[8] 3. Der Kläger hat Ansprüche gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 249, 253 BGB. Der Kläger betrat die Filiale der Beklagten als Kunde, weil er mit seiner Frau dort einkaufen wollte, so dass vertragliche Ansprüche greifen.

[9] a) Eine objektive Pflichtverletzung ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu bejahen. Nach den Umständen des Einzelfalls haben die Mitarbeiter der Beklagten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen.

[10] aa) Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden.

[11] Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, NJW 2007, 762, 763; BGH, NJW 2007, 1683, 1684). Dabei sind Sicherungsmaßnahmen umso eher zumutbar, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung sind (BGH, NJW 2007, 762, 763). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen (BGH, NJW 2007, 1683, 1684).

[12] An die Sorgfaltspflichten der Inhaber großer Kaufhäuser und Verbrauchermärkte sind hinsichtlich der Auswahl und der Unterhaltung des Fußbodens strenge Anforderungen zu stellen; es ist zu gewährleisten, dass sich der Kunde bei normalem vernünftigem Verhalten sicher in den freigegebenen Räumen bewegen kann (BGH, Urt. v. 5.7.1994 – VI ZR 238/93, Rn 13, juris). Der Verantwortliche hat alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um Kunden vor einem Sturz auf glattem oder rutschigem Boden zu bewahren. Im Innenbereich eines Supermarkts gehört dazu die Verhinderung von Nässe auf dem Boden. Denn Nässe auf dem Fußboden kann nach allgemeiner Erfahrung ein Ausrutschen und Stürzen verursachen, vor allem weil ein Besucher, der den Supermarkt betritt, damit normalerweise nicht rechnet und dem Fußboden im Geschäft keine besondere Aufmerksamkeit zuwendet (OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.5.2021 – 9 U 62/19, Rn 15, juris). Daher sind Bodenbeläge in öffentlich zugänglichen Geschäftsräumen in angemessenen Abständen auf Gefahrenquellen wie Verunreinigungen, Feuchtigkeit usw. zu kontrollieren und diese dann alsbald zu beseitigen, da ein nasser oder verunreinigter Fußboden immer eine gewisse Gefahrenquelle darstellt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2010 – 22 U 116/10, BeckRS 2011, 7132, beck-online).

[13] Der Verkehrspflichtige hat – soweit Verschmutzungen des Bodens für Glätte sorgen können – durch entsprechende Anweisungen für eine regelmäßige Bodenreinigung in kurzen Abständen zu sorgen, wobei die Intervalle zwischen den Reinigungsvorgängen von den jeweiligen Gegebenheiten wie Kundenzahl, Art der Waren und der Witterung abhängen (Hager in: Staudinger [2021], BGB § 823 E, Rn 249 m.w.N.). Insbesondere sind Obst- und Gemüseverkaufsflächen in kurzen Abständen zu reinigen (OLG Koblenz, Urt. v. 27.9.1994 – 3 U 1595/93, juris). Bei Schnee und Regenwetter ist die an sich unvermeidbare Nässebildung in den Eingangsbereichen so weit zu beseitigen, dass sie in tragbaren Grenzen bleibt, Eingänge sind zu kontrollieren und die Feuchtigkeit in angemessenen Abständen aufzuwischen (Hager, a.a.O. m.w.N.). Durch die Reinigung selbst darf keine erhöhte Gefahr geschaffen werden (Hager, a.a.O.).

[14] bb) Danach ist eine Nassreinigung des Fußbodens während der Öffnungszeiten nicht prinzipiell ausgeschlossen, sondern unter Umständen sogar erforderlich, etwa wenn es darum geht, durch heruntergefallene Waren oder hereingetragene Feuchtigkeit entstandene Glätte zu beseitigen. Davon abzugrenzen ist die Frage, ob die tägliche (Standard-)Reinigung des ge...

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