Leitsatz (amtlich)

Eine objektive Verkehrssicherungspflichtverletzung kann in ihrem Kerngeschehen auf der Grundlage einer Anhörung der geschädigten Partei feststellbar sein, wenn die Partei und Zeugen das Randgeschehen übereinstimmend glaubhaft bekunden können. Feuchtigkeitslachen und Scherben auf dem Fußboden einer Tanzfläche stellen eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle dar.

 

Normenkette

BGB § 241 II, § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 253 II

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 03.02.2015; Aktenzeichen 19 O 310/13)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 03.02.2015 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten aus einem Unfall in Anspruch, der sich am 01.01.20... in der Discothek "N-park A ..." in C2 ereignete. Die genannte Discothek wurde von der E Gastronomie GmbH & Co. KG aus C2 betrieben, die mittlerweile liquidiert und im Handelsregister gelöscht ist. Die Beklagte zu 1) war zum Schadenszeitpunkt Komplementärin der Betreiberin, die Beklagten zu 2) und 3) Kommanditisten und zugleich die Geschäftsführer der Beklagten zu 1), also der Komplementär GmbH.

Die Klägerin suchte zusammen mit einem befreundeten Paar, welches die Discothek zum Unfallzeitpunkt bereits verlassen hatte, besagte Discothek auf, um gemeinsam mit ihren Freunden Silvester zu feiern. In den frühen Morgenstunden des 01.01.20..., nach Angaben der Klägerin zwischen 4.00 und 4.30 Uhr, ereignete sich der streitgegenständliche Unfall. Die Klägerin kam in den Räumlichkeiten der Discothek zu Fall und zog sich hierbei eine tiefe Schnittverletzung an der rechten Hand zu. Die stark blutende Wunde wurde verbunden und die Klägerin mit einem Krankenwagen in die Bergmannsheil und Kinderklinik C GmbH gefahren, wo sie sofort notoperiert wurde. Es wurde eine Schnittverletzung der rechten Hand mit Durchtrennung des ulnaren Nerven-Gefäß-Bündels Kleinfinger rechts sowie Prellungen rechter Fuß diagnostiziert.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe sich zusammen mit dem Zeugen F, einem Bekannten, auf der Tanzfläche befunden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Tanzfläche in ihrem Umkreis wegen heruntergefallener Getränke nass gewesen. Zudem hätten Glasscherben am Boden gelegen, welche sie jedoch, ebenso wie die Feuchtigkeit, aufgrund der dunklen Lichtverhältnisse nicht bemerkt gehabt habe und auch nicht habe bemerken können. Sie sei auf der nassen Tanzfläche ausgerutscht, mit der rechten Hand in die am Boden liegenden Glasscherben gestürzt und habe sich schwer verletzt. Sie und der Zeuge X hätten in der gesamten Nacht keinerlei Kontroll- oder Reinigungsmaßnahmen auf der Tanzfläche bemerkt. Hierüber habe man sich schon vor dem Schadensereignis gewundert. Bei der Beklagten zu 1) und dem mit ihr verbundenen Unternehmen existiere kein allgemeiner Organisationsplan, der den ordnungsgemäßen Ablauf und den Schutz der Gäste vor Gefahrensituationen oder deren Sicherheit insbesondere an hochfrequentierten Abenden wie dem der Silvesternacht 20.../20... gewährleistet hätte. Auch an jenem Abend habe es lediglich den Servicemitarbeiter, den Zeugen D gegeben, der direkt zuständig für die Sauberkeit im Tanzbereich gewesen sei. Seinen Angaben zurfolge habe er sich jedoch zum Unfallzeitpunkt nicht vor Ort befunden, sondern sei lediglich über Funk über den Unfall informiert worden und erst dann zur Tanzfläche geeilt. Auch der ansonsten für die Verkehrssicherung in der Gaststätte zuständige Zeuge Q, Betriebsleiter der Discothek, habe nicht für eine Beseitigung von Glasscherben und Getränkeresten auf der Tanzfläche gesorgt.

In Folge der Schnittverletzung seien weitere mannigfaltige gesundheitliche Probleme eingetreten, u.a. eine reaktive Arthritis nach gastrointestinalem Infekt, eine rheumatische Erkrankung, das Schmerzsyndrom "Morbus Sudek", eine reaktive Arthritis am linken Knie, ein Fibromyalgie-Syndrom (nicht entzündlich bedingtes Schmerzsyndrom mit chronischen Weichteilbeschwerden) sowie ein Morbus Bechterew, eine chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung mit erheblichen Rückenschmerzen, Deformierung und Einsteifung der Wirbelsäule. Die gegen die großen Schmerzen verabreichten Medikamente hätten zu einer Knochennekrose in beiden Hüftgelenken geführt, aufgrund dessen sei bereits ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt worden, die Einsetzung eines weiteren künstlichen Hüftgelenks an der anderen Seite folge. Nach Reduzierung der Schmerzmittel habe sie ihre Schmerzen durch Alkohol betäuben wollen, sei hierdurch alkoholkrank geworden und habe eine beginnende Leberzirrhose erlitten. Sie leide auch unter Depressionen. Si...

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