Behauptung hatte der Beklagte nicht beweisen können.
Erstinstanzliches Zahlungsurteil ist rechtskräftig
Das LG wies den Beklagten mit diesen Argumenten auf die Aussichtslosigkeit seiner Berufung hin, worauf dieser das Rechtsmittel zurücknahm. Damit ist die Verurteilung zur Zahlung durch das AG rechtskräftig geworden.
(LG Frankenthal, Hinweisbeschluss v. 23.7.2025, 2 S 75/25)
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