Disco-Betreiberin haftet für Sturz auf rutschiger Tanzfläche

In einem Grundsatzurteil zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht hat das OLG Karlsruhe die Anforderungen an die Betreiberin einer Diskothek hinsichtlich der Überwachung und Kontrolle des Zustandes einer Tanzfläche konkretisiert.
Auf Getränkepfütze ausgerutscht
In dem vom OLG entschiedenen Fall war eine Discobesucherin in einer Diskothek im Neckar-Odenwald-Kreis auf einer auf der Tanzfläche befindlichen Getränkepfütze ausgerutscht und zu Fall gekommen. Die Folge waren diverse Knochenbrüche am Sprunggelenk sowie am Schienbeinkopf. Die Discobesucherin wurde über zwei Wochen stationär im Krankenhaus behandelt und musste sich mehrfach operativen Eingriffen unterziehen.
Krankenversicherung fordert Schadensersatz
Der Krankenversicherer der Geschädigten nahm daraufhin die Betreiberin der Diskothek auf Ersatz der Behandlungskosten in Höhe von ca. 37.000 EUR in Anspruch. Das erstinstanzlich zuständige LG wies die Klage ab. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil war beim OLG in vollem Umfang erfolgreich.
Verkehrssicherungspflicht umfasst Kontrollanordnungen
Das OLG bejahte einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Diskothekenbetreiberin. Nach der Entscheidung des Senats ist die Betreiberin einer Diskothek verpflichtet, Anordnungen zur Kontrolle und Reinigung des Tanzbodens zu treffen um zu verhindern, dass Gäste dort zu Fall kommen.
Erhöhte Unfallgefahr durch Getränke auf Tanzfläche
Diese Kontrollpflichten seien dann besonders hoch, wenn - wie im konkreten Fall - die Diskothekenbetreiberin ihren Gästen die Mitnahme von Getränken auf die Tanzfläche gestattet. Bei tanzenden Gästen mit einem Getränk in der Hand bestehe eine erhöhte Gefahr des Verschüttens von Getränken mit in der Folge von rutschigen Stellen auf der Tanzfläche.
Effektive Kontrolle nicht gewährleistet
Die Darlegungen der Diskothekenbetreiberin, ein eigens eingestellter „Chef-Springer“ sei mit einer permanenten Kontrolle der gesamten Diskothek betraut gewesen, reichte dem OLG für eine Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht nicht aus. Der Senat bemängelte, dass dieser „Chef-Springer“ die Kontrolle lediglich von einer Bühne aus vorgenommen habe, ohne die Diskothek und die Tanzfläche in regelmäßigen Abständen persönlich zu begehen. Von einer Bühne aus sei der Zustand einer gut besuchten Tanzfläche nicht effektiv zu kontrollieren.
Verkehrssicherung erfordert wiederholte Kontrollen
Das OLG stellte klar, das Erfordernis einer regelmäßigen Kontrolle der Tanzfläche bedeute nicht, dass „ständig ein Mitarbeiter mit einem Bodenwischer über die Tanzfläche läuft“, um den Boden sauber zu halten. Die eine Diskothekenbetreiberin treffende Verkehrssicherungspflicht beinhalte jedoch eine regelmäßig wiederholte Kontrolle des Fußbodens der Tanzfläche auf Scherben und Getränkepfützen. Diesem Erfordernis werde der von der Diskothekenbetreiberin eingesetzte „Chef-Springer“ nicht gerecht.
Klage in vollem Umfang erfolgreich
Im Ergebnis hob das OLG das klageabweisende Urteil des LG auf und gab der Klage in vollem Umfang statt.
(OLG Karlsruhe, Urteil v. 16.3.2022, 7 U 125/21)
HintergrundNach der Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte ist derjenige, der einen öffentlich zugänglichen Verkehr eröffnet und/oder eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet, sämtliche notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu vermeiden. Zu berücksichtigen ist laut BGH allerdings, dass eine Verkehrssicherung, die jede denkbare Schädigung ausschließt, in der Praxis nicht zu erreichen ist. Die Verkehrssicherungspflicht umfasst daher nur die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um Schaden von anderen abzuwenden (BGH, Urteil v. 22.1.2008, VI ZR 126/07). Betreiber zur regelmäßigen Kontrolle verpflichtetDie Entscheidung des OLG Karlsruhe zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht in Diskotheken steht im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte. Auch das OLG Hamm hatte der Besucherin einer Diskothek nach einem Sturz auf einer auf der Tanzfläche befindlichen Getränkepfütze einen Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gegen die Betreiberin der Diskothek zugesprochen. Bei dem Sturz zog sich die Geschädigte erhebliche Verletzungen ihrer Hand an ebenfalls auf dem Boden der Tanzfläche befindlichen Glasscherben zu. Haftung aufgrund OrganisationsverschuldensDas OLG Hamm begründete die Haftung mit einem Organisationsverschulden der Diskothekenbetreiberin. Diese habe nicht dargelegt, hinreichende organisatorische Maßnahmen ergriffen zu haben, um den Zustand der Tanzfläche zu kontrollieren und Verunreinigungen und Glasscherben rechtzeitig zu beseitigen. Nach der Entscheidung des OLG streitet in diesen Fällen der Anscheinsbeweis dafür, dass die Pflichtverletzung der Betreiberin der Diskothek ursächlich oder zumindest mitursächlich für den Unfall war (OLG Hamm, Urteil v. 5.4.2016, 9 U 77/15). |
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